Der ExoMars Trace Gas Orbiter bringt in seinem ersten Jahr in der Mars-Umlaufbahn gleich zwei wissenschaftliche Highlights zutage. Eine Information der Europäischen Raumfahrtagentur (European Space Agency, ESA).
Quelle: ESA.
11. April 2019 – Die Satellitendaten zeigen zum einen, wie sich ein kürzlich aufgetretener, planetenweiter Staubsturm auf den Wassergehalt in der Mars-Atmosphäre auswirkte und zeigen zum anderen einen überraschenden Methanmangel auf.
Zwei Aufsätze, die gestern im Wissenschaftsmagazin Nature erschienen, beschreiben die neuen Ergebnisse, die zeitgleich auf einer Pressekonferenz bei der European Geosciences Union in Wien vorgestellt wurden.
Ein dritter Aufsatz, der bei der Zeitschrift Proceedings of the Russian Academy of Science eingereicht worden ist, präsentiert die bisher detailreichste Karte über das Vorkommen von Wassereis oder hydratisierten Mineralien im oberflächennahen Marsuntergrund.
Das ExoMars-Programm ist ein Gemeinschaftsprojekt von ESA und Roscosmos. Der ExoMars Trace Gas Orbiter, kurz TGO, erreichte den Mars im Oktober 2016 und führte über ein Jahr lang Atmosphärenbremsungs-Manöver aus, um seinen wissenschaftlichen Orbit zu erreichen. In einer Höhe von 400 Kilometern über der Marsoberfläche braucht er nun zwei Stunden, um den Planeten zu umkreisen.
„Wir freuen uns über die ersten Ergebnisse des Spurengasorbiters“, sagt Håkan Svedhem, TGO-Projektwissenschaftler der ESA.
„Unsere Instrumente funktionieren einwandfrei und haben schon während der ersten Einsatzmonate hervorragende Daten auf einem viel höheren Niveau als je zuvor geliefert.“
Die Hauptmission des Spurengasorbiters hat Ende April 2018 begonnen, nur wenige Monate bevor ein Staubsturm aufzog, der den gesamten Planeten einhüllen und letztlich zur Beendigung der Opportunity-Mission der NASA führen sollte – der Marsrover der NASA erforschte 15 Jahre lang die Oberfläche des Roten Planeten.
TGO konnte dagegen aus der sicheren Entfernung in seinem Orbit heraus einzigartige Beobachtungen tätigen. Er dokumentierte das Aufziehen und die Entwicklung des Sturms und beobachtete, wie die zunehmende Staubentwicklung den Wasserdampf in der Atmosphäre beeinflusste. Letzteres trägt wesentlich zum Verständnis bei, wie sich das Wasservorkommen auf dem Mars über die Zeit veränderte.
Forscher machen sich den Staubsturm zunutze
NOMAD und ACS, zwei Spektrometer an Bord des Spurengasorbiters, führten die ersten hochauflösenden Messungen mit der Methode der solaren Okkultation durch. Dabei untersuchen sie, wie das Sonnenlicht von der Atmosphäre absorbiert wird, um die chemischen Fingerabdrücke der Bestandteile zu offenbaren.
So wurde eine vertikale Verteilung von Wasserdampf und „mittelschwerem Wasser“ – bei dem ein Wasserstoffatom durch ein Deuterium-Atom, also einer Wasserstoffart mit einem zusätzlichen Neutron, ersetzt wird – nah an der Marsoberfläche und bis in eine Höhe von über 80 Kilometern entdeckt. Die neuen Ergebnisse legen dar, welchen Einfluss Staub in der Atmosphäre auf Wasser hat und wie Wasserstoffatome in den Weltraum entweichen.
„An den nördlichen Breitengraden haben wir Merkmale entdeckt, wie etwa Staubwolken in Höhen von 25 bis 40 Kilometern, die vorher noch nicht da waren. An den südlichen Breitengraden konnten Staubschichten nachgewiesen werden, die noch höher aufstiegen“, so Ann Carine Vandaele, leitende Forscherin für das NOMAD-Instrument am Belgischen Institut für Weltraum-Aeronomie.
„Der Wasserdampf hat sich außergewöhnlich schnell in der Atmosphäre ausgedehnt. Dies geschah innerhalb weniger Tage vor dem Aufzug des Sturms, was uns zeigt, wie rasch die Atmosphäre auf den Staubsturm reagierte.“
Diese Observationen stehen im Einklang mit globalen Zirkulationsmodellen. Staub absorbiert die Sonnenstrahlung, erwärmt das umliegende Gas und bringt es dazu, sich auszudehnen. Andere Atmosphärenbestandteile, zum Beispiel Wasser, müssen sich dann über breitere vertikale Bereiche umverteilen. Zudem vergrößert sich der Temperaturunterschied zwischen den Äquator- und Polregionen, wodurch die atmosphärische Zirkulation angeregt wird. Gleichzeitig bilden sich, wegen der höheren Temperaturen, weniger Wassereis-Wolken, die den Wasserdampf in niedrigeren Höhen binden würden.
Die Wissenschaftler beobachteten zudem erstmalig das gleichzeitige Auftreten von mittelschwerem Wasser und Wasserdampf. Damit konnten wichtige Informationen über die Prozesse, die die Menge der ins All entweichenden Wasserstoff- und Deuterium-Atome steuern, gewonnen werden. Ebenso kann aus diesen Daten das Deuterium-Wasserstoff-Verhältnis (D/H) abgeleitet werden, was eine wichtige Kennzahl für die Entwicklung des Wasserinventars auf dem Mars ist.
„Wir wissen nun, dass das Wasser in der Marsatmosphäre, ganz gleich ob deuteriert oder nicht, sehr sensibel auf das Vorhandensein von Eiswolken reagiert. Diese hindern es nämlich daran, in höhere Atmosphärenschichten aufzusteigen. Während des Sturms gelangte Wasser allerdings in sehr hohe Schichten“, sagt Vandaele. „Unsere Modelle haben das schon lange vorhergesagt, aber nun haben wir es zum allerersten Mal tatsächlich beobachtet.“
Da die Wissenschaftler davon ausgehen, dass sich das D/H-Verhältnis mit den Jahreszeiten und den Breitengeraden ändert, sammelt TGO kontinuierlich regionale und saisonale Messwerte, die das wissenschaftliche Verständnis der wirkenden Prozesse weiter voranbringen sollen.
Weitere Erkenntnisse über das rätselhafte Mars-Methan
Die beiden komplementären Instrumente haben damit begonnen, die Spurengase in der Marsatmosphäre zu messen. Spurengase machen weniger als 1 Prozent des Atmosphärenvolumens aus. Ihre genaue chemische Zusammensetzung kann nur mit hochpräzisen Messtechniken bestimmt werden. Das Spurengasvorkommen wird üblicherweise in „parts per billion by volume“, also Volumenmischungsverhältnisse (ppbv) gemessen. Das Methaninventar der Erde beträgt beispielsweise 1.800 bbpv, was bedeutet, dass auf 1 Milliarde Moleküle 1.800 Methanmoleküle kommen.
Methan ist für die Marswissenschaftler von besonderem Interesse, weil es ein Anzeichen für Leben sowie für geologische Prozesse sein kann. Auf der Erde stammen 95 Prozent des Methans in der Atmosphäre aus biologischen Prozessen. Die Sonnenstrahlung braucht mehrere Hundert Jahre, um Methan zu zersetzen. Das bedeutet, dass jedes Molekül, das heute gefunden wird, relativ zeitnah entstanden sein muss – auch wenn das Methan selbst vor Millionen oder Milliarden von Jahren produziert worden ist und seitdem in unterirdischen Lagerstätten schlummert. Spurengase werden darüber hinaus in Schichten nahe der Planetenoberfläche Tag für Tag durchgewirbelt. Wendet man globale Windzirkulationsmodelle für die Berechnung an, wird das Methan so innerhalb weniger Monate gleichmäßig um den Planeten herum verteilt.
Berichte über Methan in der Marsatmosphäre wurden und werden intensiv diskutiert, da die entsprechenden Nachweise nur sehr sporadisch erbracht werden konnten (in Bezug auf die Zeit als auch auf den Fundort) und oftmals in den Nachweisgrenzbereich der jeweiligen Instrumente fielen. Im Jahr 2004 lieferte die ESA-Marssonde Mars Express eine der allerersten Messungen aus einem Orbit heraus. Diese ließen auf einen Methangehalt von 10 bbpv schließen.
Bodenbasierte Teleskope zeigten sowohl gar kein Methan als auch nur ein flüchtiges Vorkommen von bis zu 45 ppbv auf. Messungen des NASA-Marsrovers Curiosity, der den Gale-Krater seit 2012 erforschte, ließen auf ein jahreszeitlich schwankendes Methanlevel von 0,2 bis 0,7 ppbv schließen, zeigten aber auch einige Spitzen mit höheren Methangehalten auf. Auch Mars Express hat kürzlich eine Methanspitze aufgezeichnet, und zwar einen Tag nachdem Curiosity eins der höchsten Level überhaupt gemessen hatte.
Die neuen Ergebnisse des Spurengasorbiters bieten die bisher detaillierteste Analyse. Es wurde eine Obergrenze von 0,05 ppbv gemessen – also 10 bis 100 Mal weniger Methan als die bisherigen Observationen ergaben. Die präziseste Nachweisgrenze von 0,012 ppbv wurde in einer Höhe von 3 Kilometern gemessen.
Als Obergrenze entspricht der Wert von 0,05 ppbv einer Emission von bis zu 500 Tonnen Methan über eine vorhergesagte Lebensdauer des Moleküls von 300 Jahren, wenn man nur die atmosphärischen Zersetzungsprozesse betrachtet. Allerdings ist diese Menge über die gesamte Atmosphäre hinweg verteilt, was den Wert extrem niedrig erscheinen lässt.
„Wir haben wunderbare und genaue Daten, die uns anzeigen, dass dort, wo wir eigentlich Methan erwarten würden, Wasser ist. Trotzdem kommen wir nur auf eine bescheidene Höchstgrenze, die auf eine umfassende Abwesenheit von Methan schließen lässt“, sagt Oleg Korablev, leitender Forscher ACS vom Institut für Weltraumforschung an der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau.
„Die hochpräzisen Messungen des TGO scheinen in Widerspruch zu den vorherigen Observationen zu stehen. Um die verschiedenen Datensätze miteinander in Einklang zu bringen und um festzustellen, wie es überhaupt zu dem schnellen Übergang von früher berichteten Schwaden zu den offensichtlich sehr niedrigen Hintergrundwerten kommen kann, müssen wir herausfinden, welcher Prozess Methan in oberflächennahen Bereichen zersetzt.“
„Die Frage, ob auf dem Mars überhaupt Methan vorhanden ist und wo dieser herkommen könnte, löste eine heftige Debatte aus. Nun stehen wir vor ebenso interessanten Fragen: Wohin und wie verschwindet dieses Methan? Und wie schnell kann es verschwinden?“, so Svedhem.
„Noch haben wir nicht alle Teile zusammengebracht. Dabei wird uns TGO helfen – denn er misst die Marsatmosphäre in einer nie zuvor erreichten Genauigkeit und mit den besten Instrumenten, die wir derzeit haben. So werden wir besser verstehen können, wie aktiv dieser Planet ist – sowohl geologisch als auch biologisch.“
Messergebnisse liefern die bisher ausführlichste Karte von Wasservorkommen
Während die Experten weiterhin darüber streiten, ob und warum es Methan gibt, steht eins fest: Es gab und gibt Wasser auf dem Mars. Heute kommt es in der Form von Wassereis oder durch Wasser hydratisierten Mineralien vor. Und wo Wasser war, da kann es auch Leben gegeben haben.
Um herauszufinden, wo genau und wann es wie viel Wasser gab, kartografiert FREND, der Neutronendetektor an Bord des TGO, die Wasserstoffverteilung unter der unmittelbaren Planetenoberfläche (bis zu einer Tiefe von 1 Meter). Wasserstoff ist ein Anzeichen für das Vorhandensein von Wasser, da es ein Bestandteil des Wassermoleküls ist. Darüber hinaus kann es darauf hinweisen, dass Wasser von der Planetenoberfläche absorbiert wurde, oder dass es Mineralien gibt, die unter Anwesenheit von Wasser entstanden sind.
Das Kartografieren wird etwa ein Marsjahr, also fast zwei Erdjahre, dauern. Am Ende werden die besten bis dato verfügbaren Kenngrößen zur Verfügung stehen, mit denen die bisher qualitativ ausführlichste Karte erstellt werden kann. Allerdings übertreffen bereits die ersten Karten, die auf Basis innerhalb von wenigen Monaten erstellt wurden, bereits die Auflösung früherer Messungen.
„In nur 131 Tagen hat das Instrument eine Karte erstellt, die eine höhere Auflösung aufweist als diejenige, die mit den Daten des Vorgängers an Bord der NASA-Raumsonde Mars Odyssey in 16 Jahren zusammengetragen wurde. Und wir erwarten sogar noch eine weitere Verbesserung der Auflösung“, sagt Igor Mitrofanov, leitender Forscher vom Institut für Weltraumforschung FREND an der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau.
Die neue Karte bildet nicht nur den offensichtlich wasserreichen Permafrost in den Polregionen ab, sondern zeigt die bereits lokalisierten „trockenen“ und „feuchten“ Gebiete des Planeten in präziseren Details. Darüber hinaus hebt sie wasserreiche Materialien in den Äquatorregionen hervor, die darauf schließen lassen, dass es hier einmal wasserreichen Permafrost gegeben haben könnte – oder aber, dass hier früher die Pole des Mars lagen.
„Die Daten verbessern sich kontinuierlich – am Ende werden sie die Referenzdaten für das Kartografieren von wasserreichen Materialien im oberflächennahen Marsuntergrund darstellen. Dies wird entscheidend zu unserem Verständnis darüber beitragen, wie sich der Planet als Ganzes entwickelt hat und wo genau sich derzeit vorhandenes Wasser befindet“, so Mitrofanov weiter. „Die Messungen sind dabei nicht nur von wissenschaftlichem Wert, sondern liefern auch wertvolle Informationen für die Planung zukünftiger Marsmissionen.“
„Nachdem wir bereits in den Genuss wunderschöner Bilder und Stereoansichten des Mars gekommen sind – aufgenommen vom Kamerasystem an Bord des TGO – freuen wir uns nun, erste Einblicke in die von den anderen Instrumenten gesammelten Daten geben zu können“, so Svedhem abschließend. „Wir blicken optimistisch in die Zukunft, in der wir noch einiges zu der wissenschaftlichen Erforschung der faszinierenden Eigenschaften des Mars beitragen werden. Dazu gehört die Verteilung von Wasser unter der Planetenoberfläche, Prozesse, die auf der Oberfläche laufen sowie die rätselhafte Zusammensetzung der Marsatmosphäre.“
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Originalpublikationen:
- „Early observations by ExoMars TracEarly observations by ExoMars Trace Gas Orbiter show no signs of methane on Mars” von O. Korablev et al.
- „Martian dust storm impact on atmospheric water and D/H observed by ExoMars Trace Gas Orbiter” von A.C Vandaele et al.
- „Neutron Mapping of Mars with High Spatial Resolution: First Results of FREND experiment of the ExoMars Project” von I.G. Mitrofanov et al.