Orion MPCV – Das Crewmodul

Die Technologie des Orion Multi-Purpose Crew Vehicles, in einer zweiteiligen Artikelreihe. Teil 1: Das Crewmodul.

Ein Beitrag von Martin Knipfer.

Die fertiggestellte Druckkabine von Orion in der Michoud Assembly Facility.
(Bild: NASA/MAF)
Die fertiggestellte Druckkabine von Orion in der Michoud Assembly Facility.
(Bild: NASA/MAF)

Das Crewmodul (CM) des Orion-Raumschiffs dient dazu, die Besatzung auf ihrer Reise zu verschiedenen Himmelskörpern geschützt unterzubringen. Es startet auf dem Space Launch System (SLS) und landet nach seiner Mission mithilfe von Fallschirmen sanft im Ozean. Es basiert fast vollständig auf dem Crewmodul des Orion CEVs, das für das inzwischen gestrichene Constellation-Programm entwickelt wurde. Das CM von Orion besteht aus vier Teilen:

1. Die Druckkabine

Astronauten im Inneren eines Prototypen der Druckkabine.
(Bild: NASA/JSC)
Astronauten im Inneren eines Prototypen der Druckkabine.
(Bild: NASA/JSC)

Die Druckkabine des Crewmoduls ist der einzige Bereich, in dem sich die Besatzung während ihres Fluges aufhalten wird. Auch handelt es sich bei ihr um die tragende Struktur der Kapsel, um die alle Komponenten herum angebracht werden. Die Druckkabine wird mit gewöhnlicher Luft bei auf der Erde üblichem Druck gefüllt sein. Sie hat eine flaschenähnliche Form, die dadurch entsteht, dass insgesamt sieben Platten aus einer Aluminium-Lithium Legierung unterschiedlich gewölbt werden. Diese Platten der Aluminium-Druckkabine werden nach ihrer Herstellung in der Michoud Assembly Facility (MAF) durch Rührreibschweißen aneinandergefügt. Dass die verwendeten Aluminiumplatten über eine Art Muster verfügen, liegt daran, dass von dickeren Platten Aluminium entfernt wird, während dünne „Rippen“ zurückbleiben. Durch diese Vorgehensweise, Isogrid genannt, kann bei gleicher Stabilität Gewicht eingespart werden. Der Innenraum der Druckkabine ist um etwa 50 % größer als der von Apollo, in ihm finden für gewöhnlich vier Astronauten Platz. In die Außenwand der Druckkabine sind neben einer Luke zum Ein- und Ausstieg vier Fenster aus Acrylglas eingearbeitet: Zwei, die der Crew erlauben, nach oben zu schauen, und zwei für einen horizontalen Blick zur Seite.

Techniker arbeiten an den Systemen eines Orion-CMs.
(Bild: Lockheed Martin)
Techniker arbeiten an den Systemen eines Orion-CMs.
(Bild: Lockheed Martin)

Diese sitzen auf vier Sitzen, die nicht nur zusammengeklappt werden können (wodurch der Innenraum besser ausgenutzt werden kann), sondern auch die Krafteinwirkungen beim Aufprall absorbieren können. Unterhalb der Sitze befinden sich vier Schränke aus Aluminium, in denen für gewöhnlich die Kleidung, Kameras und weitere Ausrüstung aufbewahrt wird. Sollte Orion erhöhter Strahlung ausgesetzt sein, können die Astronauten diese Gegenstände an verschiedenen Orten in der Kabine anbringen und selbst in die Schränke hineinklettern. So werden sie der Strahlung weniger stark ausgesetzt sein. Die Astronauten werden des Weiteren über eine campingähnliche Toilette, einen Wasserspender, eine Abfallpresse und einen kleinen Bereich, der durch Vorhänge vom restlichen Raumschiff abgetrennt ist und in dem die Astronauten sich anziehen oder eine Katzenwäsche durchführen können, verfügen – Annehmlichkeiten, die die Apollo-Mondraumschiffe noch nicht besaßen. Gesteuert wird das Raumschiff durch ein sogenanntes Glascockpit mit drei LCD-Bildschirmen jeweils von der Größe eines A4-Blattes verfügen. Statt über 2.000 Schaltern wie im Space Shuttle wird es in Orion nur noch etwa 60 geben, auch Checklisten auf Papier werden nicht mehr benötigt.

2. Avionik und RCS

Der untere Hitzeschild von Orion wird hergestellt.
(Bild: NASA)
Der untere Hitzeschild von Orion wird hergestellt.
(Bild: NASA)

Um den unteren Teil der Druckkapsel sind verschiedene Systeme positioniert. Zum einen das Reaction Control System (RCS), das aus zwölf kleinen Triebwerken vom Typ MR-104 G besteht. Die Triebwerke werden von der Firma Aerojet geliefert, arbeiten mit nur einem Treibstoff und können etwa 800 Newton Schub in Vakuum erzeugen. Insgesamt befinden sich etwa 165 Kilogramm Treibstoff an Bord von Orion für die Triebwerke, das RCS soll mit ihnen für eine richtige Ausrichtung Orions vor und während des Wiedereintritts sorgen. Auch befinden sich zahlreiche Avioniksysteme an Bord von Orion. Sie sind sozusagen das Computergehirn von Orion und verwenden modernste Technologie. Gebaut werden die Systeme von der Firma Honeywell, sie sind achtmal schneller als die Bordcomputer der ISS und 25mal schneller als die des Space Shuttles. Die Computer sind modular aufgebaut und basieren auf denen des Boeing 787 Dreamliners, das GPS kann Orions Lage in nur acht Sekunden exakt bestimmen, die Elektronik ist strahlungsgehärtet und der Datenbus wird auch kommerziell eingesetzt. Zur exakten Lagebestimmung verfügt Orion neben dem GPS und einem Inertialsystem über sogenannte Star-Tracker, die in der Lage sind, Bilder vom Sternenhimmel mit Computerdaten auf Sternbilder abzugleichen und so die Ausrichtung des Raumschiffs exakt feststellen können. Für die Daten-, Video und Stimmübertragung mit Kommunikationssatelliten und Bodenstationen werden vier Phased-Array Antennen verwendet. Dank dem Einsatz modernster Technologien können die Avionik und die Kommunikationssysteme höhere Datenmengen bei gleichzeitig niedrigerem Stromverbrauch verarbeiten. Der Strom wird entweder von den Solarzellen des Servicemoduls oder von sechs Lithium-Ionen Akkus an Bord geliefert, das System arbeitet mit 120 Volt.

3. Hitzeschutzschild

Ein Paneel des oberen Hitzeschutzschildes.
(Bild: NASA/KSC)
Ein Paneel des oberen Hitzeschutzschildes.
(Bild: NASA/KSC)

Orion verfügt über zwei verschiedene Hitzeschutzschilde, die die Raumkapsel beim Wiedereintritt in die Erdathomsphäre vor der enormen Hitze beschützen sollen: Der untere und der obere Hitzeschild. Der untere ist eine aus Blöcken bestehende, diskusähnliche Platte mit einem Durchmesser von fünf Metern. Er ist an der breiteren Unterseite der Kapsel angebracht. Da Orion mit diesem Hitzeschild voran in die Erdathmosphäre eintritt, erhitzt er sich besonders stark, beim Wiedereintritt von einem Flug zum Mond beträgt die Temperatur an ihm bis zu 2.700 ° C. Deshalb besteht er aus einem besonders hitzefesten, wabenförmigen Material namens AVCOAT. Dieses rötliche Material verdampft teilweise beim Wiedereintritt und führt so Wärme ab, deshalb wird es als ablativ bezeichnet. Dieser Hitzeschild wird in insgesamt 180 Blöcken gefertigt: Jeder der Blöcke besteht aus einer Fiberglasschicht mit mehreren tausend Löchern. In diese Honigwaben wird dann das AVCOAT-Material manuell hineingespritzt. Dann werden die Blöcke auf einer Titan-CfK Trägerstruktur angebracht, insgesamt wird es etwa 320.000 einzelne Honigwaben geben. Mithilfe von Röntgenstrahlung wird untersucht, ob tatsächlich auch jede einzelne mit AVCOAT-Masse gefüllt ist. Das Ergebnis ist der größte Hitzeschild seiner Art, der jemals gefertigt wurde. Die hitzebeständige Schicht ist etwa vier Zentimeter dick, etwa 20 % schmelzen beim Wiedereintritt weg.

Eine Testversion einer Orion-Kapsel kurz vor einem Fallschirmtest. Oben an der Kapsel sind die Fallschirme zu erkennen, die um den Andocktunnel herum angebracht sind.
(Bild: NASA)
Eine Testversion einer Orion-Kapsel kurz vor einem Fallschirmtest. Oben an der Kapsel sind die Fallschirme zu erkennen, die um den Andocktunnel herum angebracht sind.
(Bild: NASA)

Daneben gibt es noch einen weiteren Hitzeschild, nämlich den oberen Hitzeschutzschild. Er unterscheidet sich deutlich von dem unteren: Er besteht nicht aus einem großen Block, sondern wegen der weniger hohen Temperatur, die auf ihn wirken wird, aus vielen kleinen Kacheln, wie sie beim Space Shuttle eingesetzt wurden. Diese bestehen aus einem Material aus verschiedenen Schichten von einem Verbundwerkstoff namens AETB-8 und dienen nicht nur zum Schutz vor Hitze, sondern auch vor Mikrometeoriten und Weltraummüll. Die Kacheln werden mechanisch auf größere Paneelen angebracht, die dann an der kegelstumpfförmigen Außenseite der Kapsel montiert werden. Insgesamt werden etwa 960 einzelne Kacheln an der Kapsel angebracht sein (das Space Shuttle verfügte über etwa 23.000). Nicht nur deshalb wird die Wartung von Orions oberem Hitzeschild wesentlich einfacher sein: Auch sind die einzelnen Kacheln größer (20×20 cm gegenüber 15×15 cm) und einander sehr ähnlich. Auf die Außenwand dieser Kacheln wird in Zukunft eine metallische, silbern glänzende Beschichtung aufgetragen, um die Kapsel während des Fluges besser vor Kälte zu isolieren und Wärmeverluste zu minimieren.

4. Fallschirme und Andocksystem

Der Aufbau des Orion-Crewmoduls von links nach rechts: Andockring, Forward Bay Cover, Fallschirme und Andocktunnel, Paneele des oberen Hitzeschutzschilds, Druckkabine, RCS und Avioniksysteme, unterer Hitzeschutzschild.
(Bild: NASA)
Der Aufbau des Orion-Crewmoduls von links nach rechts: Andockring, Forward Bay Cover, Fallschirme und Andocktunnel, Paneele des oberen Hitzeschutzschilds, Druckkabine, RCS und Avioniksysteme, unterer Hitzeschutzschild.
(Bild: NASA)

Nachdem Orion seinen Wiedereintritt beendet hat, muss die Kapsel weiter abgebremst werden, um sanft mit einer Geschwindigkeit von etwa 35 km/h im pazifischen Ozean zu landen. Dazu verfügt sie über ein komplexes Fallschirmsystem, dass sich am obersten Ende der Kapsel unter einer 205 kg schweren Verkleidung namens Forward Bay Cover befindet. Diese wird abgeworfen, wodurch sich zwei Überschallfallschirme entfalten können. Sie bremsen Orion so weit ab, dass kleinere Pilotfallschirme die drei rot-weißen Hauptfallschirme „herausziehen“ können. Eine Landung mit nur zwei Hauptfallschirmen ist ebenfalls problemlos möglich. Jeder Hauptfallschirm hat einen Durchmesser von etwa 35 m, ist wiederverwendbar und wiegt nur ungefähr 150 kg. Die Fallschirme wurden ausführlich getestet, sowohl im Windkanal als auch bei mehr als einem dutzend Testabwürfen. Alle Fallschirme sind ringförmig um eine weitere wichtige Komponente von Orion angeordnet: Der Andocktunnel.

An seiner Oberseite ist das Andocksystem angebracht, das LIDS genannt wird. Mit ihm kann Orion an Raumstationen, Landern und vielem mehr automatisch ohne das Zutun eines Piloten andocken. Das stellt eine Neuheit für ein amerikanisches Raumschiff dar, bisher musste das Andocken per Hand erfolgen. Die Technologie wurde erstmals Anfang 2011 bei der Space Shuttle Mission STS-134 erfolgreich mit dem STORMM-System getestet. LIDS besteht aus einem Ring mit einem Innendurchmesser von 80 cm, mit dem System können Strom, Daten und Luft transferiert werden. Im Notfall kann auch ein manuelles Andocken erfolgen.

Technische Daten Orion-Crewmodul:

Durchmesser: 5,03 Meter
Höhe: 3,3 Meter
Startgewicht: 10.387 Kilogramm
Landegewicht: 9.299 Kilogramm
Rückkehrnutzlast: 100 Kilogramm
Maximale Missionsdauer: 21 Tage bemannt, 180 Tage angedockt
Projektierte Sicherheit: 10x höher als die des Space Shuttles
Hersteller: Lockheed Martin

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