Risse im Erdmagnetfeld

Neue Beobachtungen durch mehrere Satelliten-Systeme zeigen, dass sich Risse im Magnetfeld, grundsätzlich schon seit längerem bekannt, für Stunden geöffnet halten können. Sonnenwinde können durch diese Risse hindurchschlüpfen.

Ein Beitrag von michaelaye. Quelle: NASA.gov.

Darstellung einer normalen Ablenkung von Sonnenwinden durch das Erdmagnetfeld hin zu den polaren Regionen.
(Bild: NASA)

Neue Beobachtungen von NASAs IMAGE Raumsonde und den NASA/ESA Cluster-Satelliten zufolge, kann das Erdmagnetfeld gewaltige Risse entwickeln, die für Stunden geöffnet bleiben.
Durch diese Risse kann der Sonnenwind, in Form von geladenen Teilchen hoher Energie, durchschlüpfen, die Atmosphäre erreichen und so auch in Gebieten geringer Breitengrade Aurorae erzeugen.
Die Risse wurden schon in früheren Beobachtungen gesehen, aber die neuen Beobachtungen zeigen, dass diese für Stunden geöffnet bleiben können, statt wie früher vermutet, nur für sehr kurze Intervalle. Diese neue Entdeckung der Überwindung des magnetischen Schutzschildes der Erde wird wahrscheinlich den Physikern helfen, bessere Abschätzungen für mögliche Folgen bei Ausbrüchen von schwerem Raumwetter zu machen, welches immer dann auftritt, wenn ein so genannter koronaler Massen-Auswurf (engl.: Coronal Mass Ejection [CME]) der Sonne in Richtung Erde wandert. Die geladenen schnellen Teilchen dieses verdickten Sonnenwinds kann bei ungünstigen Bedingungen Satelliten und Energienetzwerke auf der Erde beschädigen.

“Wir haben entdeckt, dass unser Magnetschild zugig ist, so wie ein Haus mit offenem Fenster während eines Sturms”, erklärt Dr. Harald Frey von der University of California (UC), Berkeley, USA, Hauptautor einer Studie über diese Ergebnisse, die am 4. Dezember im US-amerikanischen Magazin Nature veröffentlicht wurde. “Das Haus lenkt das meiste vom Sturm um, aber die Couch ist ruiniert. Genauso nimmt unser Magnetschild den Hauptstoß von Weltraumstürmen auf, aber einiges an Energie schlüpft kontinuierlich durch seine Risse, manchmal genug um Probleme für Satelliten, Radio-Funkverbindungen und Energiesysteme zu verursachen.”

“Diese neuen Fakten, dass diese Risse für längere Zeiträume geöffnet bleiben, anstatt sich sporadisch zu öffnen und zu schließen, kann nun in unsere Computermodelle für die Raumwetter-Vorhersage eingefügt werden, um genauer als bisher vorherzusagen, inwiefern heftige Ausbrüche auf der Sonne unser lokales Raumwetter beeinflussen”, führt Dr. Tai Phan, Co-Autor der Nature-Veröffentlichung, ebenfalls von der UC Berkeley, weiter aus.

Verbindung zweier Magnetfeldlinien. Freiwerdende Energie erzeugt einen Riss im Magnetschild der Erde.
(Bild: NASA)

Der Sonnenwind ist ein Strom aus elektrisch geladenen Teilchen (Elektronen und Ionen) der fortwährend von der Sonne ausgestoßen wird.
Dieser Strom transportiert mittels der magnetischen Felder, die mit diesen Teilchen transportiert werden, und mittels der hohen Geschwindigkeiten der Teilchen (Hunderte von Kilometern pro Sekunde) Energie von der Sonne zur Erde.

Während heftiger Sonnenausbrüche kann es ziemlich stürmisch werden, die schon angesprochenen CMEs können eine Milliarde Tonnen an geladenem Gas in den Weltraum schleudern bei Geschwindigkeiten bis zu Millionen von Kilometern pro Stunde.

Die Erde hat ein Magnetfeld dass sich einige zehntausend Kilometer in den Weltraum erstreckt, unseren Planeten umgibt und eine schützende Barriere gegenüber den Teilchen und verwickelten Magnetfeldern bildet, die die Sonne in unsere Richtung bläst während ihrer CMEs. Die so genannten Weltraumstürme jedoch, die eine Billion Watt in das Erdmagnetfeld abgeben können, was mehr als Amerikas gesamte Elektrizitäts-Erzeugung ausmacht, zeigen, dass der Magnetschild nicht undurchdringlich ist.

Dr. Jim Dungey vom Imperial College, London, hat 1961 schon Risse im Magnetschild vorhergesagt, und zwar immer dann, wenn der Sonnenwind ein Magnetfeld enthalten würde, dessen Orientierung umgekehrt zu derjenigen des Erdmagnetfeldes an der Stelle des Zusammentreffens ist. An diesem Ort würde dann eine so genannte Magnetische Wiederverbindung (Magnetic Reconnection) stattfinden, ein Zusammenschalten der Magnetfelder des Sonnenwinds und des Erdmagnetfeldes. Die Auswirkungen dieser Wechselwirkung würden an dieser Stelle das Erdmagnetfeld außer Kraft setzen und die elektrisch geladenen Teilchen des Sonnenwinds könnten ungehindert durch diesen Riss fließen. 1979 wurden solche Risse zum ersten Mal von Dr. Goetz Paschmann am Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik München mittels der International Sun Earth Explorer Raumsonde entdeckt. Da aber der Orbit dieser Sonde die in Frage kommenden Gebiete ziemlich schnell überflogen hat, war bisher nicht klar, wie lange diese Risse geöffnet blieben.

Der Imager for Magnetopause to Aurora Global Exploration (IMAGE) Satellit hat mit seinen Aufnahmen ein Gebiet mit fast der Größe Kaliforniens in der oberen Atomsphäre, der so genannten Ionosphäre, gezeigt, in dem eine 75 Megawatt Protonen-Aurora für einige Stunden aufgeflammt ist. Diese Aurora mit einer Energie, die ausreicht, um 75.000 Haushalte mit Energie zu versorgen, war anders als die üblichen Nord- und Südlichter. Sie wurde durch schwere Ionen generiert, die die Ionosphäre bombardierten und damit ultraviolettes Licht, unsichtbar für das menschliche Auge, erzeugten, was aber durch den Far Ultraviolet Imager des IMAGE Satelliten gesehen wurde.

Darstellung einer großen Aurora, erzeugt von Sonnenwinden, die von Magnetfeldlinien (sichtbarer Strang) zu Polarregionen umgelenkt wurden.
(Bild: NASA)

Während IMAGE die Aurora aufzeichnete, flog die 4-teilige Satellitenkonstellation Cluster weit oberhalb IMAGE direkt durch einen der Risse im Magnetfeld und konnte dabei Ströme von Sonnenwind-Ionen messen, die durch den Riss flossen.

Diese Art von Strömen werden normalerweise von dem Erdmagnetfeld abgelenkt, so dass sie nicht an Clusters Position hätten gemessen werden können. Die Tatsache, das Cluster diese Ströme gesehen hat, wird als Riss im Erdmagnetfeld gedeutet.

Außerdem hat eben dieser Strom genau an derselben Stelle die Atmosphäre bombardiert, an der IMAGE die Protonen-Aurora gesehen hat. Da dies über neun Stunden lang der Fall war bis zu dem Zeitpunkt, bei dem der Orbit von IMAGE eine weitere Beobachtung der Aurora unmöglich gemacht hatte, scheint es klar, dass der Riss mindestens über diesen Zeitraum geöffnet geblieben ist. Aus Schätzungen von Cluster– und IMAGE-Daten wurde bestimmt, dass der Riss bei einer Entfernung von 60.000 Kilometer die doppelte Erdgröße hatte. Weil die Magnetfeldlinien zusamenlaufen, wenn sie sich der Erde in den Polarregionen nähern, hat sich der Riss im Bereich der Ionosphäre bis auf die Größe Kaliforniens verkleinert.
IMAGE wurde am 25. März 2000 gestartet, um einen globalen Überblick des Einflusses unseres Erdmagnetfeldes auf den Weltraum in direkter Umgebung der Erde zu bekommen. Die Cluster-Satelliten, gebaut im Auftrag der Europäischen Weltraumbehörde ESA, wurden am 16. Juli 2000 gestartet. Sie generieren eine drei-dimensionale Karte des Erdmagnetfeldes.
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