Mit der fortschreitenden Annäherung an die Sonne nimmt die Aktivität des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko zwar langsam, aber doch deutlich nachweisbar zu. Diese Entwicklung kann direkt durch die Instrumente der Raumsonde Rosetta dokumentiert werden, welche sich seit mittlerweile einem Monat in der unmittelbaren Nähe dieses Kometen befindet.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: EPSC 2014.
Kometen sind Überreste aus der Entstehungsphase unseres Sonnensystems, welche sich auf teilweise stark elliptischen Umlaufbahnen um die Sonne bewegen. Den Großteil ihrer Existenz fristen diese auch als ’schmutzige Schneebälle‘ bezeichneten Objekte fernab der Sonne als kalte, nahezu unveränderliche Brocken, die aus einer Mischung aus Eis, Staub, Gesteinen und gefrorenen Gasen bestehen. Erst wenn sich ein Komet auf seiner langgezogenen Umlaufbahn der Sonne bis auf eine Entfernung von etwa fünf Astronomischen Einheiten – dies entspricht in etwa 750 Millionen Kilometern – nähert, setzt allmählich eine Verwandlung ein.
Aufgrund der durch die stetig sinkenden Entfernung zur Sonne immer weiter steigenden Temperaturen auf dessen Oberfläche sublimieren die leichtflüchtigen Bestandteile des Kometenkerns – in erster Linie handelt es sich dabei um gefrorenes Wasser, Kohlenstoffdioxid, Methan und Ammoniak – und entweichen mit Geschwindigkeiten von bis zu mehreren hundert Metern in der Sekunde in das umgebende Weltall. Dabei reißen diese freigesetzten Gase regelrechte Fontänen aus Staubpartikeln mit sich. Diese Teilchen formen zunächst eine Koma, welche den Kometenkern vollständig einhüllt. Aus dieser Kometenkoma entwickelt sich aufgrund des von der Sonne ausgehenden Strahlungsdrucks anschließend auch ein „Schweif“, welcher den Kometen ihr charakteristisches Aussehen verleiht.
Allerdings sind die dabei ablaufenden Prozesse längst noch nicht bis ins letzte Detail verstanden. Welche Faktoren setzen diesen Ausstoß von Gas und Staub in Gang? Wie entwickelt sich die Aktivität? Und welche Prozesse auf der Oberfläche und im Inneren des Kometenkerns spielen dabei welche Rolle?
Rosetta – Ein Platz in der ersten Reihe
Antworten auf diese und weitere Fragen erhoffen sich die Planetenforscher durch die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Rosetta, welche am 6. August 2014 das finale Ziel ihrer Reise – den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko (der Einfachheit halber ab hier als „67P“ abgekürzt) erreichte. Seitdem ‚begleitet‘ Rosetta diesen Kometen auf seinem Weg in das innere Sonnensystem und untersucht dieses Relikt aus der Entstehungsphase unseres Sonnensystems intensiv mit elf wissenschaftlichen Instrumenten.
Bereits im April 2014 entdeckte die OSIRIS-Kamera – die vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen entwickelte und betriebene Hauptkamera an Bord von Rosetta – die Anzeichen für eine den Kern des Kometen umgebende schwache Staubkoma. Spätere Analysen der Form und Ausdehnung dieser Koma führten zu dem Schluss, dass der dafür verantwortliche Staub vornehmlich aus einer Region von der Kometenoberfläche stammt, welche sich in Bezug auf die Rotationsachse des Kometen in der Nähe des ‚Nordpols‘ von 67P befindet.
Ende April konnte die Kamera zudem einen ‚Outburst‘ – einen plötzlich erfolgenden Anstieg in der Staubfreisetzungsrate – registrieren. Bei der Untersuchung dieses Ausbruchs kamen die beteiligten Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass die plötzlich zusätzlich freigesetzten Staubpartikel von einer zweiten Region ausgehen, welche nicht mit dem primären Ursprungsgebiet der freigesetzten Staubpartikel in Verbindung steht. In den folgenden Wochen verhielt sich 67P zunächst wieder ruhig.
In Juni 2014 konnte ein weiteres Instrument, das Mikrowellenradiometer MIRO, die Freisetzung von Wasserdampf beobachten und die damit verbundene Freisetzungsrate ermitteln. Nachfolgende Messungen ergaben, dass diese Freisetzungsrate bis Anfang Juli auf einen Wert von 500 Gramm Wasser pro Sekunde angestiegen ist.
Auch in den folgenden Monaten konnte mit den Instrumenten der Raumsonde eine leicht ansteigende Aktivität des Kometen registriert werden. Diese Aktivität fällt bisher allerdings eher gering aus und bewegt sich nur knapp oberhalb der ‚Minimalvorhersage‘ für die zuvor in verschiedenen Computermodellen berechnete zu erwartende Entwicklung.
Aktivitätszonen
Trotzdem gelang es den an der Rosetta-Mission beteiligten Wissenschaftlern mittlerweile auch einige der gegenwärtigen ‚Aktivitätszonen‘ ausfindig zu machen und diese näher zu untersuchen. Der Komet 67P setzt sich aus einem kleineren ‚Kopf‘, einem größeren ‚Körper‘ und einem schmalen ‚Hals‘ zusammen, welcher diese beiden Regionen verbindet. Anscheinend, so die bisherige Auswertung der Daten der OSIRIS-Kamera, geht die größte Aktivität gegenwärtig von genau diesem ‚Halsbereich‘ aus. Auf den OSIRIS-Aufnahmen sind dabei teilweise sogar einzelne von der dortigen Oberfläche ausgehende Jets aus Staubpartikeln deutlich zu erkennen.
Allerdings ist nicht der gesamte Hals ‚aktiv‘ und auch die aktiven Regionen setzen während eines kompletten ‚Kometentages‘ den Staub nicht in einem konstanten Maß frei. Vielmehr gehen die Jets von den Bereichen des Halses aus, wo die Oberfläche zugleich am hellsten erscheint. Dunklere Halsbereiche sind dagegen – zumindestens bisher – inaktiv. Zudem scheint die ‚Aktivität‘ in diesen hellen Regionen davon abzuhängen, wie diese Gebiete während der etwa 12,4 Stunden dauernden Rotationsperiode des Kometen auf die Sonne ausgerichtet sind. Messungen des aus zwei Massespektrometern bestehenden Instrumentenkomplexes ROSINA – dieses Instrument konnte mittlerweile übrigens ebenfalls freigesetzten Wasserdampf nachweisen – haben bestätigt, dass der Umfang der Aktivitäten in diesem Bereich des Kometen tatsächlich mit der dortigen ‚Tageszeit‘ in Verbindung steht.
Die Ausgangspunkte von einigen Jets können mittlerweile sogar bereits einzelnen Oberflächenformationen zugeordnet werden. Neben verschiedenen Gräben und Rissen fallen hier besonders mehrere kraterähnliche Gruben im Bereich des Halses auf. Nach einer entsprechende Bildbearbeitung ist auf einigen der hochaufgelösten OSIRIS-Aufnahmen zum Beispiel deutlich erkennbar, wie aus einem dieser fast kreisrunden ‚Löcher‘ gleich mehrere Jets austreten und sich dabei in leicht voneinander abweichende Richtungen orientieren. Quellen für weitere Jets müssen dagegen erst noch ermittelt werden.
Anfang September 2014 war dann schließlich sogar die Navigationskamera der Raumsonde in der Lage, einige der aus Gas und Staubpartikeln bestehenden ‚Jets‘ direkt nachzuweisen. Zum Zeitpunkt der Anfertigung der entsprechenden Aufnahmen, welche Sie in dem nebenstehenden Bild in Form einer Mosaikaufnahme sehen können, befand sich Rosetta in einer Entfernung von etwa 56 Kilometern zu dem Kometen.
Gegenwärtig weist 67P immer noch eine eher geringe Aktivität auf. Mit zunehmender Annäherung an die Sonne wird sich die Temperatur des Kometen jedoch noch weiter erhöhen, was dann auch eine noch weiter gesteigerte Freisetzungsrate von Gas und feinen Staubpartikeln zur Folge haben wird. Die weitere Untersuchung dieser langsam ansteigenden Aktivität ist eines der erklärten Ziele der Rosetta-Mission. Die Auswertung der dabei zu gewinnenden Daten wird das Wissen der Menschheit über die Natur der Kometen und damit auch über die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der Menschheit ungemein erweitern.
Öffentlichkeitsarbeit…
Die hier leider lediglich nur kurz angerissenen Forschungsergebnisse wurden am gestrigen Tag auf dem European Planetary Science Congress, einer gegenwärtig in der Nähe von Lissabon stattfindenden Fachtagung der Planetenforscher, vorgestellt. Einige der im Rahmen der damit verbundenen Präsentationen gezeigten Aufnahmen der OSIRIS-Kamera haben selbst bei ‚gestandene Wissenschaftlern‘, die nicht in die Rosetta-Mission involviert sind und somit keinen Zugriff auf diese Bilder haben, für Aufsehen gesorgt und ein Raunen hervorgerufen.
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