P/2013 P5 – Ein Sonderfall im Asteroidengürtel

Obwohl von ihm mehrere aus Gas und Staub bestehende Schweife ausgehen handelt es sich bei dem Objekt P/2013 P5 nicht um einen Kometen, sondern anscheinend vielmehr um einen Asteroiden. Nähere Untersuchungen ergaben, dass die Ausbildung dieser Schweife in einem direkten Zusammenhang mit dem von der Sonne ausgehenden Strahlungsdruck steht, dem P/2013 P5 ausgesetzt ist.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, NASA Science, UCLA, HST.

NASA, ESA, D. Jewitt (UCLA)
Diese zwei Aufnahmen des HST zeigen den Asteroiden P/2013 P5 im September 2013.
(Bild: NASA, ESA, D. Jewitt (UCLA))

Eigentlich, so sollte man denken, ist die Unterscheidung zwischen Kometen und Asteroiden eine recht einfache Angelegenheit…
Asteroiden sind relativ unveränderliche Objekte, welche die Sonne auf lediglich leicht exzentrischen Keplerbahnen umkreisen. Der Großteil der Asteroiden bewegt sich dabei in dem zwischen den Umlaufbahnen der Planeten Mars und Jupiter angesiedelten Asteroidengürtel um das Zentralgestirn unseres Sonnensystems. Da die Asteroiden bereits vor Milliarden von Jahren unter dem Einfluss der Sonnenstrahlung ihre leichtflüchtigen Bestandteile wie zum Beispiel Wassereis verloren haben, verändert sich das Erscheinungsbild dieser Objekte im Laufe der Zeit nur noch geringfügig. Zwar können durch Kollisionen mit kleineren Objekten gelegentlich weitere Impaktkrater auf deren Oberflächen erzeugt werden – grundlegende Veränderungen sind jedoch normalerweise nicht mehr zu erwarten.

Bei den Kometen handelt es sich dagegen um Objekte, welche die Sonne in der Regel auf stark elliptischen Umlaufbahnen umkreisen. Bei der Annäherung an die Sonne wird die Oberfläche dieser Himmelskörper so stark erwärmt, dass dort abgelagerte leichtflüchtige Stoffe wie gefrorenes Wassereis oder Kohlenstoffdioxid (Trockeneis) verdampfen und bei dem anschließenden Entweichen von der Oberfläche Staub und kleinere Gesteinspartikel mit sich reißen. Im Rahmen dieses Prozesses bilden Kometen nach dem Erreichen des inneren Sonnensystems zunächst eine aus Gas und Staub bestehende Koma aus, welche bei einer noch größeren Annäherung an die Sonne durch den Strahlungsdruck der Sonne und durch Sonnenwinde in Form eines Kometenschweifs vom Kern des Kometen „weggeweht“ wird.

Allerdings befinden sich in unserem Sonnensystem einige Himmelskörper, welche diese „Ordnung“ gehörig durcheinanderbringen können. Erstmals geriet diese relativ einfache Sicht der Dinge im Jahr 1996 ins Wanken. In den damals angefertigten Aufnahmen des Hauptgürtel-Asteroiden (7968) Elst-Pizarro, welcher seitdem auch als der Komet 133P/Elst-Pizarro bezeichnet wird, war ein deutlich ausgeprägter Schweif erkennbar.

Unter den professionellen Astronomen und Planetologen herrschte eine verständliche Verwirrung über den Charakter dieses Objektes. Hatte man jetzt einen im Asteroidengürtel beheimateten Kometen entdeckt? Oder vielleicht doch eher einen Asteroiden, der von seiner Oberfläche Gas und Staub in das umgebende Weltall freigibt? Die genaue Zuordnung dieser astronomischen Zwitter, von denen bisher kaum mehr als zehn bekannt sind, fällt der Fachwelt bis heute schwer. Diese „Verwirrung“ wird auch im allgemeinen wissenschaftlichen Sprachgebrauch deutlich. Die Wissenschaftler sprechen sowohl von „aktiven Asteroiden“ als auch von „Hauptgürtel-Kometen“.

P/2013 P5
Erst vor wenigen Monaten wurde im Rahmen der Himmelsdurchmusterung durch das Pan-STARRS-Projekt mit P/2013 P5 ein weiteres Objekt entdeckt, welches den Astronomen seitdem Rätsel aufgab. Auf den Erstaufnahmen war P/2013 P5 mit einem deutlich erkennbaren Schweif ausgestattet und erschien deshalb auf den ersten Blick zunächst wie ein aktiver Komet, welcher sich in Sonnennähe befindet. Nähere Analysen der Bahnparameter haben jedoch ergeben, dass sich die Umlaufbahn dieses Objektes komplett innerhalb des Asteroidengürtels befindet. Somit ließ sich P/2013 P5 weder den Kometen noch den Asteroiden zweifelsfrei zuordnen.

NASA, ESA, Z. Levay (STScI/AURA)
In den Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops offenbart P/2013 P5 sechs Schweife, die ihn wie die Speichen eines Wagenrads umgeben. Während die meisten Schweife zwischen den beiden Beobachtungen blasser wurden, gewann einer der Schweife deutlich an Helligkeit.
(Bild: NASA, ESA, Z. Levay (STScI/AURA))

Ein von Dr. David Jewitt von der University of California/USA geleitetes internationales Wissenschaftler-Team, dem auch Forscher des in Katlenburg-Lindau beheimateten Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) angehören, hat dieses rätselhafte Objekt jetzt mit Hilfe des Hubble-Weltraumteleskops (kurz „HST“) eingehender untersucht. Zu diesem Zeitpunkt befand sich P/2013 P5 in einer Entfernung von rund 165 Millionen Kilometern zur Erde und 315 Millionen Kilometern zur Sonne. Auf den am 10. und am 23. September 2013 angefertigten HST-Aufnahmen konnten die Wissenschaftler nicht nur einen, sondern insgesamt vielmehr sechs Schweife ausmachen, welche das beobachtete Objekt wie die Speichen eines Wagenrads umgeben.
„Allein diese Anzahl spricht dagegen, dass die Schweife auf Kollisionen oder Einschläge zurückzuführen sind“, so Dr. Jessica Agarwal vom MPS. Sechs Impakte auf einem einzelnen Objekt innerhalb so kurzer Zeit seien doch eher unwahrscheinlich. Auch eine Sublimation von Eis, was auf einen Kometen hindeuten würde, kann so gut wie ausgeschlossen werden, da sich P/2013 P5 am inneren Rand des Asteroidengürtels und somit in großer Sonnennähe bewegt. Eisablagerungen dürften deshalb bereits vor langer Zeit von der Oberfläche entwichen sein.

Vielmehr gehen die Wissenschaftler nach der Auswertung ihrer Daten davon aus, dass es sich bei P/2013 P5 um einen Asteroiden handelt, der sich unter dem von der Sonne ausgehenden Strahlungsdruck so schnell um seine Rotationsachse dreht, dass er Material ins All verliert. Da das Sonnenlicht unter verschiedenen Winkeln auf die zerklüftete Oberfläche des Asteroiden trifft, kann sich in der Gesamtsumme ein Gesamtdrehmoment ergeben, welches dessen Rotation mehr und mehr beschleunigt. Irgendwann wird dadurch die Fliehkraft am Äquator stärker als die geringe Schwerkraft des mit einem Durchmesser von etwa 480 Metern relativ kleinen und somit massearmen Körpers. Aufgrund dieser Kraftverhältnisse wird schließlich Material von der Asteroidenoberfläche „fortgeschleudert“.

„Zwischen den Beobachtungen [durch das Hubble-Weltraumteleskops] lagen 13 Tage. In dieser Zeit hatte sich unser Forschungsobjekt stark verändert“, so Dr. Jessica Agarwal. Während ein Schweif fast unverändert geblieben war, hatte ein zweiter deutlich an Länge und Leuchtkraft zugenommen. Alle anderen waren dagegen mehr oder weniger verblasst.

NASA, ESA, A. Feild (STScI/AURA)
Diese schematische Darstellung hebt die von P/2013 P5 ausgehenden Schweife noch einmal deutlich hervor.
(Bild: NASA, ESA, A. Feild (STScI/AURA))

In Computersimulationen gelang es dem Team, genau diese Veränderungen im Detail zu rekonstruieren. Dafür berechneten die Wissenschaftler die Bahnen vieler hypothetischer Staubteilchen verschiedener Größe und verschiedenen Alters und verglichen deren Positionen mit denen der beobachteten Schweife. Im Rahmen dieser Arbeiten gelangten die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass sich die sechs beobachteten Schweife erst kürzlich – nämlich in etwa am 15. April, am 18. Juli, 24. Juli, 8. August, 26. August und am 4. September 2013 – gebildet haben müssen.

„Unsere Rechnung und die tatsächlichen Beobachtungen stimmen sehr gut überein“, so Dr. Jessica Agarwal, die für diese Berechnungen zuständig war. „Besonders ermutigend ist, dass wir die zeitliche Entwicklung zwischen den beiden Beobachtungstagen gut wiedergeben können.“

Der jüngste Schweif entwickelte sich demzufolge erst wenige Tage vor der ersten HST-Aufnahme. Er konnte in den folgenden Tagen deshalb an Helligkeit zulegen, während alle anderen – je nach der Partikelgröße der darin enthaltenen Staubteilchen – nach und nach verblassten.
Insgesamt zeigt sich durch diese Arbeit, dass auch die im Inneren unseres Sonnesystems beherbergten Kleinkörper noch weiter und ausführlicher untersucht werden müssen. Erst durch das eingehende Studium dieser Objekte lassen sich in Zukunft belastbare Aussagen darüber tätigen, auf welche Weise und unter welchen Bedingungen sich vor über 4,5 Milliarden Jahren unser Sonnensystem bildete.

„Vieles spricht dafür, dass die so genannten aktiven Asteroiden keine einheitliche Gruppe bilden“, so Dr. Jessica Agarwal. Von der Oberfläche einiger Vertreter sublimiert vermutlich Eis. Dieses stammt wahrscheinlich aus dem tiefen Inneren dieser Objekte und wurde möglicherweise durch teilweise heftig verlaufende Kollisionen mit anderen Himmelskörpern freigelegt. Bei anderen aktiven Asteroiden haben Zusammenstöße eine Fontäne aus Staub erzeugt, die noch monatelang als Schweif sichtbar war. „Bei den meisten dieser Körper ist jedoch der Ursprung des Schweifs völlig unklar“, so Agarwal.

Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse wurden am 7. November 2013 unter dem Titel „The Extraordinary Multi-Tailed Main-Belt Comet P/2013 P5“ in der Fachzeitschrift „Astropysical Journal Letters“ publiziert.

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