Rosettas Komet: Zu warm für Eis!

Mit dem Instrument VIRTIS konnten die an der Rosetta-Mission beteiligten Wissenschaftler jetzt die auf der Oberfläche des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko vorherrschende Durchschnittstemperatur ermitteln. Mit minus 70 Grad Celsius ist es dort demzufolge zu warm, als dass dessen Oberfläche weitflächig mit Eis bedeckt ist. Vielmehr ist die Oberfläche wohl überwiegend mit einer Kruste aus dunklen, feinkörnigen Material überzogen.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: DLR, ESA.

ESA, Rosetta, NavCam
Diese Aufnahme der Navigationskamera von Rosetta wurde am 1. August 2014 aus einer Entfernung von 1.026 Kilometern zu dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko angefertigt und am heutigen Tag von der ESA freigegeben. Eine interpolierte Version dieser Aufnahme finden Sie hier .
(Bild: ESA, Rosetta, NavCam)

Nur noch wenige Tage, dann wird die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Rosetta nach einem mehr als zehnjährigen Flug durch unser Sonnensystem am 6. August 2014 in einen Orbit um den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko eintreten und diesen anschließend bis voraussichtlich zum Ende des Jahres 2015 auf seinem weiteren Weg in das innere Sonnensystem ‚begleiten‘ und dabei mit einer Vielzahl von Instrumenten untersuchen.

Im Rahmen ihrer Annäherung an 67P/Tschurjumow-Gerasimenko (der Einfachheit halber ab hier als „67P“ abgekürzt) soll Rosetta am morgigen Sonntag ein weiteres Kurskorrekturmanöver (engl. „Orbit Correction Manoeuvre“, kurz „OCM“) absolvieren, in dessen Rahmen die Annäherungsgeschwindigkeit an den Kometen auf einen Wert von dann nur noch etwa einen Meter pro Sekunde reduziert werden soll.

Allerdings beginnt die Raumsonde Rosetta nicht erst nach dem Erreichen des Orbits um 67P mit der Untersuchung ihres Ziels. Bereits Anfang Juni 2014 konnten die an der Mission beteiligten Wissenschaftler mit dem MIRO-Experiment – einem der elf Instrumente an Bord der Kometensonde – nachweisen, dass 67P Wasserdampf freisetzt.

Jetzt konnte mit einem weiteren Instrument, dem im visuell-infraroten Wellenlängenbereich arbeitenden Spektrometer VIRTIS, auch erstmals die Temperatur auf der Kometenoberfläche ermittelt werden. Die durchschnittliche Oberflächentemperatur auf 67P erreicht demzufolge einen Wert von minus 70 Grad Celsius.

Minus 70 Grad Celsius
„Bei dieser Temperatur ist die Oberfläche des Kometen nicht vollständig mit einer Eisschicht bedeckt, sondern mit einem dunklen, staubigen Material“, so Dr. Gabriele Arnold vom Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof. Mit dem ermittelten Wert, so die Begründung, liegt die Temperatur um 20 bis 30 Grad über dem Wert, bei dem die Oberfläche eines Kometen komplett mit Eis bedeckt wäre. Die Wissenschaftler des VIRTIS-Teams gehen deshalb davon aus, dass die Oberfläche von 67P zu einem großen Teil mit einer Kruste aus verhältnismäßig dunklem Staub überzogen ist, welche von dem Sonnenlicht erwärmt wird. Diese Wärmeenergie wird anschließend wieder im infraroten Wellenlängenbereich ins Weltall abstrahlt.

ESA
Bei einem der elf Instrumente an Bord der Kometensonde Rosetta handelt es sich um das Spektrometer VIRTIS. Erste Temperaturmessungen zeigten, dass die Oberfläche des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko in erster Linie nicht von Eis, sondern vielmehr von einer dunklen Staubschicht bedeckt ist.
(Bild: ESA)

Die entsprechenden Messungen von VIRTIS erfolgten zwischen dem 13. und dem 21. Juli 2014. In diesem Zeitraum verringerte sich der Abstand zwischen Rosetta und dem Zielkometen von anfangs 14.000 Kilometern auf eine Distanz von schließlich nur noch etwas mehr als 5.000 Kilometern. Trotzdem bedeckte der Komet auch zum Ende der Messkampagne in den Aufnahmen von VIRTIS nur eine Fläche von lediglich wenigen Pixeln. Aus diesem Grund konnten bei diesen Messungen auch keine räumlich eng begrenzten Oberflächenregionen erfasst werden, weshalb die gemessene Temperatur lediglich einen Mittelwert für die gesamte Kometenoberfläche repräsentiert. Vereinzelte Gebiete könnten laut der Meinung der Wissenschaftler durchaus noch tiefere Temperaturen aufweisen und dabei auch weiträumiger mit Eis bedeckt sein.

Geringere Entfernung bedeutet bessere Daten
„Mit der weiteren Annäherung der Rosetta-Sonde an den Kometen werden von nun an kontinuierlich räumlich immer höher aufgelöste Bilder und die entsprechenden Spektren aufgezeichnet“, so Dr. Gabriele Arnold weiter. Diese Daten werden es den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern ermöglichen, die Feinstruktur der Oberfläche des Kometenkerns, dessen chemische und mineralogische Zusammensetzung sowie verschiedene physikalische Parameter wie Temperatur und thermische Trägheit des Oberflächenmaterials zu untersuchen.
Derzeit befindet sich 67P noch in einer Entfernung von rund 543 Millionen Kilometer zu der Sonne und ist dementsprechend noch relativ ‚inaktiv‘. Rosetta wird den Kometen jedoch in den nächsten Monaten auf seinem weiteren Weg in das innere Sonnensystem begleiten. Aufgrund der somit kontinuierlich steigenden Temperaturen werden dabei auch in einem zunehmenden Umfang die leichtflüchtigen Bestandteile des Kometenkerns sublimieren und mit Geschwindigkeiten von bis zu einigen hundert Metern in der Sekunde in das umgebende Weltall entweichen. Dabei reißen diese freigesetzten Gase regelrechte Fontänen aus Staub mit sich. Diese Teilchen formen zunächst eine Koma, welche den Kometenkern vollständig einhüllt. Aus dieser Kometenkoma entwickelt sich aufgrund des von der Sonne ausgehenden Strahlungsdrucks anschließend auch der „Schweif“, welcher den Kometen ihr charakteristisches Aussehen verleiht.

ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA
Eine Aufnahme der Telekamera von OSIRIS, angefertigt um 04:48 MESZ am 1. August 2014. Die Entfernung zu dem Kometen betrug zu diesem Zeitpunkt rund 1.000 Kilometer. Bei dem dunklen Fleck handelt es sich nicht um eine Oberflächenstruktur, sondern um ein Bildartefakt .
(Bild: ESA, Rosetta, MPS for OSIRIS-Team MPS, UPD, LAM, IAA, SSO, INTA, UPM, DASP, IDA)

Dieser Prozess soll unter anderem mit dem VIRTIS-Instrument verfolgt und untersucht werden. Zu diesem Zweck wird das Instrument die Zusammensetzung des Kerns und die täglichen Veränderungen der Oberflächentemperatur in ausgewählten Regionen messen. Die dabei gewonnenen Daten werden es den Kometenforschern ermöglichen, den Aufbau von 67P und die dabei ablaufenden Prozesse besser zu verstehen. VIRTIS wird dabei auch detaillierte Informationen über die thermalen Bedingungen und die Struktur von potentiellen Landeplätzen für den Kometenlander Philae liefern und in Zusammenarbeit mit den anderen Instrumenten der Raumsonde dabei helfen, den optimalsten Landeplatz auszuwählen.

Der von Rosetta mitgeführten Kometenlander Philae soll nach dem derzeitigen Planungsstand im November 2014 die Oberfläche von 67P erreichen und diese anschließend mit weiteren zehn Instrumenten untersuchen.

Aktuelle Aufnahmen
Während der letzten Tag hat die ESA in täglichen Abständen Aufnahmen der Navigationskamera von Rosetta, veröffentlicht, welche dabei aufgrund der sich stetig verkürzenden Distanz zu dem Ziel eine immer höhere Auflösung erreichten. Allerdings wurde von der Navigationskamera bis zum letzten Donnerstag pro Tag lediglich eine Aufnahme angefertigt – und diese in Abständen von typischerweise jeweils 24 Stunden. Da 67P für eine vollständige Rotation 12,4 Stunden benötigt, wurde dabei gezwungenermaßen mehr oder weniger immer die gleiche Region der Kometenfläche abgebildet.
In den kommenden Wochen wird diese – wie der Name bereits verrät – ausschließlich für die Navigation von Rosetta gedachte Kamera den Kometen allerdings auch in kürzeren Abständen abbilden. Dadurch werden sich dann auch Ansichten ergeben, welche unterschiedliche Bereiche der Oberfläche zeigen. Eine solche ‚veränderte Sicht‘ sehen Sie in dem Foto am Anfang diese Berichtes, welches am 1. August aus einer Entfernung von 1.026 Kilometern zu dem Kometen angefertigt wurde.

Aus den bisher von der ESA veröffentlichten Aufnahmen der Navigationskamera, welche den Anflug auf 67P dokumentieren, hat Stefan Gotthold eine Animation erstellt. Diese finden Sie auf dieser Internetseite.

In etwa aus der gleichen Distanz fertigte die Telekamera des OSIRIS-Instruments – bei der OSIRIS-Kamera handelt es sich um die vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen entwickelte und betriebene Hauptkamera an Bord von Rosetta – ebenfalls ein Foto von 67P an, welches dabei deutlich mehr Details enthüllt als die vergleichbare Aufnahme der Navigationskamera.

Weitere Aufnahmen der Kameras von Rosetta können Sie in der Rosetta-Bildgalerie sowie im Rosetta-Blog der ESA einsehen und auf Ihren Computer herunterladen. Und vielleicht möchten Sie sich auch selbst an einer Nachbearbeitung dieser Aufnahmen versuchen?

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