Am 31. Juli 2010 bildete die hochauflösende HRSC-Kamera an Bord der ESA-Sonde Mars Express in ihrem Orbit Nummer 8.417 einen als Phoenicis Lacus bezeichneten Abschnitt der Tharsis-Vulkanregion auf dem Mars ab. Mit einer Auflösung von etwa 17 Metern pro Pixel sind auf den Aufnahmen verschiedene Dehnungsstrukturen und Bruchsysteme mit unterschiedlichen Ausrichtungen erkennbar.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA, DLR, FU Berlin.
Wenn man eine globale Karte des Mars betrachtet, so ist eine der auffälligsten Regionen der Planetenoberfläche die im Bereich des Äquators gelegene Tharsis-Vulkanregion unmittelbar westlich der Valles Marineris. Auf einer Fläche von mehreren Millionen Quadratkilometern erhebt sich dieses Vulkangebiet wie eine Wulst um durchschnittlich vier Kilometer über die umgebende Marsoberfläche. Aus der Tharsis-Region ragen mehrere gewaltige Schildvulkane hervor, welche die größten Vulkane in unserem Sonnensystem darstellen.
Man geht allgemein davon aus, dass sich die Tharsis-Region, genauso wie das benachbarte Valles Marineris, von etwa 3,5 Milliarden Jahren während des geologischen Mittelalters des Mars, der sogenannten Hesperianischen Epoche, gebildet hat. Die äußere Kruste des Mars wurde zu dieser Zeit durch im Marsinneren auftretende Kräfte aufgewölbt, was zu massiven Oberflächenspannungen führte.
Während der verschiedenen geologischen Aktivitätsphasen wurden gewaltige Mengen von Lava an die Oberfläche des Planeten befördert. Diese Lavamassen schichteten sich zu den besagten Vulkanen auf. Der Olympus Mons, der größte Vulkan in dieser Region, erreicht dabei bei einem Basisdurchmesser von etwa 550 Kilometern eine Höhe von 24 Kilometern. Weitere große Vulkane dieser Region sind der Ascraeus Mons mit 18, der Arsia Mons mit 14 und der Pavonis Mons mit 12 Kilometern Höhe. Bei den Ausbrüchen der Vulkane ergossen sich große Mengen an dünnflüssiger Lava über die Marsoberfläche, welche dabei zu ausgedehnten, mächtigen Lavadecken erstarrten. Durch das Gewicht des vulkanischen Gesteins bauten sich Spannungen innerhalb der Marskruste auf.
Als diese Spannungen in der starren Gesteinskruste der Lithosphäre unseres Nachbarplaneten immer weiter zunahmen, wurden sie schließlich durch die Entstehung einer Vielzahl von Bruchsystemen abgebaut, welche sich entlang von sogenannten Schwächezonen innerhalb der Planetenkruste ausbildeten und in der Regel radial zur Tharsis-Region verlaufen. Eines dieser Bruchsysteme bildet das Gebiet Phoenicis Lacus, welches mit seinen zahlreichen Störungen und Kollapsstrukturen den südwestlichen Ausläufer des großen, bogenförmigen Bruchsystems Noctis Labyrinthus im Zentrum der Tharsis-Region bildet.
Am 31. Juli 2010 überflog die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Sonde Mars Express während ihres Orbits Nummer 8.417 dieses Gebiet. Die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene High Resolution Stereo Camera (HRSC), eines von sieben wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Mars Express, bildete dabei ein Gebiet bei 13 Grad südlicher Breite und 249 Grad östlicher Länge mit einer Auflösung von etwa 17 Metern pro Pixel ab. Das hierbei dargestellte Gebiet grenzt die Hochebenen Syria Planum im Osten und Daedalia Planum im Westen voneinander ab und verfügt über eine Fläche von etwa 8.100 Quadratkilometern (59,5 Kilometer mal 136 Kilometer), was in etwa der Größe der Mittelmeerinsel Korsika entspricht. Phoenicis Lacus, der „See des Phoenix“, ist nach dem mythischen Vogel Phoenix benannt, der in der Redewendung „auferstanden wie Phoenix aus der Asche“ ein Begriff ist.
Der Hinweis auf einen See im Namen dieser Region ist allerdings missverständlich, denn auf den Aufnahmen der verschiedenen Marssonden findet man keine Anzeichen dafür, dass sich hier einstmals wirklich ein stehendes Gewässer befunden haben könnte. Die Bezeichnung „Lacus“ ist vielmehr darauf zurückzuführen, dass das Gebiet bei historischen Beobachtungen mit Teleskopen von der Erde aus eine auffallende Albedo aufweist. Albedo, abgeleitet vom lateinischen Wort „alba“ für weiß oder hell, steht dabei für ein Maß des Rückstrahlvermögens von Oberflächen.
Dunkle oder raue Oberflächen reflektieren das von der Sonne ausgestrahlte Licht schlechter als helle oder glatte Oberflächen. So identifiziert man bei der Erforschung der Planeten Regionen von sehr niedrigen beziehungsweise sehr hohen Albedowerten, die von dunkleren respektive helleren Oberflächen herrühren und dann zum Beispiel, wie im Fall von Phoenicis Lacus, nach Seen oder Meeren benannt werden, weil sie eine vergleichbare Albedo zeigen.
Die Entstehung der auf den Aufnahmen von Mars Express erkennbaren Strukturen in der Region von Phoenicis Lacus wird in Zusammenhang mit der Aufwölbung der Tharsis-Vulkanregion vermutet. Phoenicis Lacus befindet sich demzufolge in einer Zone des Störungssystems, in welcher die auftretenden tektonischen Kräfte ihre Wirkung vorwiegend in west-östlicher Richtung entfalteten. Im Laufe der Zeit entstand dabei ein Netz von mehreren Kilometer breiten und meist etwa 500 Meter tiefen Gräben. Dadurch bildete sich eine typische, in der Geologie auch als „Horst- und Graben-Struktur“ bezeichnete Abfolge von erhalten gebliebenen Geländeblöcken und entlang der Bruchflächen in die sich öffnenden Spalten nach unten abgerutschten Krustenpaketen.
Der starke, wiederholte und über längere Zeiträume anhaltende Vulkanismus in der Tharsis-Region war nicht nur mit einer deutlichen Hebung großer Teile des Geländes verbunden, sondern ging auch mit der Anlage großräumiger Störungssysteme einher. Die heute erkennbare deutlich zergliederte Oberfläche in diesem Gebiet wird als ein Beleg für die Komplexität des Vulkanismus auf dem Mars und der damit einhergehenden Tektonik interpretiert. Offensichtlich wechselte im Verlauf der geologischen Entwicklung der Region die Richtung der Spannungen in der Kruste, was an mehreren Generationen von Störungsverläufen mit unterschiedlicher Orientierung zu erkennen ist.
In der rechten Bildhälfte des nebenstehenden Übersichtsbildes befindet sich eine prominente Kollapsstruktur (Bildausschnitt 1). Als Folge der Krustendehnung brach entlang eines hier verlaufenden Grabens, welcher sich möglicherweise über größeren unterirdischen Hohlräumen befindet, die Planetenkruste ein und ließ eine fast 40 Kilometer lange und stellenweise mehr als 3.000 Meter messende Vertiefung entstehen. Die erkennbaren steilen Abhänge gestatten einen Blick auf mächtige Schichten von vulkanischen Ablagerungen, welche von erstarrten Strömen aus dünnflüssiger Basaltlava gebildet wurden. Auf dem Grund der Kollapsstruktur sind zudem zahlreiche Dünen sowie der verwitterte Rand eines teilweise von Erosionsmaterial verfüllten Impaktkraters zu erkennen.
Im Anaglyphenbild, welches bei der Betrachtung mit einer speziellen Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen räumlichen Eindruck der Landschaft vermittelt, treten einige erhabene Blöcke im Zentrum der Störungszone deutlich hervor (Bildausschnitt 2). Besonders auffällig ist dies bei einem großen Block mit einem rhombenförmigen Umriss links der Bildmitte. Diese Form, so die Interpretation der Wissenschaftler, entstand durch die fast senkrecht zueinander verlaufende Orientierung der verschiedenen Störungen. Eine Dehnung führte dabei zu der in dieser Region charakteristischen Horst- und Grabenlandschaft.
Nahe des linken, unteren Bildrandes, welcher die südöstliche Szene des Aufnahmebereichs wiedergibt, ist eine Kraterstruktur erkennbar (Bildausschnitt 3), die infolge der Grabenbildung in Richtung der vorherrschenden Kräfte in südwestlich-nordöstlicher Richtung gedehnt wurde. Diese Dehnung führte dazu, dass der ursprünglich kreisförmige Impaktkrater nun eine ellipsoide Form aufweist. In der zeitlichen Abfolge muss dieser Krater somit entstanden sein, bevor die besagten Spannungen auftraten. Bei den größten schüsselförmigen Strukturen, welche in erster Linie in der rechten Bildhälfte erkennbar sind, handelt es sich allerdings nicht um Impaktkrater sondern um Kollapsstrukturen. Diese weisen im Vergleich zu Impaktkratern keine über die Umgebung aufragenden Kraterwälle auf.
Die Farbansichten der hier gezeigten Bilder wurden aus dem senkrecht auf die Oberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- und rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die Schrägansichten wurde aus Bildern der Stereokanäle der HRSC berechnet. Bei dem Schwarzweißbild handelt es sich um eine Nadiraufnahme, welche von allen gewonnenen Aufnahmen die höchste Auflösung erreicht. Das Anaglyphenbild, das bei Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Zusätzlich kann aus einem digitalen Geländemodell eine höhenkodierte Bildkarte abgeleitet werden, welche dazu aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wird.
Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Sonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption dieser hochauflösenden Stereokamera entworfen. Das für die Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 45 Co-Investigatoren von 32 Institutionen aus zehn Ländern. Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung des PI Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Die Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
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