Umweltfreundlicher Satellitentreibstoff im Test

Seit dem Sommer 2010 testen Triebwerksexperten der schwedischen PRISMA-Mission einen umweltfreundlichen Satellitentreibstoff, dessen Entwicklung durch die europäische Weltraumagentur ESA gefördert wurde. Das innovative Produkt soll jetzt auch auf den Space Innovation Days, welche am 17. und 18. Februar 2011 am ESTEC in Noordwijk/Niederlande stattfinden, vorgestellt werden.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA. Vertont von Peter Rittimger.

Swedish Space Corporation
Bei der Betankung von Raumfahrzeugen muss die Tankmannschaft spezielle Schutzanzüge tragen.
(Bild: Swedish Space Corporation)

Jeder, der sich schon einmal ausführlicher mit Raketenstarts auseinandergesetzt hat, kennt diese Szene: Techniker, welche in unförmige Schutzanzüge gehüllt sind, betanken kurz vor der Verbindung eines Satelliten mit der Trägerrakete den Raumflugkörper mit Treibstoff für die Lageregelungs- und Bahnkorrekturtriebwerke.

Bei dem dabei verwendeten Treibstoff handelt es sich fast ausschließlich um Hydrazin, eine hochgiftige und krebserregende Stickstoffverbindung, welche bereits durch den bloßen Hautkontakt in den menschlichen Körper gelangen kann. Die aufgrund dieser Eigenschaften erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen verteuern die geplanten Weltraummissionen und verlängern zudem deren Vorbereitungszeitraum. Neben dem Schutz der Menschen muss dabei auch immer eine Kontamination der Umwelt vermieden werden.

Trotz all dieser Nachteile und Gefahren findet Hydrazin bisher eine verbreitete Anwendung als Raketentreibstoff, da die Vorteile immer noch die Nachteile überwiegen. Aufgrund seiner hochreaktiven Eigenschaften entwickelt dieser Treibstoff eine hohe Leistung. Zudem kann Hydrazin über einen relativ langen Zeitraum gelagert werden. Ein weiterer Vorteil ist die hypergolische Eigenschaft des Hydrazins. Dies bedeutet, dass der Treibstoff sich beim Zusammentreffen mit einem Oxidator – im Fall von Hydrazin wird Salpetersäure oder Distickstofftetroxid verwendet – oder einem geeigneten Katalysator, zum Beispiel Aluminiumoxid, spontan entzündet.

ECAPS
Der neu entwickelte Treibstoff ist bedeutend umweltverträglicher als das bisher verwendete Hydrazin. Für seine Anwendung wurde ein neues Triebwerk entwickelt.
(Bild: ECAPS)

Diese Eigenschaft vereinfacht die Konstruktion der Raketentriebwerke, da keine aufwändigen und fehleranfälligen Zündsysteme verwendet werden müssen. Bei Lageregelungsantrieben für Satelliten werden gegenwärtig überwiegend Systeme mit einem Katalysator zum Einsatz gebracht. In diesem Fall spricht man von Einstofftriebwerken, da ausschließlich das Hydrazin und kein zusätzlicher Oxidator benötigt wird. Somit spart man Platz und Masse an Bord und vermindert zugleich die Wahrscheinlichkeit eines auftretenden technischen Defektes.

Ein neu entwickelter Treibstoff könnte den Füllvorgang der Trägerraketen künftig jedoch vereinfachen und deren Einsatz zugleich sicherer machen. Nach Ansicht der beteiligten Ingenieure wäre der Betankungsvorgang demzufolge nicht gefährlicher als bei einem Auto. Dazu forscht die ESA bereits seit dem Jahr 1997 gemeinsam mit der Swedish Space Corporation (SSC) an neuartigen Treibstoffen, welche sowohl ungiftig und zugleich lagerfähig sowie hypergol sind. Mittlerweile wurden die Triebwerks- und Treibstoffforschungen der SSC in einem hundertprozentigen Tochterunternehmen, der ECAPS (Ecological Advanced Propulsion Systems), gebündelt. Von dort konnte jetzt ein erster Erfolg gemeldet werden.

Der neu entwickelte Treibstoff trägt den Namen LMP-103S C. Hierbei handelt es sich um eine Mischung aus Ammoniumdinitramid (ADN), Methanol, Wasser und Ammoniak. Der „grüne“ Treibstoff wird von ECAPS auch als High Performance Green Propellant (HPGP) bezeichnet.

„Der Treibstoff auf Basis von ADN hat eine um 30 Prozent höhere Performance als Hydrazin und ist wesentlich weniger giftig“, so Mark Ford, der Leiter des Bereichs Antriebstechnik der ESA. „Anders als Hydrazin kann es sicher mit einem Flugzeug transportiert werden und es sind keine unbequemen Schutzanzüge beim Betanken nötig.“

Für den neuen Treibstoff wurde bei ECAPS ein entsprechendes Triebwerk mit einem Schub von einem Newton entwickelt, welches derzeit bei der schwedischen PRISMA-Mission zusammen mit dem neuen Treibstoff getestet wird. Triebwerk und Treibstoff sollen jetzt auf den Space Innovation Days, welche am 17. und 18. Februar 2011 am ESTEC in Noordwijk/Niederlande stattfinden, der Fachwelt präsentiert werden. Die ESA hat die Entwicklung im Rahmen ihres General Support Technology Program (GSTP) unterstützt. Ziel des GSTP ist es, vielversprechende Prototypen aus dem Labor zu einer flugfähigen Hardware zu qualifizieren. Das neue Antriebssystem soll auch bei der ESA-Testmission Proba 3 zum Einsatz kommen.

Swedish Space Corporation
Die Satelliten Tango und Mango im Formationsflug.
(Bild: Swedish Space Corporation)

Bei der Mission PRISMA handelt es sich um eine schwedische Technologie-Mission, welche der Erprobung der autonomen Steuerung von zwei Kleinsatelliten namens Tango und Mango im Formationsflug dient. An ihr sind auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), dessen Deutsches Raumfahrtkontrollzentrum (GSOC) im Frühjahr 2011 den operationellen Betrieb bis zum Missionsende übernehmen wird, die französische Raumfahrtagentur CNES und die Dänische Technische Universität (DTU) Kopenhagen beteiligt.

PRISMA wurde am 15. Juni 2010 zusammen mit dem französischen Sonnenforschungssatelliten PICARD gestartet. Nach ausführlichen Überprüfungen aller Systeme erfolgte am 12. August 2010 die Trennung von Tango und Mango, sodass die eigentliche Mission zur Erprobung verschiedener Verfahren des autonomen Formationsflugs und des Rendezvous von Satelliten beginnen konnte.
Dabei stellt Mango mit einer Masse von 140 Kilogramm den schwereren Hauptsatelliten dar, welcher in allen drei Achsen steuerbar ist und auch mit dem neuen Treibstoff betankt wurde. Der zweite Satellit, Tango, wiegt dagegen lediglich etwa 40 Kilogramm. Zu den bei dieser Mission verwendeten Sensoren gehören neuartige, am DLR-Standort Oberpfaffenhofen entwickelte und lediglich scheckkartengroße GPS-Empfänger, welche für die autonomen Formationsflüge eingesetzt werden.
Die ersten Flugmanöver und Versuchsreihen mit dem neuen Treibstoff verliefen laut der ESA sehr erfolgreich und sollen noch bis mindestens zum Mai 2011 fortgeführt werden.

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