Schrottplatz auf dem Mars

Ein Sprichwort von der Erde gilt auch auf dem Mars: Des einen Schrott ist des anderen Goldmine – in diesem Fall verbeulte und verbrannte Teile eines Hitzeschildes.

Autor: Axel Orth.

Von rechts nach links: Die Aufschlagstelle, das Flankenstück und der zeltförmige Hauptteil des Hitzeschildes (koloriertes Schwarzweißbild).
(Bild: NASA/JPL/Raumfahrer.net)

Der Marsrover Opportunity umkreist derzeit Überreste seines eigenen Eintritts-, Abstiegs- und Landesystems, die vor knapp einem Jahr auf den Planeten gefallen sind. Sowohl Wissenschaftler als auch Ingenieure finden eine nähere Betrachtung der ramponierten Eintrittsschild-Teile wertvoll, die in großer Höhe über dem Mars abgestoßen wurden und mit einem dumpfen Schlag auf die Meridiani-Ebene fielen.

Der Rover hat sich mehrere Tage lang den demolierten Teilen genähert. Jetzt ist er in der richtigen Position, detaillierte Betrachtungen mit seinem Roboterarm zu starten.

Der Hauptteil von Opportunitys Hitzeschild.
(Bild: NASA/JPL)

Selbst angefertigt

Niemand hätte glücklicher über Opportunitys Spazierfahrt durch aufgemischte Teile sein können als Bill Willcockson. Er leitete die Arbeiten an den Atmosphären-Eintrittssystemen der Marsrover bei Lockheed Martin Space Systems in der Nähe von Denver.

„Es ist wirklich erstaunlich, etwas, was Sie mal genau hier in Ihrer Heimatstadt angefertigt haben, genau dort auf dem Mars wieder zu sehen. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl“, sagte Willcockson.

Der Plan für Opportunity sieht nun vor, zu einem der großen Teile des Hitzeschildes zu rollen und dann den Roboterarm mit der Mikroskop-Kamera in Stellung zu bringen. Diese wird, wie er sagte, das Hitzeschutzsystem des Schildes sorgfältig untersuchen.

Der Hauptteil, über den eine Folie hängt wie ein Zelt, von der anderen Seite. Oben rechts der „Endurance-Krater“ und die Radspuren des Rovers.
(Bild: NASA/JPL/Raumfahrer.net)

„Wir denken, dass wir einige gute Stellen sehen werden, wo das äußere Schutzmaterial noch sichtbar ist. Aber wir wissen es nicht sicher, so lange wir nicht wirklich darauf sehen können“, sagte Willcockson.

Künstlicher Meteor

Der Rover rollt herum, um zwei große Teile des Hitzeschildes zu untersuchen. Da wäre zunächst ein größeres Segment, das wie ein Zelt aussieht, das jemand auf dem Mars aufgestellt hat. Der andere Haufen Schrott ist das sogenannte Flankenstück, wie Willcockson bemerkte.

„Der Schild kam mit um die 270 Kilometer pro Stunde herunter und knallte hier auf den Boden, richtig schön mit der Nase voraus. Er stanzte dieses flache Loch in den Boden, prallte noch einmal hoch und brach dabei auseinander, wobei die beiden großen Teile dort zu liegen kamen wo sie jetzt sind, ein paar Meter auseinander“, sagte Willcockson.

Die Trümmer des unscheinbaren „Flankenstücks“, für das sich die Ingenieure aber besonders interessieren. Im Hintergrund die Aufschlagstelle.
(Bild: NASA/JPL)

Die Einschlagzone ist mit lauter kleinen Teilen und Stückchen des Hitzeschutzsystems übersät, sowie weiterer Trümmerteile wie etwa Federn, die den Hitzeschild beim Atmosphäreneintritt vom Lander abstießen. Von da an fiel der 90 Kilogramm schwere Schild etwa sieben Kilometer tief, bevor er auf die Marsoberfläche hämmerte. Der kleine Einschlagskrater könnte den Wissenschaftlern weitere Hinweise über die Bodeneigenschaften liefern, fügte Willcockson hinzu.

Interessante Ziele

„Wir haben eine zweite Trümmerstelle umkreist, die wir ‚Flankenstück‘ nennen“, bemerkte Christine Szalai, die Leiterin des Hitzeschild-Beobachtungsteams des JPL. „Das sind einige Teile, die beim Aufprall aus dem Hauptschild gebrochen sind.“

Das Flankenstück aus der Nähe. Man beachte die Honigwabenstruktur (zum Vergrößern anklicken).
(Bild: NASA/JPL)

Szalai sagte, dass eine Liste von „interessanten Zielen“ erstellt wurde – Ziele, auf die des Rovers Mikroskop-Kamera angesetzt werden soll, um Querschnitte entlang der Bruchkanten zu gewinnen.

„Diese Daten werden uns hoffentlich etwas über die Verkohlungstiefe über die Dicke des Hitzeschutzmaterials sagen. Wenn wir damit fertig sind, werden wir den Weg zum Haupthitzeschild fortsetzen und weitere Bilder aus der Nähe aufnehmen“, erklärte Szalai.

Das unbekannte Unbekannte

Bei näherer Betrachtung hoffen Ingenieure die Tiefe der Verkohlungsschicht sehen zu können, die sich auf dem Hitzeschutzmaterial gebildet hat – ein Maß dafür, wie gut der Hitzeschild den heißen Temperaturen widerstanden hat, als er wie ein glühender Meteor durch die Marsatmosphäre stürzte.

Aufnahme der Mikroskopkamera. Oben das verbrannte Hitzeschutzmaterial, darunter die stabilisierende Honigwabenstruktur (zum Vergrößern anklicken).
(Bild: NASA/JPL)

„Ein halber Zentimeter, nehmen wir an, aber es kann auch mehr oder weniger sein. Dies ist die erste Chance, die Verkohlung auf der Oberfläche eines anderen Planeten zu messen“, führte Willcockson aus. Eintrittssysteme werden generell nicht telemetriert, sagte er, „also haben wir bislang keine Vorstellung, wie gut oder schlecht es funktioniert hat. Wir wissen immer nur, ob es funktioniert hat oder nicht.“

Die Daten aus der Untersuchung des Hitzeschildes werden nützlich sein beim Entwurf und beim Test zukünftiger Hitzeschilder. Sie werden helfen, ein besseres Verständnis zu entwickeln, wie das Hitzeschutzsystem in einer realen Umgebung reagiert und dabei helfen, mit dem „unbekannten Unbekannten“ besser zurecht zu kommen, wie Willcockson sich ausdrückte.

„Eine solche Erfahrung bietet sich nur einmal im Leben“, schwärmte er, „eine einmalige Gelegenheit, an einmalige Informationen zu kommen.“

Undurchdringliche Barriere

Wohin führt der Weg für Opportunity nun, nach diesem Ausflug auf einen interessanten Schrottplatz ausgedienter Weltraumhardware?

Steve Squyres, Chefwissenschaftler von der Cornell-Universität für die beiden Marsrover, sagte, dass der Roboter einen sehr schwierigen Einsatz vor sich hat. Sein nächstes Fahrtziel ist ein wie „geätzt“ aussehendes Terrain südlich vom „Endurance-Krater“, in dem er die letzten sechs Monate wissenschaftliche Arbeit ausführte.

„Die Entfernung bis zu diesem Terrain beträgt ungefähr drei Kilometer, das ist schon ein sehr aggressives Ziel. Wenn wir dieses raue Terrain erreichen können, rechnen wir damit, dass seine Erforschung allerhand Zeit und Mühe erfordern wird“, sagte Squyres. „Wir wissen im Moment nicht, ob es möglich sein wird, eine größere Strecke in das Terrain hinein zu traversieren. Aus dem Orbit sieht es jedenfalls ganz schön schroff aus, somit könnte es eine undurchdringliche Barriere für weitere Erforschung nach Süden sein. Wir werden es sehen, wenn wir dort sind.“

Jenseits des rauen Terrains ist der große „Victoria-Krater“. Die Chancen, des Rovers, dieses geologische Paradies zu erreichen „sind wahrscheinlich nicht gut“, sagte Squyres. „Aber wenn wir es irgendwie durch das raue Terrain schaffen können, dann wäre ‚Victoria‘ ein sehr spannendes nächstes Ziel.“

Ferner kündigte Squyres an, dass er auf einer Pressekonferenz nächste Woche ein interessantes Zwischenziel vorstellen wird, auf dem Weg zwischen dem „Hitzeschild-Schrottplatz“ und dem rauen Terrain.

Quelle: Leonard David/Space.com
Deutsche Übersetzung: Axel Orth

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