Fossil-Fundstelle in Niederösterreich gibt tiefe Einblicke in die Erdgeschichte Österreichs: Über 6.000 einzigartige Fossilien der alpinen Triaszeit wurden von NHM Wien-Paläontologen Alexander Lukeneder und Paläontologin Petra Lukeneder von der Universität Wien untersucht. Eine Pressemitteilung des Naturhistorischen Museums Wien.
Quelle: Naturhistorisches Museum Wien.
25. August 2021 – Die Überreste sind Zeugen einer der größten Umweltkatastrophen der Erdgeschichte, der „Karnischen Krise“. Diese Phase zeichnet sich durch einen Klimawandel vor 233 Millionen Jahren aus, der zu einem gigantischen weltweiten Massensterben in den Meeren des Erdmittelalters führte. Die Ergebnisse wurden nun erstmals publiziert (Scientific Reports).
Die Polzberg-Fundstelle
Ein kleiner Graben zwischen Gaming und Lunz am See (Niederösterreich) verbirgt, nahezu unscheinbar, eine der wichtigsten Fossil-Fundstellen Österreichs, der tiefe Einblicke in die Erdgeschichte des Landes gewährt: In 233 Millionen alten, feinst laminierten Gesteinsschichten (Reingrabner Schiefer) werden hier seit über 140 Jahren Sensationen des Erdmittelalters gefunden. Die schwarzen, kalkig bis tonigen Meeres-Ablagerungen beinhalten eine Konservat-Lagerstätte von Weltruf – Fundstellen, in denen Fossilien besonders gut und vollständig erhalten sind. 6.397 dieser fossilen Funde lagern dabei teilweise seit über hundert Jahren in den großen Sammlungen des Naturhistorischen Museums Wien, der Universität Wien und der Geologischen Bundesanstalt in Wien. Zusätzlich konnte neues Material durch die Citizen Scientists Birgitt und Karl Aschauer aus Waidhofen an der Ybbs in den letzten Jahren geborgen werden. Die Einzigartigkeit dieser Fundstelle am Polzberg wurde im Laufe des letzten Jahrhunderts immer wieder diskutiert, nun wurde die erste wissenschaftliche Bearbeitung dazu in „Scientific Reports“ publiziert.
Bewohner eines feindlichen Lebensraumes
Zwei Millionen Jahre dauerte die globale Karnische Krise an, deren Auswirkungen in den Ablagerungen überliefert wurden. Die enthaltenen Fossilien geben erstmals Einblick in die Lebensgemeinschaften im damaligen Reiflinger Meer. Die späte Triaszeit war durch ein Treibhausklima mit monsunartigen Niederschlägen geprägt, was zu einem vermehrtem Schlammeintrag ins Meer führte. Die Riffe erstickten und am Meeresboden wurde der Sauerstoff knapp.
Zahlreiche Arten konnten bis heute nachgewiesen werden, wobei nahezu jährlich neue Spezies am Polzberg entdeckt werden. Neben Ammoniten, Tintenfischen, Muscheln, Schnecken, Krebsen, Meeresasseln und Borstenwürmern kommen auch Fische häufig vor. Zu den besonderen Funden zählen Knorpelfische wie der haiähnliche Acrodus oder der sehr seltene Quastenflosser Coelocanthus. Aus den Küstensümpfen wurde selbst ein Lungenfisch eingeschwemmt – ein weltweit einzigartiges Fossil. Die Nähe zu Süßwasser bestätigen auch die zahlreichen Blattfußkrebse Eustheria und selbst Pflanzen wie die Konifere Voltzia sind durch kleine Ästchen vertreten. Das dominierende Element der gesamten Fauna ist jedoch der Leitammonit Austrotrachyceras minor, welcher zu Tausenden vorkommt. Die große Diversität der entdeckten Fauna sowie die fantastische Erhaltung erlauben es, die Umwelt der späten Triaszeit zu erforschen und neue Erkenntnisse über Umweltbedingungen, Nahrungsketten und die Räuber-Beute-Verhältnisse dieser Zeit zu gewinnen. Bei winzigen Krebsen beginnend, reichte die Nahrungskette über kleinere Fische bis hin zu räuberischen Tintenfischen und Ammoniten, die wiederum von größeren Raubfischen gejagt wurden. Nach Ichthyosauriern wird noch gesucht, die vermutlich die größten Prädatoren dieses Ökosystems waren.
Die Forschung wird vom Land Niederösterreich (Wissenschaft und Forschung) und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Geo/Hydro Sciences) im Rahmen zweier Projekte über zwei Jahre kofinanziert werden.
Zur Publikation in “Scientific Reports”:
Lukeneder, A & Lukeneder P. 2021. The Upper Triassic Polzberg palaeobiota from a marine Konservat-Lagerstätte deposited during the Carnian Pluvial Episode in Austria. Nature Research, Scientific Reports.
Science Talks – Massensterben, Sumpfwälder und fliegende Fische von Lunz
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