MPE: Viele unbekannte Asteroiden im Hubble-Archiv

Mit einer ausgeklügelten Kombination aus menschlicher und künstlicher Intelligenz haben Astronomen 1.701 neue Spuren von Asteroiden in den Archivdaten des Hubble-Weltraumteleskops aus den letzten 20 Jahren entdeckt. Eine Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE).

Quelle: Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik 6. Mai 2022.

In dieser Hubble-Beobachtung vom 5. Dezember 2005 zieht der Asteroid 2001 SE101 vor dem Krebsnebel vorbei. (Credit: NASA/ESA HST, Bildbearbeitung: Melina Thévenot)

6. Mai 2022 – Während die Astronomen etwa ein Drittel davon identifizieren und bekannten Objekten zuordnen konnten, handelt es sich bei mehr als 1.000 Spuren vermutlich um bisher unbekannte Asteroiden. Diese nicht identifizierten Asteroiden sind schwach und wahrscheinlich kleiner als die Asteroiden, die bei bodengestützten Durchmusterungen entdeckt wurden. Sie könnten den Astronomen wertvolle Hinweise auf die Bedingungen im frühen Sonnensystem geben, als die Planeten entstanden.

Im Juni 2019, dem Internationalen Asteroidentag, veröffentlichte eine internationale Gruppe von Astronomen den „Hubble Asteroid Hunter“, ein Bürgerbeteiligungsprojekt auf der Plattform Zooniverse. Ihr Ziel: die visuelle Identifizierung von Asteroiden in den Archivdaten des Hubble-Weltraumteleskops.

„Was für den einen Astronomen nur Müll ist, kann für einen anderen Astronomen ein Schatz sein“, scherzt Sandor Kruk, jetzt am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, der die Asteroiden-Studie leitete. Dabei werden Daten gesammelt, die bei den meisten Beobachtungen automatisch als Rauschen oder Störungen herausgefiltert werden. „Die Datenmenge in den Astronomiearchiven wächst exponentiell, und wir wollten uns diese erstaunlichen Daten zunutze machen.“ Die Astronomen identifizierten zwischen dem 30. April 2002 und dem 14. März 2021 mehr als 37.000 zusammengesetzte Bilder aufgenommen mit den ACS- und WFC3-Kameras an Bord des Hubble-Weltraumteleskops, die über den gesamten Himmel verteilt sind. Bei einer typischen Beobachtungszeit von einer halben Stunde sollten die Asteroidenspuren auf diesen Bildern als Streifen zu sehen sein.

Dieses Mosaik zeigt 16 unterschiedliche Datensätze des NASA/ESA Weltraumteleskops Hubble die im Rahmen des Bürgerbeteiligungsprojekts „Asteroid Hunter“ untersucht wurden. In jedem Datensatz wurde die zeitliche Abfolge der Aufnahmen farblich markiert, wobei Blautöne die ersten Aufnahmen darstellen, in denen der Asteroid jeweils entdeckt wurde, und Rottöne die letzten. (Credit: ESA/Hubble & NASA, S. Kruk (ESA/ESTEC), Hubble Asteroid Hunter citizen science team, M. Zamani (ESA/Hubble))

„Aufgrund der Umlaufbahn und der Bewegung von Hubble selbst erscheinen die Streifen auf den Bildern gekrümmt, was es schwierig macht, Spuren von Asteroiden auf diesen Bildern zu klassifizieren – oder besser gesagt, es ist schwierig, einem Computer zu sagen, wie er sie automatisch erkennen soll“, erklärt Sandor Kruk. „Deshalb brauchten wir Freiwillige für eine erste Klassifizierung, mit denen wir dann einen Algorithmus für maschinelles Lernen trainierten.“ In Zahlen: Es gab 2 Millionen Klicks auf die „Hubble Asteroid Hunter“-Webseite, 11.482 Freiwillige fanden 1.488 positive Klassifizierungen in etwa 1 % der Bilder. Die Astronomen nutzten diese Klassifizierungen der Laienwissenschaftler*innen, um einen automatisierten Algorithmus für maschinelles Lernen in der Google Cloud zu trainieren und so in den verbleibenden Archivdaten nach weiteren Asteroidenspuren zu suchen. Dies führte zu 900 zusätzlichen Entdeckungen und einer Gesamtzahl von 2.487 möglichen Asteroidenspuren in den Hubble-Archivdaten.

Drei der Autoren, Sandor Kruk, Pablo García Martín von der Autonomen Universität Madrid und Marcel Popescu vom Astronomischen Institut der Rumänischen Akademie, prüften diese Spuren, wobei sie Spuren kosmischer Strahlung und andere Objekte ausschlossen. Der endgültige Datensatz enthielt 1.701 Spuren in 1.316 Hubble-Bildern. Von diesen konnten etwa ein Drittel als bekannte Asteroiden im „Minor Planet Center“, der größten Datenbank für Objekte des Sonnensystems, identifiziert werden, so dass 1.031 nicht identifizierte Spuren übrig blieben.

Verteilung der neuen Spuren in den Hubble-Archivbildern am Himmel: orangefarbene Kreise bezeichnen die nicht identifizierten Objekte, blaue Sterne die identifizierten, bekannten Asteroiden. Die Ebene der Ekliptik ist in dieser Projektion als rote Linie eingezeichnet. (Grafik: MPE)

Für eine eindeutige Identifizierung als Asteroid (mit einer bekannten Umlaufbahn) sind weitere Beobachtungen erforderlich, aber die Stichprobe weist interessante Charakteristiken auf: Diese Objekte sind systematisch schwächer und daher wahrscheinlich kleiner als typische Asteroiden, die vom Boden aus entdeckt werden, haben aber eine ähnliche Geschwindigkeit und Verteilung am Himmel wie die bekannten Asteroiden im sogenannten Asteroidengürtel. In weiteren Arbeiten werden die Astronomen die Krümmung der Spuren, die durch die Bewegung von Hubble entstanden sind, nutzen, um die Entfernung zu den Asteroiden zu bestimmen und ihre Bahnen zu untersuchen.

„Asteroiden sind Überbleibsel aus der Entstehung unseres Sonnensystems; über sie können wir mehr über die Bedingungen bei der Geburt unserer Planeten erfahren“, erklärt Sandor Kruk. „Aber es gab auch andere Zufallsfunde in den Archivbildern, denen wir derzeit nachgehen. Der Einsatz einer solchen Kombination aus menschlicher und künstlicher Intelligenz zur Durchsuchung riesiger Datenmengen ist ein großer Fortschritt, und wir werden diese Techniken auch bei anderen bevorstehenden Durchmusterungen einsetzen, beispielsweise mit dem Euclid-Teleskop.“ Rene Laureijs, Projektwissenschaftler von Euclid und Mitautor der Studie, fügt hinzu: „Obwohl es für die Aufnahme von Galaxien konzipiert wurde, wird Euclid schätzungsweise 150.000 Objekte in unserem Sonnensystem beobachten.“

Originalveröffentlichung
Sandor Kruk et al.
Hubble Asteroid Hunter – I. Identifying asteroid trails in Hubble Space Telescope images
A&A published online 6 May 2022
DOI: https://dx.doi.org/10.1051/0004-6361/202142998 bzw. https://www.aanda.org/articles/aa/full_html/2022/05/aa42998-21/aa42998-21.html
arXiv pdf: https://arxiv.org/pdf/2202.00246

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