P/2013 R3 – Ein zerbrechender Asteroid

Der erst im September 2013 entdeckte Asteroid P/2013 R3 ist in mehrere Fragmente zerbrochen – und damit der erste bekannte Asteroid, der solche bisher nur von Kometen bekannte Auflösungserscheinungen zeigt.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, NASA Science, HST.

NASA, ESA, D. Jewitt
Diese Aufnahmen des zerfallenen Asteroiden P/2013 R3 wurden mit den Hubble-Weltraumteleskop angefertigt. Die Fragmente des Asteroiden durchmessen maximal 400 Meter und sind von Staubfahnen umgeben. Sie streben mit Geschwindigkeiten von 0,2 bis 0,5 Metern pro Sekunde auseinander.
(Bild: NASA, ESA, D. Jewitt)

Bei den Asteroiden handelt es sich um relativ unveränderliche Objekte, welche die Sonne auf lediglich leicht exzentrischen Keplerbahnen umkreisen und über Jahrmilliarden von Jahren hinweg im Allgemeinen ein eher eintöniges Dasein fristen. Der Großteil der Asteroiden bewegt sich dabei in dem zwischen den Umlaufbahnen der Planeten Mars und Jupiter angesiedelten Asteroidengürtel um das Zentralgestirn unseres Sonnensystems. Da die Asteroiden bereits vor Milliarden von Jahren unter dem Einfluss der Sonnenstrahlung ihre leichtflüchtigen Bestandteile wie zum Beispiel Wassereis oder gefrorene Gase verloren haben, verändert sich das Erscheinungsbild dieser Objekte mittlerweile nur noch geringfügig. Zwar können durch Kollisionen mit kleineren Objekten gelegentlich weitere Impaktkrater auf deren Oberflächen erzeugt werden – grundlegende Veränderungen sind jedoch normalerweise nicht mehr zu erwarten.

Bei den Kometen handelt es sich dagegen um Objekte, welche die Sonne in der Regel auf stark elliptischen Umlaufbahnen umkreisen, welche größtenteils weit von der Sonne entfernt verlaufen. Bei deren in regelmäßigen Abständen erfolgenden Annäherungen an die Sonne wird die Oberfläche dieser Himmelskörper jedoch so stark erwärmt, dass dort abgelagerte leichtflüchtige Stoffe wie gefrorenes Wassereis oder Kohlenstoffdioxid (Trockeneis) verdampfen und bei dem anschließenden Entweichen von der Oberfläche Staub und kleinere Gesteinspartikel mit sich reißen. Im Rahmen dieses Prozesses bilden Kometen nach dem Erreichen des inneren Sonnensystems zunächst eine aus Gas und Staub bestehende Koma aus, welche bei einer noch größeren Annäherung an die Sonne durch den Strahlungsdruck der Sonne und durch Sonnenwinde in Form eines Kometenschweifs vom Kern des Kometen „weggeweht“ wird.

Während den Astronomen zahlreiche Kometen bekannt sind, die auf ihrem Weg durch das Sonnensystem aufgrund der auf sie einwirkenden starken Temperaturschwankungen oder durch Gezeitenkräften in mehrere Teile zerbrachen, galten die Asteroiden bisher als recht stabile Objekte. Der Asteroid P/2013 R3 scheint diesen Erfahrungswert jetzt allerdings auf die Probe zu stellen, denn als dieser Himmelskörper am 15. September 2013 im Rahmen einer Himmelsdurchmusterung durch das Pan-STARRS-Projekt entdeckt wurde, existierte er streng genommen bereits nicht mehr. Dies legen Beobachtungen aus den Folgemonaten nahe, welche ein Forscherteam unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen jetzt ausgewertet hat.

Auf den Aufnahmen, die dem von Dr. David Jewitt von der University of California geleitetet Team zwischen Anfang Oktober 2013 und Mitte Januar 2014 mit Hilfe des Keck-Teleskops auf Mauna Kea in Hawaii und des Hubble-Weltraumteleskops (kurz „HST“) gelangen, sind eine zunehmende Anzahl von Bruchstücken erkennen. Zum Schluss der Aufnahmesequenzen handelte es sich um mindestens zehn einzelne Objekte, von denen die größten über einen Durchmesser von etwa 400 Metern verfügen. Besonders auffällig ist dabei, dass die einzelnen Fragmente von langgestreckten Staubschweifen „verziert“ sind, wodurch die Überreste von P/2013 R3 wie ein Kometen-Schwarm erscheinen.

NASA, ESA, A. Feild (STScI)
Ein denkbares Szenario, welches den Zerfall des Asteroiden P/2013 R3 wiedergibt.
(Bild: NASA, ESA, A. Feild (STScI))

Der Zerfall dieses Asteroiden muss bereits vor seiner Entdeckung eingesetzt haben. Die dabei entstehende Staubwolke verdeckte allerdings den meisten erdgebundenen Teleskopen die direkte Sicht auf die kleineren Bruchstücke. Mit Hilfe des HST ist es den Astronomen trotzdem gelungen, den fortschreitenden Zerfall über Monate hinweg zu dokumentieren und rückblickend zu rekonstruieren. P/2013 R3, so das Ergebnis der Auswertungen, ist damit der erste bekannte Asteroid, welcher auseinander gebrochen ist, ohne vorher mit einem anderen Himmelskörper zusammengestoßen zu sein.

Die Wissenschaftler zählen P/2013 R3 deshalb zu den sogenannten „aktiven Asteroiden“, eine Art Zwitter zwischen Asteroid und Komet. Diese Körper kreisen zwar innerhalb des Haupt-Asteroidengürtels um die Sonne, setzen dabei jedoch – wie auch Kometen – Staub frei. Die Ursache für dieses ungewöhnliche Verhalten ist in den meisten Fällen unbekannt. Im Fall von P/2013 R3 konnten die an den Untersuchungen beteiligten Astronomen jedoch durch ein Ausschlussverfahren eine Erklärung finden. Basierend auf den angefertigten Aufnahmen rekonstruierten sie den genauen Hergang des Zerfalls.

„Die einzelnen Bruchstücke driften mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von gerade einmal 1,5 Kilometern pro Stunde auseinander“, fasst Dr. Jessica Agarwal vom MPS eines der dabei gewonnenen Resultate zusammen. Neben dem schrittweise erfolgenden Auseinanderbrechen des Asteroiden spricht auch diese ausgesprochen niedrige Geschwindigkeit gegen eine Kollision, denn nach heftigen Zusammenstößen streben die verbleibenden Trümmerstücke in der Regel mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten auseinander.

Auch das im Inneren des Asteroiden – wie von Kometen bekannt – gefrorene Gase verdampft sind und das Objekt somit durch einen sich immer weiter aufbauenden Druck „von innen heraus“ gesprengt haben, kann ausgeschlossen werden. Dafür, so die Wissenschaftler, sei es im Asteroidengürtel schlichtweg zu kalt. Die gewonnenen Daten enthalten zudem keinerlei Hinweise auf eine nennenswerte Freisetzung von Gasen. Vielmehr, so die wahrscheinlichste Erklärung, wurde dem Asteroiden P/2013 R3 seine im Laufe der Zeit immer weiter zunehmende Drehgeschwindigkeit zum Verhängnis.

NASA, ESA, D. Jewitt
Die Bruchstücke von P/2013 R3, aufgenommen am 29. Oktober 2013 durch das Weltraumteleskop Hubble.
(Bild: NASA, ESA, D. Jewitt)

Der YORP-Effekt
„Die einzige mögliche Erklärung liefert der Strahlungsdruck der Sonne“, so Dr. Jessica Agarwal. Dieser Effekt wird als YORP-Effekt (kurz für „Yarkovsky-O’Keefe-Radzievskii-Paddack-Effekt“) bezeichnet.

Das von der Sonne ausgehende Licht trifft unter verschiedenen Einfallswinkeln auf die Oberfläche eines Asteroiden, was zu einer minimalen, allerdings nicht gleichmäßig verlaufenden Erwärmung von dessen Oberfläche führt. Dort wird diese Wärme zunächst gespeichert. Sobald die zuvor von der Sonne erwärmten Oberflächenbereiche nicht mehr der Strahlung der Sonne ausgesetzt sind, wird die dort zuvor absorbierte Energie wieder in das umgebende Weltall freigegeben. Ist der betreffende Asteroid unregelmäßig geformt, so erfolgt die Freisetzung der Wärmeenergie – genau so wie auch die vorherige Speicherung – nicht gleichmäßig. Dies hat zur Folge, dass sich unter dem Strich ein zwar nur minimaler, auf Dauer jedoch deutlich spürbarer Drehmoment ergibt.

Einerseits kann sich dadurch die Ausrichtung der Rotationsachse des Asteroiden verändern. Ein weiterer Effekt ist, dass auch die Geschwindigkeit, mit der ein Asteroid um seine eigene Achse rotiert, auf diese Weise im Laufe von Millionen von Jahren immer weiter ab- oder auch zunehmen kann. Letzteres hat dann zur Folge, dass die auftretenden Fliehkräfte den Asteroiden letztendlich nach und nach förmlich auseinander reißen können. Kleinere Bruchstücke und Staubpartikel, welche dabei freigesetzt werden, speisen die sich im Rahmen dieses Vorgangs – wie jetzt aktuell bei P/2013 R3 beobachtet – bildenden kometenartigen Schweife.

Erst im vergangenen Jahr hatten die Astronomen bereits ein anderes Objekt entdeckt, dessen Äußeres ebenfalls von dem YORP-Effekt bestimmt wird. Der aktive Asteroid P/2013 P5 verlor immer wieder Material in das ihn umgebende Weltall. Teleskopaufnahmen zeigen diesen Asteroiden von gleich mehreren ausgeprägten Staubschweifen umgeben (Raumfahrer.net berichtete).

„Warum der eine Körper nur eine überschaubare Menge an Staub verliert, der andere aber völlig auseinander bricht, ist noch unklar“, so Dr. Jessica Agarwal. Sehr wahrscheinlich ist jedoch, dass der innere Aufbau der Himmelskörper dabei eine entscheidende Rolle spielt. „Seit einigen Jahren mehren sich die Hinweise, dass einige Asteroiden nicht kosmischen Felsbrocken gleichen, sondern sich eher als eine Art lockerer Schutthaufen beschreiben lassen“, so die Physikerin. Die neuen Ergebnisse sprechen dafür, dass dies auch auf den Asteroiden P/2013 R3 zutrifft, bei dem es sich demzufolge um einen weiteren Rubble Pile – eine kosmische Ansammlung von Staub und Gesteinsfragmenten, welche letztendlich lediglich durch die gegenseitig wirkenden Gravitationskräfte zusammengehalten wird – handeln muss.

„Der YORP-Effekt könnte uns helfen, in Zukunft mehr über den Aufbau der Asteroiden zu erfahren“, fügt Jessica Agarwal hinzu.

Verwandte Meldungen bei Raumfahrer.net:

Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum:

Fachartikel von David Jewitt et al:

Nach oben scrollen