Am 30. Januar 2001 eröffnet die ESA eine Bodenstation in Santiago de Chile für das Röntgenobservatorium XMM-Newton. Mit den speziellen Anlagen, die ein Team des europäischen Raumfahrt-Kontrollzentrums ESOC vor Ort installierte, wird das letzte Beobachtungs“loch“ geschlossen. Eine Information der Europäischen Raumfahrtagentur (European Space Agency, ESA).
Quelle: ESA.
Seit Februar 2000, als die ESA die ersten aufsehenerregenden Röntgen-Bilder ihres neuen Wissenschafts-Stars präsentierte, sind die Astronomen überglücklich. Die gewonnenen Daten sowie Bilder übertreffen alle Erwartungen. Stars sind begehrt. Das spürt die ESA, die die Anträge der Wissenschafts-Community auf Beobachtungszeit mit ihrem bahnbrechenden Observatorium XMM-Newton bearbeiten muß. Kein Zweifel: Jede nur denkbare Beobachtungsmöglichkeit soll optimal erfaßt und umgesetzt werden.
Das vom europäischen Raumfahrt-Kontrollzentrum ESOC in Darmstadt gesteuerte und überwachte Hochleistungsteleskop befindet sich aufgrund der spezifischen Röntgen-Untersuchungen auf einer hochelliptischen Umlaufbahn zwischen 6.332 km im Perigäum und 114.732 km im Apogäum. Daraus ergibt sich eine Umlaufzeit von 48 Stunden, wovon nur 40 bis 42 Stunden für die Beobachtung der Röntgenobjekte genutzt werden können. Die geographische Lage der vorhandenen ESA-Bodenstationen in Perth (Australien), Kourou (Französisch-Guyana) sowie in Villafranca (Spanien) erlaubt jedoch keine hundertprozentige Nutzung aller möglichen XMM-Daten. Im Apogäum trat bislang ein Beobachtungs“loch“ von etwa 1 bis 1,5 Stunden auf, das nur durch eine Bodenstation im pazifischen Raum geschlossen werden könnte.
Mit der der Universität von Chile unterstehenden Satellitenbeobachtungsstation „Santiago de Chile“ fand die ESA den geeigneten Standort und Partner. Auf der 38 km nördlich Santiagos in 730 m Höhe gelegenen 100 ha großen Anlage befinden sich mehrere Antennenkomplexe, die seit vier Jahrzehnten für verschiedene amerikanische, europäische und japanische Satellitenmissionen genutzt wurden, darunter für interplanetare Raumsonden, die Apollo-Mondflüge und das Apollo-Sojus-Test-Projekt.
Ein Team von ESOC-Spezialisten entwickelte für „Santiago“ eine spezielle Datenübertragungsanlage. Diese unter dem Namen „Network Data Interface Units“ (NDIU) firmierende Geräteeinheit wurde Anfang Januar nach Chile transportiert und an eine bestehende Stations-Antennenanlage mit S-Band-Kanal angeschlossen. Die seit 14 Tagen laufenden Tests der Datenübertragung zwischen XMM-Newton und NDIU sind erfolgreich, so dass am 30. Januar die neue ESA-Station in Betrieb genommen werden kann.
Mit der neuen Station können pro XMM-Orbit 1 bis 1,5 Stunden mehr Beobachtungszeit – und damit neue wissenschaftliche Daten – gewonnen werden. ESA und ESOC haben unter Beweis gestellt, wie mit geringen Mitteln die Effizienz des Röntgenobservatoriums gesteigert werden kann.
Die XMM-Erfolgsstory begann am 10. Dezember 1999, als Europas leistungsstärkste Trägerrakete Ariane 504 – beim kommerziellen Jungfernflug – das X-Ray-Multi-Mirror-Weltraumteleskop in den Orbit brachte. XMM-Newton, der Eckpfeiler des ESA-Wissenschaftsprogramms HORIZONT 2000, wurde damit zugleich zum echten Millennium-Event. Mit einer Länge von 10,75 m ist XMM zugleich der größte Wissenschaftssatellit Europas. Er stellt die instrumentelle Antwort auf die wissenschaftlichen Herausforderungen der Röntgenastronomie dar. Die Stärken des Wissenschafts-Stars liegen in der Sichtbarmachung der auf der Erde nicht empfangbaren und für das menschliche Auge unsichtbaren Röntgenstrahlung.
XMM-Newton ist mit drei parallel angeordneten baugleichen Röntgenteleskopen ausgerüstet, in deren Brennpunkten sich CCD-Kameras (3 EPIC-Kameras) oder Reflexionsgitter-Spektrometer (2 RGS-Geräte) befinden. Hinzu kommt ein optisches Teleskop von 30 cm Durchmesser, das zeitgleiche optische sowie UV-Beobachtungen ermöglicht und damit Sichtvergleiche zum Röntgenbereich erlaubt. Mit den durch XMM-Newton gewonnenen Röntgendaten werden klassische Fragen der Astronomie und Kosmologie neu bewertet, die Materie in Extremzuständen erfaßt und das Universum in Raum-Zeit-Strukturen untersucht. Wenn alles gut verläuft, könnte die Erfolgsstory noch 10 bis 15 Jahre andauern. Das jedenfalls peilen die ESA-Hightech-Planer als Missionsdauer von XMM-Newton an.