Gegenwärtig absolviert der von der europäischen Weltraumorganisation ESA betriebene Marsorbiter Mars Express insgesamt 12 nahe Vorbeiflüge an dem Marsmond Phobos. Am 15. und 16. März 2010 wurden erste während dieser Vorbeiflüge aufgenommene Bilder des Mondes veröffentlicht.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA, DLR.
Die Raumsonde Mars Express umläuft den Mars in einem langgezogenen polaren Orbit alle sechs Stunden und 54 Minuten. Diese Umlaufbahn führt den Orbiter dabei bis auf 350 Kilometer an die Planetenoberfläche heran. Der entfernteste Punkt der Umlaufbahn liegt dagegen 10.300 Kilometer von der Oberfläche des Mars entfernt. Im Gegensatz zu den beiden gegenwärtig aktiven Marsorbitern der amerikanischen Weltraumbehörde NASA, den Sonden Mars Odyssey und Mars Reconnaissance Orbiter kreuzt die ESA-Sonde dabei auch regelmäßig die Umlaufbahn des inneren Marsmondes Phobos.
Der Verlauf der Umlaufbahnen von Mars Express und Phobos führt gegenwärtig zu mehreren sehr nahen Begegnungen der beiden Objekte. Der erste dieser Vorbeiflüge fand bereits am 16. Februar 2010 statt, wobei Mars Express Phobos in einer Distanz von 991 Kilometern passierte. In den folgenden zwei Wochen fanden vier weitere Vorbeiflüge statt. Jeder dieser FlyBys hat die Sonde dabei noch näher an die Mondoberfläche herangeführt als der vorausgegangene. Allerdings fanden alle diese Vorbeiflüge auf der Nachtseite des Marsmondes statt, was zur Folge hatte, dass die HRSC-Stereokamera des Orbiters nicht eingesetzt werden konnte, um hochaufgelöste Bilder der Mondoberfläche anzufertigen. Stattdessen wurden Messungen mit verschiedenen Spektrometern und einem Radargerät durchgeführt. Die Annäherung am 3. März 2010 wurde dagegen genutzt, um aus einer Überflughöhe von 67 Kilometern den inneren Aufbau des Mondes zu entschlüsseln (Raumfahrer.net berichtete).
Der nächste Vorbeiflug fand am 7. März über der von der Sonne beleuchteten Tagseite des Mondes statt. Neben den anderen Instrumenten konnte so auch erstmals im Rahmen der aktuellen Kampagne die HRSC-Stereokamera eingesetzt werden. Aus einer Höhe von rund 130 Kilometern gelangen dabei detailreiche Aufnahmen der Mondoberfläche, welche diese in einer Auflösung von bis zu 4,4 Metern pro Pixel wiedergeben. Nachdem die dabei gewonnenen Daten am folgenden Tag an das Kontrollzentrum der ESA in Darmstadt übermittelt wurden, begann für die an diesem Experiment beteiligten Wissenschaftler der mühsame Prozess der Aufbereitung der Bilder.
Hierfür mussten die dafür verantwortlichen Mitarbeiter am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof in mehreren Schritten vorgehen. Unter anderem mussten sogenannte digitale Geländemodelle berechnet werden, mit denen die Höhen und Tiefen der Geländeformationen auf der Oberfläche von Phobos bestimmt werden können. Des Weiteren erfolgten photometrische Nachbearbeitungen der Aufnahmen, um so zum Beispiel schlechter beleuchtete Bereiche der Mondoberfläche besser darstellen zu können.
Bei den so erhaltenen Bildern handelt es sich um die besten und am höchsten aufgelösten Aufnahmen, welche je von der Oberfläche von Phobos gewonnen werden konnten. Auf den Aufnahmen sind Krater in verschiedenen Größen, Ketten kleinerer Krater und teilweise parallel verlaufende Furchen zu erkennen. Diese neu gewonnenen Bilder werden derzeit noch von den Wissenschaftlern ausgewertet. Hierbei erweist es sich als besonders nützlich, dass die HRSC-Kamera in der Lage ist, die angefertigten Bilder nicht nur in einer hohen Auflösung sondern auch in Farbe und in einer dreidimensionalen Perspektive aufzuzeichnen.
Phobos ist ein unregelmäßig geformtes Objekt mit den Abmessungen von 27 mal 22 mal 19 Kilometer. Seine Oberfläche weist die Charakteristika einer bestimmten Klasse von Asteroiden, der kohlenstoffhaltigen „C-Asteroiden“, auf. Mit einem Anteil von etwa 75 Prozent stellen diese den häufigsten Asteroidentyp dar. Bedingt durch die sehr dunkle, kohlenstoffartige Oberfläche weisen sie in der Regel eine nur geringe Albedo von etwa 0,05 auf. Ihr Hauptverbreitungsgebiet ist der äußere Asteroidenhauptgürtel unseres Sonnensystems zwischen den Planeten Mars und Jupiter. Eine Theorie besagt, dass Phobos aus dieser Asteroidenfamilie stammen könnte. Mit welchen Mechanismen der Mond durch die Schwerkraft des Mars eingefangen und anschließend in eine Umlaufbahn befördert wurde, ist dabei allerdings nur schwer zu erklären. Eine alternative Theorie geht davon aus, dass Phobos ein Überbleibsel aus der Entstehungszeit des Mars sein könnte und sich einst zusammen mit dem Planeten gebildet hat.
Eine Klärung der Frage über die Herkunft und Entstehung des inneren Marsmondes erhoffen sich die Wissenschaftler durch die von der russischen Weltraumbehörde geplanten Mars-Mission Phobos Grunt. Diese Mission soll nach aktuellen Planungen im Herbst 2011 zu unserem Nachbarplaneten aufbrechen und schließlich im April 2013 auf Phobos landen. Vier Monate später soll dann eine Rückkehrkapsel zur Erde gestartet werden. Die Analyse der darin enthaltenen Bodenprobe des Mondes dürfte viel zum besseren Verständnis der bisher noch offenen Fragen beitragen.
Wie auch der Mond unserer Erde weist Phobos eine gebundene Rotation auf. Dies hat zur Folge, dass Phobos dem Mars immer dieselbe Seite zuwendet. Phobos Grunt soll auf der vom Mars abgewandten Seite des Mondes im Bereich der Koordinaten zwischen 5° südlicher und 5° nördlicher Breite sowie 230° bis 235° östlicher Länge landen. Mars Express ist der einzige aktive Orbiter in einer Marsumlaufbahn, welcher diesen Bereich der Phobos-Oberfläche abbilden kann. Erste Aufnahmen dieser Gegend wurden bereits im Juli und August 2008 angefertigt, wobei die Beleuchtungsverhältnisse allerdings nicht optimal waren. Auf den aktuellen Bildern ist dieses Gebiet jetzt erstmals unter guten Lichtverhältnissen und in einer sehr großen Auflösung erkennbar.
Nur drei Tage nach dem ersten Einsatz der HRSC-Kamera kam es zu einer weiteren Annäherung von Mars Express an Phobos, welche diesmal in einer Distanz von 278 Kilometern erfolgte. Auch diese Aufnahmen sind mittlerweile an das Kontrollzentrum übermittelt und teilweise bereits prozessiert worden. Heute wurden vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) auch erste Bilder dieses zweiten HRSC-Einsatzes veröffentlicht, welche den Mond diesmal in einer Gesamtansicht zeigen. Die Bilder des darauffolgenden Vorbeifluges, welcher am 13. März in einer Distanz von etwa 480 Kilometern erfolgte, sind zur Zeit noch nicht verfügbar.
Weitere nahe Vorbeiflüge werden am heutigen 16. März, am 19. März, am 23. März und schließlich am 26. März 2010 folgen. Am heutigen Tag wird die Überflughöhe von Mars Express bereits 663 Kilometer und am 19. März dann 850 Kilometer betragen. Die beiden letzten FlyBys werden in Höhen von jeweils etwa 1.300 Kilometern erfolgen. Bis auf die Passage am 23. März, für die keine Beobachtungen von Phobos vorgesehen sind, wird auch hier neben den verschiedenen Spektrometern an Bord von Mars Express die HRSC-Stereokamera zum Einsatz kommen. Erst gegen Ende des Jahres werden sich dann wieder günstige Konstellationen zwischen Mars Express und Phobos ergeben, wobei man mit der Beobachtung und Untersuchung des Mondes fortfahren wird.
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