Astronom*innen finden das fehlende Bindeglied für Wasser im Sonnensystem

Astronom*innen haben mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) gasförmiges Wasser in der planetenbildenden Scheibe um den Stern V883 Orionis entdeckt. Eine Pressemitteilung des ESO Science Outreach Network (ESON).

Quelle: ESON 8. März 2023.

Diese künstlerische Darstellung zeigt die planetenbildende Scheibe um den Stern V883 Orionis. Im äußersten Teil der Scheibe ist das Wasser in Form von Eis gefroren und kann daher nicht leicht nachgewiesen werden. Ein Energieausbruch des Sterns heizt die innere Scheibe auf eine Temperatur auf, bei der das Wasser gasförmig ist, so dass die Astronomen und Astronominnen es nachweisen können.
Das eingefügte Bild zeigt die beiden Arten von Wassermolekülen, die in dieser Scheibe untersucht wurden: normales Wasser mit einem Sauerstoff- und zwei Wasserstoffatomen und eine schwerere Version, bei der ein Wasserstoffatom durch Deuterium, ein schweres Isotop des Wasserstoffs, ersetzt ist. (Bild: ESO/L. Calçada)

Das Wasser trägt eine chemische Signatur, die die Reise des Wassers von sternbildenden Gaswolken zu Planeten erklärt und die Idee unterstützt, dass das Wasser auf der Erde sogar älter ist als unsere Sonne.

„Wir können jetzt die Ursprünge des Wassers in unserem Sonnensystem bis in die Zeit vor der Entstehung der Sonne zurückverfolgen“, sagt John J. Tobin, Astronom am National Radio Astronomy Observatory, USA, und Hauptautor der heute in Nature veröffentlichten Studie.

Die Entdeckung wurde durch die Untersuchung der Zusammensetzung von Wasser in der planetenbildenden Scheibe V883 Orionis gemacht, die etwa 1300 Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Wenn eine Wolke aus Gas und Staub kollabiert, bildet sich in ihrem Zentrum ein Stern. Zusätzlich entsteht aus dem Material der Wolke eine Scheibe um den Stern. Im Laufe von einigen Millionen Jahren verklumpt die Materie in der Scheibe und bildet Kometen, Asteroiden und schließlich Planeten. Tobin und sein Team nutzten ALMA, an dem die Europäische Südsternwarte (ESO) beteiligt ist, um chemische Signaturen des Wassers und dessen Weg von der Sternentstehungswolke zu den Planeten zu messen.

Wasser besteht normalerweise aus einem Sauerstoffatom und zwei Wasserstoffatomen. Tobins Team untersuchte eine etwas schwerere Version von Wasser, bei der eines der Wasserstoffatome durch Deuterium – ein schweres Isotop des Wasserstoffs – ersetzt ist. Da sich einfaches und schweres Wasser unter unterschiedlichen Bedingungen bilden, kann ihr Verhältnis dazu genutzt werden, um festzustellen, wann und wo das Wasser entstanden ist. So hat sich beispielsweise gezeigt, dass dieses Verhältnis in einigen Kometen des Sonnensystems dem des Wassers auf der Erde ähnelt, was darauf hindeutet, dass Kometen Wasser auf die Erde gebracht haben könnten.

Dieses Schema zeigt, wie eine Gaswolke kollabiert und einen Stern mit einer Scheibe um sich herum bildet, aus der sich schließlich ein Planetensystem bildet. (Bild: ESO/L. Calçada)

Die Reise des Wassers von Wolken zu jungen Sternen und später von Kometen zu Planeten wurde bereits beobachtet, aber bisher fehlte die Verbindung zwischen den jungen Sternen und den Kometen. „V883 Orionis ist in diesem Fall das fehlende Glied“, sagt Tobin. „Die Zusammensetzung des Wassers in der Scheibe ist der von Kometen in unserem eigenen Sonnensystem sehr ähnlich. Dies bestätigt die Idee, dass das Wasser in Planetensystemen vor Milliarden von Jahren vor der Sonne im interstellaren Raum entstanden ist und sowohl von Kometen als auch von der Erde relativ unverändert übernommen wurde.“

Doch die Beobachtung des Wassers erwies sich als schwierig. „Das meiste Wasser in planetenbildenden Scheiben ist als Eis gefroren, so dass es uns normalerweise verborgen bleibt“, sagt Mitautorin Margot Leemker, Doktorandin am Observatorium Leiden in den Niederlanden. Gasförmiges Wasser kann dank der Strahlung, die von den Molekülen bei ihren Drehungen und Schwingungen ausgesandt wird, nachgewiesen werden, aber mit gefrorenem Wasser ist es komplizierter, da die Bewegung der Moleküle stärker behindert wird. Gasförmiges Wasser findet sich in der Nähe des Sterns, in der Mitte der Scheiben, wo es wärmer ist. Diese nahen gelegenen Regionen werden jedoch von der Staubscheibe selbst verdeckt und sind außerdem zu klein, um mit unseren Teleskopen erfasst zu werden.

ALMA-Bilder der Scheibe um den Stern V883 Orionis, die die räumliche Verteilung von Wasser (links, orange), Staub (Mitte, grün) und Kohlenmonoxid (blau, rechts) zeigen. Da Wasser bei höheren Temperaturen als Kohlenmonoxid ausfriert, kann es in gasförmiger Form nur in der Nähe des Sterns nachgewiesen werden. Die scheinbare Lücke in den Bildern von Wasser und Kohlenmonoxid ist auf die helle Emission des Staubs zurückzuführen, der die Strahlung des Gases abschwächt. (Bild: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), J. Tobin, B. Saxton (NRAO/AUI/NSF))

Glücklicherweise wurde in einer kürzlich durchgeführten Studie nachgewiesen, dass die Scheibe von V883 Orionis ungewöhnlich heiß ist. Ein dramatischer Energieausbruch des Sterns heizt die Scheibe „auf eine Temperatur auf, bei der das Wasser nicht mehr in Form von Eis, sondern als Gas vorliegt, so dass wir es nachweisen können“, sagt Tobin.

Dazu nutze das Team ALMA, eine Anordnung von Radioteleskopen im Norden Chiles. Dank der Empfindlichkeit und der Fähigkeit, kleine Details zu erkennen, konnten sie sowohl das Wasser aufspüren und seine Zusammensetzung bestimmen als auch seine Verteilung innerhalb der Scheibe kartieren. Die Beobachtungen ergaben, dass diese Scheibe mindestens 1200 Mal so viel Wasser enthält wie alle Ozeane der Erde.

In Zukunft wollen sie das kommende Extremely Large Telescope der ESO und dessen Instrument der ersten Generation, METIS, nutzen. Dieses Instrument für den mittleren Infrarotbereich wird den gasförmigen Teil des Wassers in solchen Scheiben auflösen können, um so den Weg des Wassers von den Sternentstehungswolken bis hin zum Sonnensystem besser zu verstehen. „Dies wird uns einen viel umfassenderen Blick auf das Eis und das Gas in Planeten bildenden Scheiben ermöglichen“, so Leemker abschließend.

Diese Aufsuchkarte zeigt die Position des jungen Sterns V883 Orionis im berühmten Sternbild Orion. Die meisten Sterne, die in einer klaren dunklen Nacht mit dem bloßen Auge zu erkennen sind, sind eingezeichnet. Die Position von V883 Orionis ist mit einem roten Kreis gekennzeichnet. Dieser Stern ist sehr lichtschwach, weshalb es eines Amateur-Teleskops bedarf, um ihn beobachten zu können. Am Himmel ist er direkt neben dem physikalisch dazugehörigen riesigen und hellen Orionnebel im Nordwesten zu sehen. (Bild: ESO/IAU and Sky & Telescope)

Weitere Informationen
Diese Forschungsarbeit wurde in dem Artikel „Deuterium-enriched water ties planet-forming disks to comets and protostars“ vorgestellt, der in Nature erscheint (doi: 10.1038/s41586-022-05676-z).

Das Team besteht aus John J. Tobin (National Radio Astronomy Observatory, USA), Merel L. R. van’t Hoff (Department of Astronomy, University of Michigan, USA), Margot Leemker (Leiden Observatorium, Universität Leiden, Niederlande [Leiden]) , Ewine F. van Dishoeck (Leiden), Teresa Paneque-Carreño (Leiden; Europäische Südsternwarte, Deutschland), Kenji Furuya (Nationales Astronomisches Observatorium von Japan, Japan), Daniel Harsono (Institut für Astronomie, Nationale Tsing Hua Universität, Taiwan), Magnus V. Persson (Department of Space, Earth and Environment, Chalmers University of Technology, Onsala Space Observatory, Schweden), L. Ilsedore Cleeves (Department of Astronomy, University of Virginia, USA), Patrick D. Sheehan (Center for Interdisciplinary Exploration and Research in Astronomy, Northwestern University, USA) und Lucas Cieza (Núcleo de Astronomía, Facultad de Ingeniería, Millennium Nucleus on Young Exoplanets and their Moons, Universidad Diego Portales, Chile).

Über die ESO
Die Europäische Südsternwarte (ESO) befähigt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit, die Geheimnisse des Universums zum Nutzen aller zu entdecken. Wir entwerfen, bauen und betreiben Observatorien von Weltrang, die Astronominnen und Astronomen nutzen, um spannende Fragen zu beantworten und die Faszination der Astronomie zu wecken, und wir fördern die internationale Zusammenarbeit in der Astronomie. Die ESO wurde 1962 als zwischenstaatliche Organisation gegründet und wird heute von 16 Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik und dem Vereinigten Königreich) sowie dem Gastland Chile und Australien als strategischem Partner unterstützt.

Der Hauptsitz der ESO und ihr Besucherzentrum und Planetarium, die ESO Supernova, befinden sich in der Nähe von München in Deutschland, während die chilenische Atacama-Wüste, ein wunderbarer Ort mit einzigartigen Bedingungen für die Himmelsbeobachtung, unsere Teleskope beherbergt. Die ESO betreibt drei Beobachtungsstandorte: La Silla, Paranal und Chajnantor. Am Standort Paranal betreibt die ESO das Very Large Telescope und das dazugehörige Very Large Telescope Interferometer sowie zwei Durchmusterungsteleskope, VISTA, das im Infraroten arbeitet, und das VLT Survey Telescope für sichtbares Licht. Ebenfalls am Paranal wird die ESO das Cherenkov Telescope Array South betreiben, das größte und empfindlichste Gammastrahlen-Observatorium der Welt. Zusammen mit internationalen Partnern betreibt die ESO auf Chajnantor APEX und ALMA, zwei Einrichtungen zur Beobachtung des Himmels im Millimeter- und Submillimeterbereich. Auf dem Cerro Armazones in der Nähe von Paranal bauen wir „das größte Auge der Welt am Himmel“ – das Extremely Large Telescope der ESO. Von unseren Büros in Santiago, Chile, aus unterstützen wir unsere Aktivitäten im Land und arbeiten mit chilenischen Partnern und der Gesellschaft zusammen.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.

Forschungsarbeit
https://www.eso.org/public/archives/releases/sciencepapers/eso2302/eso2302a.pdf

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