SUNRISE enthüllt magnetische Grundbausteine der Sonne

Am 8. Juni 2009 startete ein mit Helium befüllter Forschungsballon von der Weltraumbasis Esrange im nordschwedischen Kiruna. Im Rahmen eines 130 Stunden dauernden Fluges wurde unsere Sonne dabei mit Hilfe mehrerer Instrumente untersucht. Erste Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden jetzt in einer Fachzeitschrift publiziert.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Vertont von Peter Rittinger.

Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
Diese Aufnahme des IMaX-Instrumentes zeigt die erkennbare Granulation in der Photosphäre der Sonne.
(Bild: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung)

Das als internationales Projekt unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) hergestellte und betriebene Sonnenobservatorium Sunrise startete am 8. Juni des vergangenen Jahres zu einem 130-stündigen Flug um den Nordpol der Erde (Raumfahrer.net berichtete). Neben einem Sonnenteleskop und ausgeklügelten Mechanismen zur Bildstabilisierung trug das Observatorium zwei wissenschaftliche Instrumente an Bord, welche das Magnetfeld der Sonne eingehend untersuchen sollten. Bei dem ersten Instrument handelte es sich dabei um den Sunrise Filter Imager (SuFI), welcher unter Leitung des MPS entwickelt und gebaut wurde. Das zweite Instrument, das Imaging Magnetograph eXperiment (IMaX), entstand in einem spanischen Konsortium unter der Leitung des Instituto de Astrofisica de Canarias. Zu den weiteren Kooperationspartnern der Sunrise-Mission zur Untersuchung unseres Zentralgestirns zählen das Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik in Freiburg und das High Altitude Observatory in den USA.
Die Oberfläche unserer Sonne befindet sich in ständiger Bewegung. Aus dem Sonneninneren steigt permanent heißes Plasma auf, welches sich bei diesem Aufstieg abkühlt und anschließend wieder hinab sinkt. In der Photosphäre, der etwa 400 Kilometer dicken obersten Schicht der Sonne, bilden diese Plasmabewegungen Tausende von Kilometern große, netzförmig erscheinende Strukturen, welche von den Wissenschaftlern auch als Granulen bezeichnet werden. Unter den hellen, heißeren Bereichen dieser Strukturen steigt das Plasma auf, an den dunklen, kühleren Rändern sinkt es dagegen wieder ab.

Die Plasmaströme der Sonne sind dabei untrennbar mit deren magnetischen Eigenschaften verknüpft, da sich die Bewegungsenergie der Ströme in magnetische Energie umwandelt. Die auf diese Weise entstehenden Magnetfelder zeigen sich zum Beispiel in den dunklen Sonnenflecken, welche manchmal sogar einen größeren Durchmesser als die Erde aufweisen können.

Doch das Magnetfeld der Sonne verfügt auch über deutlich kleinere Strukturen. Hinweise auf diese Bereiche liefern kleine, helle Punkte zwischen den einzelnen Granulen. Dort drängen die starken Magnetfelder das heiße Plasma nach Außen, so dass den Wissenschaftlern an diesen Stellen ein tieferer Blick in das Innere der Sonne möglich ist. Die Helligkeit dieser auch als „bright points“ bezeichneten Zonen liegt dabei in den höheren Temperaturen begründet, welche in diesen speziellen Bereichen herrschen.

Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
Helle Punkte in der Photosphäre der Sonne deuten auf starke Magnetfelder hin. Oberes Bild: Diese Aufnahme des Instruments IMaX zeigt den Intensitätsverlauf solcher Punkte und ihrer unmittelbare Umgebung. Unteres Bild: Der dazugehörige Verlauf der Magnetfeldstärke. Als Größenvergleich wurde in beiden Bildern die Größe Deutschlands eingezeichnet.
(Bild: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung)

Obwohl diese hellen Punkte durch die Aufnahmen einiger großer Sonnenteleskope sichtbar gemacht werden können, ließen sich ihre physikalischen Eigenschaften wie etwa die dortige Stärke des Magnetfeldes bisher nicht eindeutig bestimmen. Ohne die genaue Kenntnis dieser Werte gestaltet sich die Sonnenforschung jedoch problematisch und unvollständig. „Ohne diese Kenntnisse fehlte eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein grundlegendes Verständnis der magnetischen Vorgänge auf der Sonne“, so Prof. Dr. Sami K. Solanki, Direktor des MPS. Es ist, so ein Vergleich, als wolle man einen Ameisenhaufen untersuchen, ohne dabei die einzelnen Ameisen erkennen und beschreiben zu können.

Erst das Sonnenobservatorium Sunrise vereinigte schließlich die entscheidenden Eigenschaften, welche zur Untersuchung dieser Regionen notwendig sind: eine hohe räumliche Auflösung von etwa 100 Kilometern und hochpräzise Instrumente, die unter anderem die Stärke der Magnetfelder der Sonne messen können. Bei seinem Flug im vergangenen Jahr trug ein mit Helium gefüllter Forschungsballon das Observatorium bis auf eine Höhe von 37 Kilometern in die Stratosphäre der irdischen Atmosphäre. In dieser Höhe hatte Sunrise den Großteil der Erdatmosphäre und somit auch die bei der bildlichen Abbildung störenden Luftverwirbelungen unter sich gelassen. Mit einem Spiegeldurchmesser von einem Meter ist Sunrise das größte Sonnenteleskop, das jemals den Erdboden verlassen hat. Anders als erdgebundene Teleskope konnte Sunrise dabei auch die ultraviolette Strahlung der Sonne untersuchen, die in der Erdatmosphäre absorbiert und somit aus dem auf der Erdoberfläche erkennbaren Sonnenlicht herausgefiltert wird.

Im Laufe der letzten Monate werteten Wissenschaftler des MPS, des Kiepenheuer-Instituts für Sonnenphysik sowie weiterer Partnereinrichtungen die Messungen aus, die ihnen im vergangenen Sommer gelungen waren. „Die Instrumente von Sunrise konnten Strukturen von nur hundert Kilometern Größe auflösen“, so Prof. Dr. Solanki. Dies ist vergleichbar mit der detaillierten Untersuchung einer Ein-Euro-Münze aus 30 Kilometern Entfernung. Durch diese hohe Auflösung war es dabei auch erstmals in der Geschichte der Sonnenforschung möglich, die hellen Punkte in der Photosphäre näher zu charakterisieren. Mit bis zu 1,8 Kilogauss, so die Resultate, ist das Magnetfeld der Sonne in diesen Bereichen bis zu 3000-mal so stark wie das Magnetfeld der Erde. Die Temperatur liegt dort um etwa 1.000 Grad Celsius höher als in der unmittelbaren nichtmagnetischen Umgebung. „Theoretische Berechnungen legen nahe, dass diese heißen, magnetischen Strukturen einzelnen magnetischen Flussröhren entsprechen“, so Dr. Andreas Lagg vom MPS. Diese Flussröhren stellen die Basiseinheiten des Sonnenmagnetfeldes dar.

Zudem konnten die Wissenschaftler erstmals auch die Helligkeit der hellen Punkte im Bereich der ultravioletten Strahlung (UV-Strahlung) bestimmen. Diese ist etwa fünf Mal stärker als in der unmittelbaren Umgebung. „Nur so ist es möglich, den Beitrag der hellen Flecken zu den Helligkeitsschwankungen der Sonne abzuschätzen“, so Tino Riethmüller vom MPS, welcher damit auch die praktische Bedeutung dieser Messungen darlegt. Da die Atmosphäre unseres Heimatplaneten die UV-Strahlung der Sonne fast vollständig absorbiert, spielt dieser Teil des von der Sonne ausgestrahlten Lichts eine wichtige Rolle bei der Erwärmung der oberen Luftschichten der Erdatmosphäre. Das Wissen über die solare UV-Strahlung ist aus diesem Grund eine entscheidende Grundlage für die Erforschung des Klimas auf unserem Heimatplaneten und dessen zukünftige Entwicklung. Nur mit den entsprechenden Daten ist es möglich, den Anteil der globalen Erwärmung, der von der Menschheit direkt verursacht wird, vom „natürlichen“ Einfluss der Sonne zu trennen. Die Helligkeitsschwankungen der Photosphäre, die Sunrise wie keine Mission zuvor sichtbar machte, spiegeln zudem detailliert die Temperaturverläufe an der Sonnenoberfläche wieder.

Die vorläufigen Ergebnisse der Sunrise-Forschungen wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Astrophysical Journal“ im Rahmen von insgesamt 12 Artikeln publiziert (The Astrophysical Journal Letters, 723, L127 – L189).

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