Raumcon-Treffen 2015 in Kassel und Göttingen

Vom 21. bis zum 25. Mai 2015 fand das Raumcon-Treffen 2015 in Kassel und Göttingen mit 22 Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt. Auf dem Programm standen interessante Exkursionen sowie zahlreiche Vorträge und Diskussionen zu aktuellen Astronomie- und Raumfahrtthemen. Eine Nachlese von Rafael Frytz, Paula Goth und Stefan Goth.

Ein Beitrag von Rafael Frytz, Paula Goth und Stefan Goth. Quelle: Raumcon, Raumfahrer.net e.V..

Die Raumcon-Treffen haben sich zu einem regelmäßigen Event im Raumfahrtkalender eines jeden Jahres entwickelt. Bei dieser Gelegenheit treffen Vertreter der „Macher“ der Website „Raumfahrer.net“ mit Portal, Forum, Shop und Chat mit interessierten Nutzern zusammen, um über den aktuellen Stand von Raumfahrt- und Astronomie-Themen zu diskutieren und sich über neue Entwicklungen zu informieren. Sowohl unter den Betreibern des Forums als auch unter den Nutzern waren auch dieses Jahr wieder einige Mitglieder des gemeinnützigen Vereins „Raumfahrer.net e.V.“, welcher als Veranstalter auftrat.

Rafael Frytz
Die Jugendherberge in Kassel
(Bild: Rafael Frytz)

Neben dem reinen Informationsgewinn, der den Teilnehmern insbesondere bei ihrem Wirken als Multiplikatoren bei der Wissensvermittlung hilft, und der Freude an Raumfahrt und Astronomie an sich haben die Treffen angesichts intensiver Kommunikation über das Internet auch eine wichtige soziale Komponente und folgen dem vereinssatzungsgemäßen Bildungsauftrag. Durch persönliches Kennenlernen und gemeinsames Arbeiten wächst das gegenseitige Verständnis, für respektvollen Umgang miteinander im Forum ist es ebenfalls förderlich.

Die Schwerpunkte beim diesjährigen Treffen waren Besuche beim Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen, dem Planetarium und astronomisch-physikalischen Kabinett in der Orangerie Kassel, sowie eine Führung „Gauß in Göttingen“ mit Besichtigung der historischen Sternwarte. Dazu kamen zahlreiche spannende Vorträge zu unterschiedlichsten Themen.

Tag 1 – Anreise und „get together“
Donnerstag der 21. Mai 2015 war Anreisetag, um die Mittagszeit trafen die ersten Teilnehmer in der Jugendherberge Kassel ein. Im Laufe des Nachmittags füllte sich der Tagungsraum, zahlreiche Laptops wurden aufgebaut und verkabelt. Für die stimmungsvolle Ausgestaltung des Veranstaltungsraums wurden hochwertige Bilder im Großformat (von –eumel- bereitgestellt) aufgehängt. Wie jedes Jahr gab es auch die Möglichkeit die Produkte aus dem Webshop in Augenschein zu nehmen und zu kaufen. Auch diese Jahr gibt es wieder einen neuen Hingucker mit Bezug auf aktuelle Forschung, die neue Tasse – diesmal mit zwei Motiven: New Horizons und Dawn!

Nach der offiziellen Eröffnung und Einführung in das Programm durch das Organisationsteam Ilka Meuer, Nico Feldmann und Thomas Weyrauch gab es bei einem abendlichen „get together“ im Hof der Jugendherberge die Gelegenheit, alte Freundschaften aufzufrischen und neue Bekanntschaften zu machen. Während einige angediente Aktive wegen Terminproblemen absagen mussten, konnten auch neue Gesichter begrüßt werden. Bis in die Nacht hinein wurde über zahlreiche Astronomie- und Raumfahrtthemen diskutiert.

Tag 2 – Exkursion I: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen
Am Freitag den 22. Mai 2015 bildete der Besuch beim Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen (MPS https://www.mps.mpg.de/de) die Hauptattraktion des Tages und möglicherweise den Höhepunkt des gesamten Raumcon-Treffens. Das MPS Göttingen beschäftigt sich u.a. mit der Erforschung der Sonne und deren Atmosphäre, der Planeten in unserem Sonnensystem, und ist an zahlreichen wissenschaftlichen Missionen beteiligt, z.B. an Rosetta.

Andrej Meuer
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen
(Bild: Andrej Meuer)

Das Institut ist erst 2014 in einen Neubau auf dem Campus der Universität Göttingen umgezogen. Als einer der Gründe für den Umzug wurde die größere Nähe zu den Wissenschaftlern am Lehrstuhl für Astrophysik und Geowissenschaften der Uni genannt. Außerdem waren die Gebäude am alten Standort Katlenburg-Lindau sanierungsbedürftig und entsprachen nicht mehr den aktuellen Anforderungen.

Zunächst wurden wir durch Dr. Birgit Krummheuer begrüßt und von Dr. Achim Gandorfer mit den drei Abteilungen des MPS „Sonne und Heliosphäre“, „Planeten und Kometen“ sowie „Das Innere der Sonne und der Sterne“ vertraut gemacht. In seinem mitreißenden Vortrag „Sonnenforschung zwischen Himmel & Erde“ hat Dr. Gandorfer den Teilnehmern dann von seinem eigenen wissenschaftlichen Weg, welcher immer um die Sonne „kreiste“, berichtet.

Dieser Weg ist auch eine kleine Geschichte der Sonnenforschung und startete zunächst am McMath-Pierce Solar Teleskop. Über das Solar & Heliospheric Observatory (SOHO) führte er schließlich zu Sunrise, einem mittlerweile zweimal an einem Stratosphärenballon gestarteten Mission. Aktuell ist die Vorbereitung der Satellitenmission Solar Orbiter zur Erforschung der Sonne aus einem vergleichsweise engen Orbit um unser Zentralgestirn.

Anschließend führten Dr. Gandorfer und Dipl.-Ing. Dietmar Germrott uns durch das Haus und die Labore, so dass alle einen lebendigen Eindruck von den bisherigen und aktuellen Aktivitäten des MPS gewinnen konnten.

Zu sehen waren beispielsweise große Montagehallen für Arbeiten unter Reinraumbedingungen unterschiedlicher Klassen. In einer befanden sich Teile des Stratosphärenteleskops Sunrise. Zu bestaunen waren auch einige Vakuumkammern, sowie ein Modell von OSIRIS, einer Kamera von Rosetta.

Thomas Weyrauch
Vakuumanlage mit kleinerer Kammer beim MPS
(Bild: Thomas Weyrauch)

Interessant war, dass von wichtigen Instrumenten, welche sich derzeit auf Sonden bei oder auf dem Weg zu Planeten, Asteroiden oder Kometen befinden, baugleiche funktionsfähige Exemplare in diesen Vakuumkammern vorgehalten werden, um alle Kommandos am Boden testen zu können und bei Problemen mit den Flugexemplaren Lösungsmöglichkeiten an den Testmodellen zu finden. In der kleinen aber feinen Kantine wurde bei einem hervorragenden Essen das gesehene und gehörte anschließend intensiv diskutiert.

Am Nachmittag gab Dr. Johannes Wicht einen Einblick in seine Arbeit bei der Erforschung und rechnergestützten Simulation des Magnetfelds der Erde und des Jupiters. Die meisten Zuhörer waren von Komplexität des Erdmagnetfeldes beeindruckt. Es ist längst nicht mit magnetischem Nord- und Südpol alleine zu beschreiben. Bedingt durch den „Dynamo“ aus flüssigem leitfähigem Material zwischen Erdkern und Erdkruste lässt sich die Dynamik nur mit Großrechnern simulieren. Das noch komplexere Magnetfeld des Gasriesen Jupiter soll mit der Sonde Juno, welche im Juli 2016 den Planeten erreichen wird, genauer vermessen werden.

Jörg Knaak
Das Kennedy Space Center, das Vertical Assembly Building (VAB) und die Startplätze 39 A und 39 B
(Bild: Jörg Knaak)

Wieder zurück in der Jugendherberge gab es am Abend nach dem Essen zwei Vorträge. In „Satellitenbetrieb am Beispiel polarer Wettersatelliten“ von Nico Feldmann erklärte unser damit beruflich befasster Mitstreiter Details von Satellitenmissionen vom Start bis zur Außerbetriebnahme. Zu seinem „Besuch am Kennedy Space Center“ im Frühjahr 2015 zeigte Jörg Knaak zahlreiche stimmungsvolle Bilder vom US-amerikanischen Weltraumbahnhof in Florida und seinen verschiedenen Einrichtungen und fesselte uns bis spät in die Nacht mit seinem Bericht.

Tag 3 – Exkursion II: Planetarium und astronomisch-physikalisches Kabinett, Orangerie Kassel und Planetenwanderweg im Park Karlsaue
Der folgende Samstag, der 23. Mai 2015 führte uns zunächst in das Planetarium Kassel, das in der Orangerie im Park Karlsaue untergebracht ist. Hier erhielten wir von Frau Bolz eine Einführung in den nächtlichen Himmel, einen Einblick in die wichtigsten Entdeckungen von Galileo Galilei und die Bedeutung der Entwicklung des Teleskops für die moderne Astronomie.

Thomas Weyrauch
Foucaultsches Pendel in der Orangerie
(Bild: Thomas Weyrauch)

Bei einer Führung durch das astronomisch-physikalische Kabinett im gleichen Gebäude gab es einen Überblick über historische Himmelsbeobachtungsinstrumente, Zeitmesser und andere technische Entwicklungen der letzten Jahrhunderte, bis hin zu historischen Rechenmaschinen und Computern. Im Eingangsbereich befindet sich ein Foucaultsches Pendel, welches dem Nachweis der Erdrotation dient.

Am Nachmittag konnten sich junge wie ältere Teilnehmer ausgiebig am sog. Geo-Caching im Park Karlsaue beteiligen. Dies ist eine moderne Form der Schnitzeljagd, welche ohne satellitengestützter Ortsbestimmung (z.B. unter Nutzung des Global Positioning System, GPS) nicht denkbar wäre.

Rafael Frytz
Orangerie im Park Karlsaue in Kassel
(Bild: Rafael Frytz)

Darüber hinaus bot sich in der Karlsaue der dortige Planetenwanderweg im Maßstab von 1 zu 495 Millionen für eine fußläufige Erschließung der Größenverhältnisse unseres Sonnensystems an. Ein gelaufener Kilometer im Park entspricht dabei 495 Millionen Kilometern im All. Die Sonne, die sich als Bild über dem Eingang zur Orangerie befindet, bildet den Anfang des Planetenwegs. Aufgrund der Entfernungen unter den Planeten befindet sich Saturn bereits außerhalb des Parks und Uranus in einem anderen Stadtteil von Kassel.

Nach dem Abendessen in der Jugendherberge ging es wieder mit einem abendlichen Vortragsprogramm weiter. Tobi führte durch die Firmengeschichte von SpaceX, berichtete über die drei Fehlstarts der Falcon 1, den Stand der Technik von Falcon 9 und Dragon sowie die zukünftigen Entwicklungen beim Commercial Crew Transport zur Internationalen Raumstation (International Space Station, ISS) und das Fernziel Mars. Dann folgte ein interessanter Vortrag eines anderen Teilnehmers, der den Aufbau und die bisherige Entwicklung des Vinci Triebwerks erläuterte. Die nötigen Änderungen für eine mögliche Ariane-6-Rakete wurden ebenfalls diskutiert.

Tag 4 – Exkursion III: Stadtführung auf Gauß’ Spuren in Göttingen und Besichtigung der historischen Sternwarte
Sonntag, der 24. Mai 2014 führte die „Raumfahrer“ wieder nach Göttingen. Dort nahm uns er Stadtführer Jörg Scharmach mit auf die zahlreichen und vielgestaltigen Spuren des in Braunschweig geborenen Carl Friedrich Gauß, der die meiste Zeit seines Lebens in Göttingen verbracht hat. Unter anderem war er Direktor der Sternwarte und Universitätsprofessor. Er erforschte das Erdmagnetfeld, beschäftigte sich mit der Landvermessung, schuf die erste magnetische Telegrafenverbindung, begründete die nichteuklidische Geometrie und vieles mehr.

Darüber hinaus gab es auch einen Einblick in das Leben von Gauß, seiner Familie und seiner Zeitgenossen. Göttingens Altstadt besitzt viele erhaltene historische Bauten, da sich die Kriegsschäden im Gegensatz zu vielen anderen alten Städten in Grenzen hielten.

Rafael Frytz
Die historische Sternwarte in Göttingen
(Bild: Rafael Frytz)

Unser Weg durch Göttingen führte uns schließlich zur historischen Sternwarte, welche im 18. Jahrhundert erbaut wurde. Die Besichtigung zeigte viele interessante Einblicke. In der Kuppel befindet sich ein großes Teleskop und, eher untypisch, ein Stuhl für den Beobachter, platziert vor dem Okular. Die Führung endete an der Grabstätte Gauß’, letzterer starb am 23. Februar 1855.

Nach der Rückkehr zur Jugendherberge führte ein Vortrag von Joachim Boensch in die Welt der „Raketen-Triebwerkstypen mit flüssigem Treibstoff“. Die Grundprinzipien der Raketentriebwerke, Methoden der Treibstoffförderung und die Steuerung der Rakete wurden erklärt.

Ein Vortrag von Thomas Brucksch, „SEP-Einsatz von Ionentriebwerken“, ging auf die Grundlagen und den Einsatz von solar-elektrischen Antrieben ein. Dabei steht SEP für solar electric propulsion. Gezeigt wurden verschiedenen Typen von Ionentriebwerken und wichtige Missionen, bei denen solche Treibwerke eingesetzt wurden, laufen, oder vorgesehen sind. Vorgestellt wurde auch das ambitionierte NASA-Vorhaben einer Asteroid Redirect Mission mit SEP.

Andrej Meuer
Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor der historischen Sternwarte in Göttingen
(Bild: Andrej Meuer)

Den Abschluss an diesem Tag bildete ein Vortrag über den Meteor von Tscheljabinsk (Russland) von Tobi. Der Meteor hatte vor gut zwei Jahren hohen Sachschaden und zahlreiche Verletzte verursacht. Zum Glück kam, trotz der zahlreichen geborstenen Fensterscheiben, soweit bekannt niemand ums Leben.

Im Vortrag wurde u.a. erläutert, wie man aus den zahlreichen Videoaufnahmen unterschiedlichster Überwachungskameras und mobiler Kommunikationsgeräte auf Größe und Flugbahn des Meteoren schließen kann.

Parallel zum Programm hatten interessierte Teilnehmer des Treffens bis Sonntag ein Raumfahrt- und Astronomie-Kreuzworträtsel zu lösen. Die drei Gewinner mit den meisten beantworteten Fragen (Nitro, fl67 und Raffi) wurden mit Buch- und Sachpreisen belohnt. Einen langen Applaus bekam Andrej Meuer für die Zusammenstellung der Rätsel-Nüsse, die auch für echte Spezialisten schwer zu knacken waren.

Tag 5 – Abbauen, Abschied und Abreise
Nach einem äußerst ereignisreichen, spannenden und äußerst informativen Wochenende mit sehr interessanten Exkursionen, Vorträgen und Gesprächen wurde am Montag den 25. Mai 2015 ein positives Resümee gezogen. Das Organisationsteam aus Ilka Meuer, Nico Feldmann und Thomas Weyrauch erhielt einen ausgiebigen Extra-Applaus für ihre Mühen. Anschließend wurde gemeinsam der Tagungsraum geräumt, und die Teilnehmer verabschiedeten sich und begaben sich auf den Heimweg.

Im Verlauf des Treffens wurde bereits über das nächste Raumcon-Treffen im Jahr 2016 gesprochen. Bei der Terminfindung hat sich die Woche mit dem Feiertag Christi Himmelfahrt, ersatzweise eine Woche ganz ohne Feiertag, herauskristallisiert, da an Feier- und Brückentagen erfahrungsgemäß nur sehr schwer qualitativ hochwertige Führungen bei Forschungseinrichtungen oder Unternehmen organisiert werden können. Wahrscheinlich wird das Treffen in Darmstadt stattfinden, mit möglichen Besuchen bei EUMETSAT (Betreiber europäischer Wettersatelliten), ESOC (Europäisches Raumfahrtkontrollzentrum) und GSI (Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung).

Für die Teilnahme an Raumcon-Treffen gibt es keine zwingenden Voraussetzungen, man muss weder eine Vereinsmitgliedschaft besitzen noch im Forum mit Benutzernamen angemeldet sein. Eine gewisse Aufgeschlossenheit gegenüber Wissenschaft und Technik erleichtert aber die Kommunikation mit den mit Herzblut diskutierenden und argumentierenden Raumfahrt- und Astronomie-Enthusiasten.

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