Mars Express fotografiert den Schiaparelli-Krater

Am 15. Juli 2010 bildete die hochauflösende HRSC-Kamera an Bord der ESA-Sonde Mars Express in ihrem Orbit Nummer 8.363 den Schiaparelli-Krater auf dem Mars ab. Mit einer Auflösung von rund 19 Metern pro Pixel sind auf den Aufnahmen Spuren von Winderosion sowie von vulkanischen Ablagerungen und See-Sedimenten erkennbar.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA, DLR, FU Berlin.

NASA, MOLA, FU Berlin
Diese topografische Übersichtskarte zeigt den Schiaparelli-Krater am Marsäquator. Diese Region der Marsoberfläche wurde am 15. Juli 2010 von der HRSC-Kamera an Bord des Orbiters Mars Express abgebildet.
(Bild: NASA, MOLA, FU Berlin)

Der etwa 460 Kilometer durchmessende Schiaparelli-Krater ist ein großes, durch einen Asteroideneinschlag entstandenes Impaktbecken im zentralen Hochland unseres äußeren Nachbarplaneten. Er befindet sich in Äquatornähe im östlichen Teil der Region Terra Meridiani. Am 15. Juli 2010 überflog die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Sonde Mars Express während ihres Orbits Nummer 8.363 dieses Gebiet. Die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene High Resolution Stereo Camera (HRSC), eines von sieben wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Mars Express, bildete dabei ein Gebiet bei 0 Grad Breite und 14 Grad östlicher Länge mit einer Auflösung von etwa 19 Metern pro Pixel ab.
Benannt wurde das Impaktbecken nach dem italienischen Astronomen Giovanni Schiaparelli (1835 bis 1910), der für seine Beobachtungen von Merkur und Venus, vor allem aber für die Beschreibung der so genannten “canali”, der Kanäle auf dem Mars bekannt wurde. Während einer Marsopposition im Jahr 1877 beobachtete Schiaparelli durch sein Teleskop ein Netzwerk von geradlinig verlaufenden Strukturen auf der Marsoberfläche, für deren wissenschaftliche Beschreibung er das italienische Wort “canali” verwendete. Bedingt durch einen Übersetzungsfehler, im Englischen wurde das Wort “channels” verwendet, wurden diese Strukturen in der Folgezeit als künstlich angelegte Kanäle interpretiert. Erst im Jahr 1965 beendeten die durch die Raumsonde Mariner 4 angefertigten Marsaufnahmen die aus diesem Irrtum resultierenden Spekulationen über intelligente Marsbewohner.

Die jetzt im Juli 2010 von der HRSC-Kamera angefertigten Bilder der Marsoberfläche zeigen den nordwestlichen Bereich des Schiaparelli-Kraters mit dessen Kraterrand, einem Teil des Kraterbodens sowie das umgebende Marshochland. Das gezeigte Gebiet verfügt über eine Ausdehnung von 190 Kilometern in Nord-Süd-Richtung und von 90 Kilometern in Ost-West-Richtung. Mit einer Fläche von etwa 17.000 Quadratkilometern ist es somit nur wenig größer als das Bundesland Thüringen. Das Innere des Kraters, so die Interpretation der für die Bildauswertung zuständigen Wissenschaftler, wurde im Laufe der Zeit durch mehrere geologische Prozesse stark verändert.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine Übersicht über den nordwestlichen Bereich des Schiaparelli-Kraters auf dem Mars. Norden befindet sich rechts im Bild.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die Entstehung der auffallend ebenen Fläche wird durch eine Abfolge von erstarrter, dünnflüssiger Lava und sogenannten lakustrinen Sedimenten interpretiert. Hierbei handelt es sich um Ablagerungen, welche sich einst auf dem Grund eines Sees gebildet haben. Im Ausschnitt 1 des nebenstehenden Übersichtsbildes sind die Überreste dieser Sedimente zu erkennen, welche sowohl helle als auch dunkle Farbtöne aufweisen. Die verschiedenen Farben sind ein Hinweis darauf, dass es sich hierbei um unterschiedlich zusammengesetzte Materialien handeln muss. Kleinere Impaktkrater wurden zum Teil “geflutet” und mit Sedimenten aufgefüllt. An verschiedenen Stellen ist zudem eine Schichtung der Ablagerungen erkennbar.

Die Sedimente, aus welchen sich die Oberfläche der Ebene innerhalb des Schiaparelli-Kraters zusammensetzt, wurden ebenfalls verändert (Bildausschnitt 2). In diesem Bereich hat die Erosion durch Wind oder Wasser scharfe Konturen hinterlassen. Ein Beispiel hierfür ist ein kleines, relativ flaches Plateau links unten in diesem Bildausschnitt. Die über längere Zeiträume anhaltende erosive Kraft des Windes hat an anderen Stellen Oberflächenmaterial abgetragen und so eine Vielzahl runder, abgeschliffener Hügel hinterlassen. Außerdem wurden durch Ablagerung der vom Wind transportierten Staub- und Sandpartikel Dünen aufgehäuft. Aus diesem Grund erscheint die Oberfläche an Orten, an denen zuletzt die Kräfte der Winderosion vorherrschten, rau. In der unmittelbaren Umgebung der Dünen, wo eine Ablagerung der feinen, durch Wind transportierten Sedimente stattfand, vermittelt die Oberfläche dagegen einen relativ ebenen Eindruck.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Durch die Betrachtung mit einer speziellen Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille wird bei dieser 3D-Aufnahme ein räumlicher Eindruck der Landschaft vermittelt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Bei der Betrachtung des Bildes fällt der Blick auf einen etwa 42 Kilometer durchmessenden Krater, welcher sich direkt auf dem inneren Kraterrand des Schiaparelli-Impaktbeckens befindet (Bildausschnitt 3). Aufgrund seiner Lage muss dieser Krater über ein jüngeres Alter als der Schiaparelli-Krater verfügen. Auch das Innere dieses fast 2.000 Meter tiefen Kraters ist mit Sedimenten verfüllt. Im nördlichen Teil scheinen diese Sedimente eine Terrasse zu bilden. Im Zentrum des Kraters ist dagegen eine Struktur zu erkennen, welche an ein Flussdelta erinnert. Diese Struktur scheint zum Teil aus gerundeten, hellen Hügeln zu bestehen.

Dunkles, ebenfalls durch den Wind transportiertes Material wurde vorzugsweise im südlichen Bereich des Kraters abgelagert. Die ebenfalls erkennbaren Dünenfelder, welche das Plateau im Zentrum des Kraters sichelförmig umgeben, verdeutlichen die hier erfolgten großen Materialverfrachtungen durch Windeinflüsse. Durch die Betrachtung der dreidimensionale Aufnahme mit einer speziellen Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille tritt besonders die Struktur dieses Einschlagskraters hervor. Auch die kleineren, durch Hügel, Schichtköpfe und freistehende Plateaus im Inneren des Schiaparelli-Einschlagbeckens erzeugten Höhenunterschiede sind hierbei deutlich erkennbar.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein digitales Geländemodell des nordwestlichen Bereiches des Schiaparelli-Kraters auf dem Mars.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Mit der HRSC-Kamera ist es möglich, aus mehreren der neun unter verschiedenen Winkeln auf die Planetenoberfläche gerichteten Aufnahmekanälen sogenannte digitale Geländemodelle abzuleiten. Damit lässt sich die Topographie der abgebildeten Landschaft bildhaft darstellen und für topographische Kartenwerke nutzen. Aus dem berechneten Geländemodell geht hervor, dass der Boden des Schiaparelli-Kraters etwa 2.500 Meter tiefer liegt als der den Krater umgebende Rand. Für einen Krater der Größe Schiaparellis, mit einem Durchmesser von 460 Kilometern wird dieser aufgrund seiner komplexen Struktur auch als Einschlagbecken bezeichnet, sind dies allerdings keine besonders extremen Höhenunterschiede. Das zeigt, dass der Rand von Schiaparelli in den letzten drei Milliarden Jahren seit der Entstehung des Kraters durch Erosion bereits zum Teil wieder abgetragen wurde.

Im Rand des Schiaparelli-Kraters sind mehrere radiale, auf das Zentrum von Schiaparelli ausgerichtete Bergrücken und dazwischenliegende Täler zu erkennen, welche durch den aufgrund des Sonnenstandes bedingten Schattenwurf hervorgehoben werden. Hierbei handelt es sich um Strukturen, die im Moment der Kraterbildung durch nach außen gerichtete Auswurfmassen in die Landschaft “gefräst” wurden.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Diese Aufnahme zeigt einen Blick von Westen nach Osten auf den etwa 42 Kilometer durchmessenden Krater am Rand von Schiaparelli. Im Zentrum ist eine Struktur erkennbar, welche an ein Flussdelta erinnert.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die hier gezeigte Farbansicht wurde aus dem senkrecht auf die Oberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- und rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die zu sehende Schrägansicht wurde aus Bildern der Stereokanäle der HRSC berechnet. Bei dem Schwarzweißbild handelt es sich um eine Nadiraufnahme, welche von allen gewonnenen HRSC-Aufnahmen die höchste Auflösung erreicht. Das Anaglyphenbild, das bei Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Das digitale Geländemodell wurde aus einer höhenkodierten Bildkarte abgeleitet, welche dazu aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wurde.

Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Sonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption dieser hochauflösenden Stereokamera entworfen. Das für die Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 45 Co-Investigatoren von 32 Institutionen aus zehn Ländern. Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung des PI Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Die Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.

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