Alle 45 Minuten rast ein Röntgenstrahlen-Puls in Gigawattstärke von Jupiter ausgehend durch unser Sonnensystem.
Ein Beitrag von 29.06.2002 / Autor:. Quelle: Druckansicht.
Schon lange ist den Astronomen Jupiter als eine Röntgenstrahlenquelle bekannt. Das seit 1999 im Erdorbit operierende Röntgenstrahlen-Teleskop Chandra hat nun jedoch entdeckt, dass etwa alle 45 Minuten ein Röntgenstrahlen-Puls in Gigawattstärke von Jupiter ausgehend durch unser Sonnensystem rast.
Zuerst entdeckte im Jahr 1979 der Röntgenstrahlensatellit Einstein der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA, dass Jupiter Röntgenstrahlen emittiert. Der deutsche Röntgenstrahlensatellit ROSAT konnte diese Entdeckung dann im Jahr 1992 bestätigen. Die Beobachtungsinstrumente beider Satelliten konnten aufgrund der zur Verfügung stehenden maximalen Auflösung die Strahlungsquelle jedoch nur grob in der nördlichen Hemisphäre des Planeten lokalisieren, ohne genauere Angaben zuzulassen. Schon damals jedoch vermuteten einige Wissenschaftler, dass riesige Auroras oder Nordlichter um die Polarregion von Jupiter herum die Quelle für die beobachtete Röntgenstrahlung sein könnten.
Im Vergleich zu den Nordlichtern der Erde sind diejenigen des Jupiter beeindruckend: Mehrere hundert- bis tausendmal so energiereich und im Durchmesser doppelt so groß wie unser gesamter Heimatplanet! Die physikalische Ursache hingegen ist bei beiden Planeten identisch: In beiden Fällen werden Luftmoleküle zum Leuchten angeregt, indem Elektronen und Ionen (geladene Atome) in die oberen Atmosphärenschichten eindringen und mit ihnen kollidieren, was die faszinierend über den Himmel geisternden Lichterscheinungen zur Folge hat. Da die Flugbahnen sowohl von Elektronen wie auch von Ionen durch Magnetfelder beeinflusst werden, treffen sie vorwiegend an den Polarregionen auf die Atmosphäre beider Planeten, da dort die magnetischen Feldlinien in Richtung der magnetischen Pole auf die Planetenoberflächen zulaufen.
Einen wesentlichen Unterschied zwischen Erde und Jupiter gibt es allerdings, denn die Quelle der Elektronen und Ionen ist nicht identisch. Während irdische Nordlichter vorwiegend durch den so genannten Sonnenwind (ein permanent von der Sonne ausgehender Strom geladener Teilchen) gespeist werden, hilft im Falle des Jupiter sein Mond Io – der innerste der vier großen galileischen Monde – aus. Die vielen seine Oberfläche bedeckenden Vulkane speien ständig ionisierte Sulfat- und Sauerstoffatome aus, die dann entlang von Feldlinien der gigantischen Jupiter-Magnetosphäre von Io zum Planeten transportiert werden und dort eine weitere Beschleunigung durch lokale elektrische Felder oberhalb der Aurorazone des Planeten erfahren.
Als nun die hochauflösende Kamera von Chandra Ende 2000 für 10 Stunden auf Jupiter gerichtet wurde erwarteten die Projektwissenschaftler, dass der riesige Aurora-Ring als Quelle der Röntgenstrahlung der nördlichen Jupiter-Hemisphäre ausgemacht werden würde; eine nahe liegende Vermutung, ist doch schon die um Größenordnungen schwächere Aurora unseres Planeten eine solche Strahlungsquelle. Stattdessen jedoch entlarvte das Röntgenteleskop einen in unmittelbarer Nähe des magnetischen Nordpols von Jupiter gelegenen „Hot Spot“ als Röntgenquelle, die zudem noch pulsierte!
Die Ursache für dieses Pulsieren – dessen Periode nicht konstant bei 45 Minuten liegt, sondern unregelmäßig um ein paar Prozent um diesen Wert herum schwankt – ist den Astronomen noch unklar. Erstaunlicherweise haben die Raumsonden Galileo und Cassini, die sich zur Zeit der Chandra-Aufnahmen innerhalb und außerhalb der Jupiter-Magnetosphäre aufhielten, bei ihren Messungen verschiedenster physikalischer Größen keinerlei Schwankungen festgestellt, die sich mit diesem Pulsieren in Verbindung bringen ließen. Allerdings haben Galileo und Ulysses in der Vergangenheit Radioimpulse gemessen, die ebenfalls mit einer 45-minütigen Periode wiederkehrten.
Eine Spekulation besagt, dass Ionen zwischen dem Nord- und Südpol des Planeten hin- und herprallen könnten. Die Anhänger dieser Theorie verweisen darauf, dass einige sich schnell bewegende Partikel gerade die beobachteten rund 45 Minuten für ihren Weg vom Nord- zum Südpol brauchen würden. Wenn eine derartig pulsierende Strahlungsquelle auch noch am Südpol des Planeten ausgemacht werden würde, wäre dies natürlich eine starke Bestätigung für diese Theorie. Allerdings gestaltet sich der Nachweis schwierig, da der Südpol des Jupiters von der Erde aus nur schlecht zu sehen ist.
Als nächsten Schritt planen die Wissenschaftler, Spektren der von dem „Hot Spot“ ausgehenden Röntgenstrahlung zu gewinnen. Wenn sich dann vulkanische Elemente wie Sulfat und Sauerstoff finden lassen ist klar, dass Io in dem Prozess involviert ist – obwohl auch dann die Frage noch unbeantwortet ist, wie genau das Pulsieren zustande kommt.