Planetare Unwucht

Der frühe Vulkanismus auf dem Mars verschob möglicherweise die Polregionen.

Erstellt von Andreas Morlok. Quelle: Nature, Université Paris-Sudsss

Die Tharsis-Region ist ein ungefähr 5.000 Kilometer durchmessendes Gebiet großer, früherer vulkanischer Aktivität auf dem Mars. Gekennzeichnet ist dieses durch eine riesige ‚Beule‘ bestehend aus Vulkanen, darunter Olympus Mons, dem größten Vulkan im Sonnensystem überhaupt. Das Wachstum der Region begann während des Noachiums (vor über 3.7 Milliarden Jahren) und setzte sich in mehreren Stadien bis vor etwa 3 Milliarden Jahren in die folgende Amazonische Periode fort. Die Entstehung und die damit verbundenen Massenbewegungen im Mantel und an der Oberfläche hatten Auswirkungen weit über die Region hinaus – nämlich auf den ganzen Planeten.

Das ist das Ergebnis eines in Nature veröffentlichten Papers, Late Tharsis formation and implications for early Mars (doi:10.1038/nature17171) von einer Forschergruppe um Dr. Sylvain Bouley von der Université Paris-Sud (Press Release hier, und hier ein Tagungsabstrakt). Es handelt sich um eine interdisziplinäre Studie, die Ergebnisse von Geomorphologie, Klimaforschung, Planetologie und Geophysik verbindet.

Es ging zunächst um ein altes Problem auf der Marsoberfläche – wieso kommen die Flusstäler nur in einer sehr begrenzen Region vor oder wie sind die Eisvorkommen abseits der Pole entstanden? Die in einem früheren, feuchten Klima entstandenen Täler kommen in einer Hochland-Region vor, die seltsamerweise relativ zum heutigen Äquator gekippt ist. Und die besten klimatischen Bedingungen für die Bildung solcher Täler waren wohl entlang des Äquators.

Vor der Entstehung von Tharsis war die Stabilität der Rotationsachse durch die topographischen Unterschiede zwischen den Tiefländern auf der Nordhalbkugel und den Hochländern im Süden kontrolliert. Frühere Modellierungen des Planeten vor der Bildung von Tharsis zeigen ebenfalls einen im Vergleich zu heute verschobenen Pol an.

Dabei ist allerdings nicht die Achse des Planeten selber gekippt, es haben sich Mantel und Kruste auf dem Kern verschoben und relativ zur Achse neu ausgerichtet, ein True Polar wander (TPW) Ereignis.

In der Studie wurde die Senkrechte (Normale) auf der Ebene durch den Planeten, in der die Flusstäler vorkommen, berechnet. Und diese liegt ähnlich des in dem Paper modellierten ‚Ur‘-Pols des Mars. So war also die Unwucht der gewaltigen Massenverschiebungen ausreichend, um die Kruste des Mars verrutschen zu lassen – und zwar um bis zu 25 Grad.

Und im Gebiet dieses ‚Ur‘-Pols finden sich auch Anzeichen auf größere Eismassen im Untergrund, die mit dem SHARAD (Shallow Subsurface Radar) entdeckt wurden. Auch am damaligen Südpol finden sich Geländeformationen, die auf früheres Eis hindeuten.

Zuvor war der Übergang zwischen Hoch- und Tiefländern parallel zum Äquator ausgerichtet, wo auch die meisten Niederschläge stattfanden, möglicherweise als direkte Auswirkung der Freisetzung von Wasser durch die gewaltige vulkanische Aktivität durch die Bildung der Tharsis-Region. Bei einer ähnlichen Verschiebung auf der Erde gäbe es laut dem Erstautor Bouley Nordlichter in Frankreich und Weinanbau wäre im Sudan möglich. Ein massiver Einfluss auf das Klima auf dem Mars durch dieses Ereignis dürfte also wohl stattgefunden haben, weshalb die Ergebnisse dieser Studie gerade wichtig für Modelle des frühen, feuchteren roten Planeten sind.

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