Physik-Studierende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben in den vergangenen zwölf Monaten ein Messinstrument für kosmische Strahlung gebaut. Der Detektor ist eines von vier Experimenten, die Anfang Oktober an Bord eines Forschungsballons in die Stratosphäre aufsteigen werden. Eine Pressemeldung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU).
Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) 17. September 2024.
17. September 2024 – Wie fühlt es sich an, bei einer Mission zur Grenze zwischen Erde und Weltall mitzuarbeiten? „Ziemlich cool“, sagt Hannes Ebeling. „Wir sind schließlich eines von lediglich neun europäischen Teams, die diese Chance bekommen haben. Das hat uns schon riesig gefreut.“
„Wir“ – das ist ein Grüppchen von zehn angehenden Physikerinnen und Physikern der Abteilung für Extraterrestrische Physik der CAU, das sich vor einem Jahr für die Teilnahme am sogenannten BEXUS-Projekt beworben hat. Das Akronym steht für „Balloon Experiments for University Students“, und dieser Name ist Programm: Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die schwedische Raumfahrtbehörde SNSA geben darin Studierenden die Möglichkeit, ein wissenschaftliches Experiment an Bord eines Ballons in die Stratosphäre zu schicken.
Strahlungs-Detektor überzeugte die Jury
„Man reicht dazu zunächst seinen Vorschlag ein und stellt ihn ein paar Wochen später bei einer Konferenz vor“, sagt Ebeling, der das Projekt zusammen mit seiner Kommilitonin Ava Pohley geleitet hat. „Wir wollten einen Detektor bauen, mit dem sich kosmische Strahlung analysieren lässt. Diese entsteht beispielsweise bei der Explosion von Sternen und kann Satelliten oder Raumsonden schädigen; daher ist es wichtig, ihre Intensität und Zusammensetzung zu kennen. Uns ist es gelungen, die Jurorinnen und Juroren von unserem Vorhaben zu überzeugen.“
Doch noch existierte die Idee lediglich auf dem Papier. Die Umsetzung in die Praxis war ziemlich fordernd: In regelmäßigen Abständen musste das Team sogenannte Reviews durchlaufen. Darin stellte es einem Gremium von BEXUS-Expertinnen und -Experten den aktuellen Stand seines Experiments vor. „Dabei kamen dann wie bei einem wirklichen Raumfahrt-Projekt immer wieder Verbesserungsvorschläge, die wir umsetzen mussten“, erklärt Ava Pohley.
Das Ergebnis der vielen hundert Stunden Arbeit sieht auf den ersten Blick unspektakulär aus: eine weiße Kiste, aus der einige Kabel heraushängen. Doch die Box hat es im wahrsten Sinne des Wortes in sich: Sie enthält eine ganze Reihe verschiedener Sensoren. Kernstück ist aber der sogenannte Cherenkov-Detektor. Er besteht aus einem quaderförmigen Aerogel-Block. Das Aerogel ist transparent und besteht zu mehr als 99 % aus Luft. Es ist also unglaublich leicht und fragil.
Aerogel hilft, schwere von leichten Teilchen zu unterscheiden
Die Lichtgeschwindigkeit in diesem schwammartigen Feststoff liegt nicht wie in Vakuum bei 300.000, sondern bei 286.000 Kilometern pro Sekunde. „Wir nutzen diese Eigenschaft aus, um herauszufinden, aus welchen Teilchen die kosmische Strahlung in der Stratosphäre besteht“, sagt Pohley.
Grundlage dafür ist ein Effekt, der bereits 1934 vom russischen Physiker Pavel Cherenkov entdeckt wurde: Wenn geladene Teilchen sich in bestimmten Medien schneller als das Licht fortbewegen, erzeugen sie dabei selbst Licht. Die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit lässt sich nicht überschreiten, die in einem Aerogel dagegen schon. „Je leichter ein Teilchen ist, desto weniger Energie benötigt es, um sich darin schneller als mit der dort gültigen Lichtgeschwindigkeit fortzubewegen“, erklärt Hannes Ebeling.
Dieser Zusammenhang lässt sich nutzen, um schwere Teilchen in der kosmischen Strahlung – beispielsweise Protonen oder Helium-Kerne – von den deutlich leichteren Elektronen zu unterscheiden. „Und das ist es, was wir mit unserem Cherenkov-Detektor tun“, sagt der Sprecher der CAU-Gruppe, die ihr Messinstrument auf den Namen „CHAOS“ (Cherenkov Atmospheric Observation System) getauft hat.
Start für Anfang Oktober geplant
Ob sich die ganze Mühe gelohnt hat, wird sich Anfang Oktober im schwedischen Kiruna zeigen. Am 1. Oktober oder den Tagen danach (der genaue Zeitpunkt hängt vom Wetter ab) wird der Cherenkov-Detektor made in Kiel von dort an Bord eines Forschungs-Ballons in die Stratosphäre aufsteigen, zusammen mit den Experimenten von drei anderen Gruppen (die restlichen fünf Experimente werden bei einem zweiten Flug transportiert). Verläuft alles nach Plan, hat der Ballon nach 1,5 Stunden seine Zielhöhe von rund 26 Kilometern erreicht. Die Messungen werden mehrere Stunden dauern. Nach Landung des Ballons werden die Experimente an Bord ausgewertet.
Ein Teil des CAU-Teams reist bereits am 27. September in die nördlichste Stadt Schwedens, um dort alles vorzubereiten. Der Rest kommt am 1. Oktober nach. „Normalerweise werden solche kompakten Cherenkov-Detektoren nicht für die Messung kosmischer Strahlung in der Atmosphäre eingesetzt“, betont Ava Pohley. „Wir wollen demonstrieren, dass sich dieses Messprinzip sehr gut auch für diesen Zweck nutzen lässt.“
Text: Frank Luerweg
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