Die NASA hat Pläne für eine kleine, cis-lunare Raumstation Deep Space Gateway (DSG) und ein Transportraumschiff für Reisen von bis zu 1000 Tagen Dauer mit dem Fernziel Mars vorgestellt. Der Aufbau bzw. der Transport in die Mondumlaufbahn soll mit der sich in Entwicklung befindlichen Space Launch System (SLS) genannten Schwerlastrakete erfolgen.
Ein Beitrag von Stefan Goth. Quelle: NASA, Space News, The Planetary Society, Boeing, Lockheed Martin, ESA, Airbus D & S.
Die NASA hat Pläne für die nächsten Schritte ihrer „Journey to Mars“ vorgestellt.
Demnach soll mit dem dritten Start einer Rakete vom Typ Space Launch System (SLS) und dem damit verbundenen (wahrscheinlich) ersten bemannten Flug der Orion-Kapsel (Multipurpose Crew Vehicle, MPCV) mit dem Aufbau einer kleinen, Deep Space Gateway (DSG) genannten Raumstation im Mondorbit begonnen werden. Dieser als Exploration Mission 2 (EM-2) bezeichnete Flug soll mit der SLS-Konfiguration „Block 1B“ erfolgen. Dabei soll neben der von vier RS-25-Triebwerken von Aerojet Rocketdyne (diese waren als SSME, Space Shuttle Main Engine, bereits bei zahlreichen Space-Shuttle-Flügen im Einsatz) angetriebenen Zentralstufe, zwei von Orbital-ATK hergestellten 5-Segment-Feststoffboostern (weiterentwickelt aus den Space-Shuttle-Boostern) auch die derzeit in Entwicklung befindliche Exploration Upper Stage (EUS) genannte Oberstufe mit vier RL-10-Triebwerken (ebenfalls von Aerojet Rocketdyne) zum Einsatz kommen.
Für die Orion-Kapsel ist bei diesem Flug eine Besatzung von vier Personen vorgesehen. Als Neuerung zu den bisherigen Planungen soll auch eine erste Komponente des Deep Space Gateways mitgeführt werden; ein „Power and Propulsion Bus“ genanntes Modul, welches über einen solar-elektrischen Antrieb verfügen soll (Solar Electric Propulsion, SEP). Es könnte mit seinen Solarpaneelen, die ca. 40 kW elektrische Leistung liefern sollen, die spätere kleine Raumstation mit Energie und Antrieb versorgen, so dass diese auch unterschiedliche Mondorbits ansteuern kann.
Möglich wird dies durch die große Leistungsfähigkeit der SLS Block 1B, die es ermöglicht neben dem MPCV noch weitere Nutzlast im „Universal Stage Adapter“ (USA), d.h. in der Übergangssektion zwischen dem Europäischen Service Modul (ESM) und der Oberstufe, zu transportieren.
Finanzielle und zeitliche Unsicherheiten
Bisher sind nur die EM-1 und EM-2 genannten Flüge fest geplant, weitgehend finanziert und durch Hardware, die sich bereits in Bau oder konkreter Entwicklung befindet, weitgehend sicher.
Bei Exploration Mission 1 prüft die NASA gerade in einer durch die Trump-Administration angestoßenen Studie die Möglichkeit bereits beim ersten Flug des SLS zwei Astronauten in der Orion mitfliegen und den Mond umrunden zu lassen. Angeblich wurde das Ergebnis dieser Studie bereits an das Weiße Haus übermittelt, der Inhalt wurde jedoch noch nicht bekanntgegeben.
Die Herausforderungen sind nicht zu unterschätzen. Da EM-1 bisher „nur“ als unbemannter Testflug für das SLS im Zusammenspiel mit den Bau- und Serviceeinrichtungen am Boden, den Startanlagen und der Orion-Kapsel geplant war, sind einige Komponenten für einen Flug mit Besatzung noch nicht vorbereitet bzw. noch nicht fertig. Insbesondere müssten im von Lockheed Martin integrierten MPCV noch ein Lebenserhaltungssystem, Sitze und Bedienelemente eingebaut werden. Auch die Bedienungs- und Flugsoftware ist noch nicht fertig entwickelt und ausreichend getestet.
Auf jeden Fall wären dafür zusätzliche Zeit und möglicherweise weitere Finanzmittel notwendig. Ausgehend von der aktuellen Zielvorgabe den unbemannten EM-1-Start noch in 2018 durchzuführen, würde sich eine Mission mit Crew mindestens nach 2019 verschieben.
Allerdings sind auch bei der bisherigen Planung noch einige Risiken vorhanden, die den Starttermin nach hinten verschieben könnten.
Das von der ESA, als Kompensation für den Betrieb der ISS bis 2020, für EM-1 zu liefernde Service Modul könnte möglicherweise nicht rechtzeitig fertig werden, um den Starttermin im November 2018 zu halten.
Weitere Unsicherheiten gehen von Änderungen am Hitzeschild der Rückkehrkapsel aus, da deren Konstruktion nach dem ersten Testflug von Orion (Exploration Flight Test 1, EFT-1) auf einer Delta IV Heavy im Jahr 2014 geändert werden musste. Statt eines ursprünglich weitgehend monolithischen Hitzeschildes wird dieses bei den zukünftigen Flügen aus zahlreichen zusammengefügten Elementen bestehen.
Weiterhin sind bei Entwicklung und Bau des ersten SLS Block 1 und der Boden- und Starteinrichtungen die zeitlichen Reserven weitgehend aufgebraucht. Durch einen Tornado am 7. Februar 2017 wurden Teile der Michoud Assembly Facility (MAF) in New Orleans, wo die Zentralstufe des SLS gebaut wird, beschädigt. Das alleine könnte zwei bis drei Monate Zeitverlust bedeuten.
Der Entwurf der Trump-Administration für das NASA-Budget sieht bisher erhebliche Kürzungen im Erdbeobachtungsprogramm aber kaum Einschränkungen bei den Explorationsprogrammen vor. Allerdings muss dieser Entwurf noch vom Kongress bestätigt werden. Weitere Änderungen können sich in den kommenden Verhandlungen und Abstimmungen ergeben.
Journey to Mars (via Moon)
Seit Jahren wiederholt die NASA immer wieder ihre Vision einer „Journey to Mars“ und wirbt damit auch mit ansprechenden Animationen und Schaubildern.
Diese Vision wurde von einigen Kommentatoren als unspezifisch und wage bezeichnet.
Mit dem jetzt favorisierten Deep Space Gateway wurde auch ein etwas anderes Schaubild präsentiert, das von einem geraden Pfeil dominiert wird. Die Entwicklung wird in mehrere Phasen unterteilt.
Momentan befindet man sich in Phase 0: „Testing on ISS“, d.h. Technologien für den Flug über den Erdorbit hinaus werden auf der Internationalen Raumstation ISS getestet.
In Phase 1 sollen diese Tests in der Mondumlaufbahn weitergeführt und erweitert werden. Danach soll in Phase 2 das Deep Space Transport genannte System aufgebaut und einen Testflug von mehreren hundert Tagen in verschiedenen Mondorbits durchführen.
In Phase 3 soll beim ersten Flug zum Mars in einen Orbit eingeschwenkt, aber noch keine Landung versucht werden. Die Landungen sind Phase 4 vorbehalten.
Lunarer Außenposten
Zwischen den Missionen EM-1 und EM-2 ist momentan der Start der „Europa Clipper“ genannten Sonde mit der Version „SLS Block 1B Cargo“ der Schwerlastrakete geplant. Allerdings ist fraglich, ob der erst in Planung befindliche Raumflugkörper, der später den Jupiter-Mond Europa umrunden soll, rechtzeitig für einen Start um 2022 fertig werden wird. Dieser Start ist als Test der noch in Entwicklung befindlichen „Exploration Upper Stage“ (EUS) notwendig, bevor bei EM-2, nach üblichen NASA-Standards, Astronauten mitfliegen dürfen.
Das für Phase 1 geplante Deep Space Gateway soll aus einem solar-elektrischen Antriebs- und Versorgungsmodul, einem Habitatmodul, (wechselnden) Logistikmodulen und aus einer Luftschleuse bestehen. Für die notwendige Berthingoperationen würde es einen vom Candarm 2 abgeleiteten Roboterarm erhalten. Der Aufbau würde mit den Flügen EM-2 bis EM-5 des SLS erfolgen. Dabei würde die Startrate des SLS auf mindestens einen Start pro Jahr steigen.
Nach dem bereits erwähnten Antriebsmodul bei EM-2 würde bei EM-3 das Habitatmodul geliefert werden (ca. 10t).
Derzeit lässt die NASA von sechs Unternehmen Studien für zukünftige Deep Space Habitate erstellen.
Bei EM-4 würde ein größeres Logstikmodul (ca. 10t) angedockt werden.
In 2026 soll der Aufbau mit der Installation einer Luftschleuse bei EM-5 abgeschlossen werden.
Die jeweils vorgesehenen Fluglängen der bemannten Missionen reichen von 8 bis maximal 42 Tagen. Für die Lieferung von Versorgungsgütern würden zusätzliche Transportflüge von privaten Anbietern erfolgen.
Das Deep Space Gateway soll von Menschen genutzt und gewartet werden, muss aber nicht ständig besetzt sein. Neben dem Aufbau des Außenpostens steht die kleine Station auch internationalen Partnern und privaten Firmen für eigene Missionen z.B. für robotische Mondlandemissionen zur Verfügung.
Bill Gerstenmaier, Chef der bemannten Raumfahrt bei der NASA sagt dazu: „Ich stelle mir verschiedene Partner vor, sowohl internationale als auch kommerzielle, die zu dem Gateway beitragen und es auf unterschiedlichen Wegen nutzen, mit einem System das sich zu verschiedenen Orbits bewegen kann, um unterschiedliche Missionen zu ermöglichen.“
Das könne robotische oder bemannte Landungsmissionen auf dem Mond oder Weiterflüge zu „anderen Zielen im Sonnensystem“ umfassen. Die NASA plant derzeit keine eigene Mondlandung, würde aber möglicherweise entsprechende Ambitionen ihrer internationalen oder privaten Partner unterstützen.
Deep Space Transport
Der Mond ist allerdings nicht das eigentliche Ziel, sondern der Mars. Deshalb soll in Phase 2 ab 2027 das sogenannte „Deep Space Transport“ (DST) genannt System gestartet werden. Dieses umfasst sowohl ein Antriebs- und Versorgungsmodul, als auch Habitat- und Dockingeinrichtungen. Das 41t schwere „Raumschiff“ soll mit einem einzigen Start der SLS Block 1B in der Cargo-Version zum Deep Space Gateway gebracht werden und dort andocken. Mit weiteren Starts von SLS und privaten Anbietern sollen Versorgungsgüter und Treibstoffe geliefert und die Funktionsfähigkeit hergestellt werden. 2029 soll das DST erstmalig für 300 bis 400 Tage bei einem Testflug mit astronautischer Besatzung auf verschiedenen lunaren Umlaufbahnen unterwegs sein und seine Funktionsfähigkeit unter Beweis stellen.
2033 könnte dann, nach entsprechenden Versorgungsflügen, das DST erstmals Richtung Mars aufbrechen, unterwegs einen Flyby an der Venus durchführen und in einen Orbit um den roten Planeten einschwenken. Bei dieser ersten Mars-Mission würde allerdings noch keine Landung versucht werden.
Das DST soll wiederverwendbar ausgelegt und nach der ersten Mars-Orbit-Mission am Deep Space Gateway wieder aufgerüstet werden, um dann für mindestens zwei weitere Mars-Missionen, dann auch mit Landungen, von jeweils bis zu 1000 Tagen Dauer zur Verfügung zu stehen.
In diesem Gesamtkonzept taucht das bisher geplante Asteroid Redirect Mission (ARM) genannte Projekt nicht mehr auf. Hier sollte durch eine Roboter-Sonde mit solar-elektrischem Antrieb ein kleiner Asteroid, bzw. ein Felsbrocken von dessen Oberfläche, in eine Mondumlaufbahn gebracht und dann bei einem Orion-Flug von Astronauten untersucht und Proben genommen werden. Allerdings hat sich dieses Projekt in der Planung bereits deutlich verteuert, so dass zu erwarten ist, dass es auch angesichts des aktuell vorgestellten Konzeptes ganz eingestellt wird.
Verbindliche Entscheidungen bezüglich der Entwicklung von Deep Space Gateway und Deep Space Transport sind bisher noch nicht gefallen. Wie es weitergeht, hängt entscheidend von der Finanzierung und der Budget-Entwicklung der NASA über die nächsten Dekaden ab.
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