Nachlese ILA 2008: Eine Crew und viele Stände

Für Raumfahrtinteressierte war ein Höhepunkt der ILA 2008 der Besuch der STS-122-Crew mit Hans Schlegel. Außerdem präsentierten Raumfahrtfirmen aus aller Welt ihre Neuigkeiten, darunter das bemannte ATV-Evolution der EADS und den Lunar Exploration Orbiter des DLR.

Ein Beitrag von Kirsten Müller. Quelle: RN, Kirsten Müller.

Die Crew von STS 122.
(Bild: Kirsten Müller/Raumfahrer.net)

Der Besuch der STS-122-Besatzung auf der ILA in Berlin am 1. Juni war Programmpunkt der Europatour, die jeder europäische Astronaut traditionsgemäß mit seinen amerikanischen Kollegen nach seinem Raumflug unternimmt. Mit STS 122 hat das Space Shuttle Atlantis im Februar 2008 das europäische Raumlabor Columbus zur ISS gebracht.

Anders als bei anderen Crewtouren war diesmal die vollständige Besatzung anwesend: Stephen Frick, Kommandant; Alan Poindexter, Pilot; Leland Melvin, Mission Specialist 1, zu dessen Aufgaben auch das Bedienen des Roboterarms in der ISS gehörte; Rex Walheim, Mission Spezialist 2, der während des Fluges insgesamt 3 Außenbordeinsätze durchführte; Hans Schlegel, Mission Specialist 3, dessen erste Aufgabe im Orbit darin bestand, das Mitteldeck des Shuttle von einer Raketenumgebung in eine Wohnumgebung umzuwandeln, und der außerdem einen Außenbordeinsatz ausführte, und Stan Love, Mission Specialist 4, der den Roboterarm des Space Shuttle bediente und seinem Kollegen Melvin beim Bedienen des ISS-Arm half. Außerdem gehörte der Besatzung noch der Franzose Leopold Eyharts an, der 2 Monate auf der ISS verbracht hatte. Allerdings befand sich dieser noch mitten in der Nachbereitungsphase seines Weltraumaufenthaltes und konnte deshalb seine Kollegen nicht begleiten.

Nach der Vorstellungsrunde sollte eigentlich ein Film über die Mission gezeigt werden, den die Astronauten dann kommentieren sollten. Wegen technischer Probleme mit einem Beamer wurde jedoch die Frage-Antwort-Sitzung vorverlegt. Vor allem Hans Schlegel gab auf fast alle Fragen sehr ausführliche Antworten, egal, ob diese eher technischer Natur waren oder ob sie mehr das Menschliche betrafen.

Da das Space-Shuttle-Programm in einigen Jahren zu Ende geht, stellte sich einem Besucher die Frage, was die Astronauten zwischen den beiden Programmen, wenn es keine Flüge geben würde, tun. Zwischen dem Apollo/Skylab- und dem Space-Shuttle-Programm, so die Besatzung, seien auch viele Astronauten bei der NASA geblieben und hätten wertvolle Beiträge zur Entwicklung des neuen Programms geleistet. Ähnlich könnte es nach dem Shuttle-Programm auch zugehen.

Auf den vier Außenracks von Columbus befinden sich ferngesteuerte Experimente zur Mond-, Erd-, Weltall- und Sonnenbeobachtung. Diese Systeme können bis zu 10 Jahren arbeiten.

Eine der meist gestellten Fragen für Astronauten ist die nach dem Toilettengang im Weltraum, besonders wenn – wie einige Tage zuvor geschehen – die Toilette in der ISS kaputtgegangen ist. Normalerweise ist für jedes Utensil auf der ISS Ersatz da, bloß nicht für die Toilette, davon gibt es nur ein gut funktionierendes russisches Modell. Geht dieses also kaputt, benutzt man zuerst das Klo der Sojus. Das hält 10 Tage. Danach kann man nur hoffen, dass bald ein Space Shuttle mit Ersatzteilen kommt. Dessen Toilette kann man dann 14 Tage benutzen. Ist vorläufig kein Shuttle geplant, muss man sich halt mit Plastiktüten helfen, wie früher im Apollo-Zeitalter. Zu schauen, dass das Klo vernünftig funktioniert, ist übrigens der Job des Commanders. Wie Stephen Frick erzählte, war das bei seinem ersten Flug, STS 110, der Job des Piloten, also sein Job. Weil er das damals gut gemacht habe, witzelte er, sei er wohl für STS 122 als Commander eingeteilt worden. Damit wollte er sagen, dass es im Weltraum niemals einen „unwichtigen“ Job gibt und dass jeder im Team gleich wichtig ist.

Dem europäischen ATV-Modell steht Schlegel positiv gegenüber: Sollte wieder etwas im amerikanischen Space-Shuttle-Programm passieren, wodurch die Amerikaner erneut einige Jahre pausieren müssten, könne es ganz hilfreich sein, wenn man neben der russischen Sojus noch ein weiteres funktionierendes bemanntes System habe. Das sei dann keine Konkurrenz, sondern einfach Europas Beitrag zur internationalen Zusammenarbeit. Auch Columbus wird als erster großer Schritt zur Internationalisierung der ISS gesehen. Mit dem erfolgreichen Start von KIBO einige Tage vorher werden jetzt die Forschungsmöglichkeiten noch weiter ausgebaut, so dass die ISS bald von sechs Leuten bewohnt werden kann.

Eine weitere, Astronauten häufig gestellte Frage ist die, ob sich das religiöse Bewusstsein nach dem Raumflug irgendwie verändert hat. Melvin antwortete, in der Tiefe des Weltraums sei sein Glaube stärker geworden. Wenn man alle 90 Minuten um die Erde kreise und keine Grenzen sehe, dann frage man sich irgendwann, wieso die Menschen nicht auch auf der Erde mit so vielen Nationen friedlich zusammenleben könnten wie auf der Internationalen Raumstation, wo sie als Russen, Amerikaner, Franzosen und Deutsche auch so gut zusammengearbeitet haben.

Die letzte Frage vor dem Film galt Hans Schlegel: ob er denn während des Fluges irgend etwas vermisst habe. Während der 12-13 Tage gebe es an Bord so viel zu tun, so die Antwort, da gäbe es gar keine Zeit, irgend etwas zu vermissen. Man muss sich dort oben echt die Zeit nehmen, zu schlafen, zu essen, Pressekonferenzen abzuhalten und Kontakt über E-mail und Webcam mit seiner Familie zu halten. Allerdings war für ihn das Schönste, als er wieder zur Erde kam, die erste Dusche.

Inzwischen funktionierte auch der Beamer, und die Crew konnte ihren Film zeigen. Dieser behandelte einige Höhepunkte der Mission. Insgesamt dauerte die Präsentation genau eine Stunde, danach verschwanden die Astronauten in den abgeschirmten ESA-Bereich. Ihr Zeitplan war sehr knapp, deshalb wohl die strikte Zeiteinteilung. Außer auf der ILA haben sie noch Veranstaltungen in Aachen und Köln besucht, und am 2. Juni waren sie zum Empfang bei Bundeskanzlerin Merkel geladen.

Stände zum Thema Raumfahrt

Im Vergleich zu 2006 war bei der diesjährigen ILA die Raumfahrt etwas prominenter vertreten. Verschiedene Firmen und Agenturen stellten bekannte und neuere Konzepte zur bemannten und unbemannten Raumfahrt vor. So hatte EADS Astrium einen sehr großen Stand, auf dem neben verschiedenen Airbusmodellen ein großes Modell der Ariane 5, ein Modell des ATV und einige kleinere Raketenmodelle – Semyorka / Starsem, Vega und Rockot – zu sehen waren. Außerdem wurden hier Satelliten gezeigt, die den Zielen der Erdbeobachtung, der Navigation, der Kommunikation und der Erforschung des Weltraums dienen, beispielsweise Theos, Spot 5, Venus Express, Pleiades, Intelsat 10-02, Skynet 5B und Hotbird 8, 9 und 10. Ein weiteres Modell der Ariane 5 und einer Semyorka-Rakete mit ESA-Nutzlast, sowie ein Modell des ATV in einer Raketenspitze gab es eine Halle weiter am Stand von Arianespace zu betrachten.

Während das Bundesministerium für Technologie ein Modell des europäischen Weltraumlabors Columbus zeigte und mit dem DLR School Lab versuchte, die Jugend für Technik und Raumfahrt zu interessieren, stellte die nationale Weltraumagentur der Ukraine ein Modell des Raumfahrtsystems Zenit-3 SL, welches von einer Plattform auf See gestartet werden kann, sowie Modelle von Cyclone-4 und Dnepr aus.

Mock-Ups des Projekts LEO.
(Bild: Kirsten Müller/Raumfahrer.net)

Ein Modell des LEO (Lunar Exploration Orbiter), mit dem das DLR den Mond erforschen möchte, war beim Stand von OHB Systems zu bewundern. Aufbauend auf dem System der GEO-Satelliten, soll LEO aus einen Hauptsatelliten, der den größten Teil der Instrumente mitnehmen soll, und zwei Nebensatellliten bestehen. OHB Systems soll die Plattform zu diesem System liefern. Außerdem leistet OHB einen Beitrag zu LUNARES, einem unbemannten Mondlandeprojekt speziell für die Erforschung von Mondkratern. Dieses System wird aus einem Lander, einem Rover, einem Roboter mit Beinen und einem Manipulatorarm bestehen. Neben OHB arbeiten daran Astrium GmbH und die DFKI GmbH in Bremen mit.

Sehr prominent waren wieder das DLR und die ESA mit einer eigenen Raumfahrthalle anwesend. Die europäischen Aktivitäten in der bemannte Raumfahrt wurden mit einem originalgroßen Modell des Columbus-Laboratoriums und mit einer Industriestudie für ATV-Evolution, einer bemannten Version des Automatic Transfer Vehicles, gezeigt. ATV Evolution soll drei Personen Platz bieten und wie sein unbemanntes Gegenstück auf einer Ariane gestartet werden. Es wurden auch Satelliten zur weltweiten Kommunikation und das Satelliten-Navigationssystem Galileo vorgestellt, letzteres allerdings nur auf vier Bildschirmen und ohne Modelle. Intensiver wurden da schon die Mond- und Marslandeprojekte ausgestellt: es gab Modelle von Exomader (Exomars Demonstration Rover) im Massstab 1:2 und vom Mars Rover in Originalgröße zu sehen. Auch wurde eine Industriestudie für ein Mondlandegerät gezeigt und gab es die HRSC-List, eine Spezialkamera des DLR für zukünftige deutsche Mondmissionen, zu sehen. Mit dieser Kamera soll man die Oberfläche des Mondes systematisch dreidimensional, farbig und hoch aufgelöst abbilden können.

Raketenmodelle „Angara“ der traditionsreichen russischen Firma Chrunitschew.
(Bild: Kirsten Müller/Raumfahrer.net)

Auch die Russen waren wieder anwesend: den Stand der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos teilten sich mehrere Institute und Firmen, die Modelle von Raketen und Satelliten für verschiedene Zwecke – bemannte und unbemannte Projekte – zeigten, worunter auch Spektr R und Spektr UV zum Untersuchen des Weltraums in Bereichen der Radio- und der Ultraviolett-Wellenlängen waren. Neben einem Modell des Startkomplexes TR „Sojus ST“ beim Guayanischen Raumfahrtzentrum gab es außerdem ein Modell vom Phobos-Sample-Return-Fahrzeug zu sehen, dessen Start momentan für den Oktober 2009 geplant ist. 10-11 Monate soll er für den Weg zum Mars brauchen und nach getaner Arbeit im Juli/August 2011 wieder den Weg zur Erde antreten. Daneben gibt es auch ein russisches Mondprojekt: Luna-Glob SC. Im Großen und Ganzen war das diesjährige Raumfahrtangebot der ILA doch relativ umfassend. Auch war es organisatorisch besser geregelt als vor zwei Jahren – übermäßig voll, trotz des guten Wetters, war es an keinem der beiden Tage, an denen ich da war.

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