Besonderes Manöver zum Abschluss der Cassini-Mission

Die NASA-Sonde Cassini flog gegen Ende ihrer Mission ein besonderes Manöver. Sie zog in einem sehr nahen Vorbeiflug an Titan mit einer Geschwindigkeit von 21.000 km/h vorbei und beschleunigte dabei auf einen Orbit, der das Raumschiff in den nur 2.400 km breiten Spalt zwischen dem innersten D-Ring und der Saturn-Oberfläche steuerte.

Ein Beitrag von Peter Schramm. Quelle: NASA.

Das Manöver diente einem doppelten Zweck: Zum einen die letzten Daten der Mission aus großer Nähe aufzunehmen, zum anderen die Sonde in den Orbit für die Passage zwischen den Ringen und dem Planeten zu bringen.

Damit wurde ein Forschungsprogramm beendet, das den Wissenschaftlern durch nahe Vorbeiflüge an Titan detaillierte Informationen über Titans Seen und Meere, seinen interessant geformten Sanddünen und die herrschenden Wetterbedingungen gebracht hatte. Cassini flog am letzten Samstag, den 22. April 2017 um 8 Uhr morgens MESZ nur knapp 1.000 Kilometer am Mond vorbei. Dieser letzte Vorbeiflug bringt den beteiligten Wissenschaftlern noch einmal detaillierte Erkenntnisse aus nächster Nähe.

Insbesondere die Interaktion zwischen Titans Ionosphäre und Saturns Magnetfeld ist für die Wissenschaftler von Interesse. Es werden voraussichtlich die letzten Daten für die nächsten zehn oder mehr Jahre sein. Es ist derzeit keine weitere Saturn Sonde von der NASA geplant, obwohl es erste Überlegungen für eine spezielle Mission zur Erforschung von möglichem Leben auf den Saturnmonden Titan und Enceladus gibt.

Cassini über den Saturnringen – Illustration
(Bild: NASA / JPL-Caltech)

Als Cassini am 1. Juli 2004 in einem Orbit um Saturn ankam, wussten wir nur wenig über seinen Mond Titan. Seine Oberfläche war unter einer orangefarbenen Atmosphäre versteckt, die reich an Stickstoff ist. Die Voyager Sonden konnten bei ihren Vorbeiflügen 1980 und 1981 nicht durch die dichte Atmosphäre des Titan blicken.

Mehr als eine Dekade an Titan-Forschung liegt inzwischen hinter uns. Das mit Plutonium als Energielieferant ausgestattete Raumfahrzeug hat 127 Vorbeiflüge an Titan absolviert und ihn dabei detailliert untersucht. Mit Radarstrahlen, die durch die Atmosphäre dringen konnten, wurden Seen, Meere und Flüsse von Methan entdeckt. Es entstand eine topografische Karte von ca. einem Viertel der Titan-Oberfläche mit Bergen, Kratern und Sanddünen ähnlich denen auf der Erde. Es waren auch Fluss-Systeme und durch Regengüsse gefüllte Mulden und Vertiefungen zu sehen.

Titan am 21. April 2017 von Cassini aus gesehen
(Bild: NASA / JPL-Caltech / Space Science Institute)

Titans Oberflächentemperatur liegt bei – 180° Celsius, ist also viel zu kalt für flüssiges Wasser. Unter seiner Oberfläche wurde aber ein Ozean aus flüssigem Salzwasser und Ammonium gefunden. Titan ist der einzige Mond im Sonnensystem mit einer dichten Atmosphäre, seine Größe entspricht in etwa der des Planeten Merkur.

Er befindet sich zu Saturn in einer gebunden Rotation, wendet ihm also stets dieselbe Seite zu. Ein Tag auf Titan dauert ca. 16 Erdtage, das entspricht der Dauer des Umlaufes um den Saturn. Die Jahreszeiten wechseln im Laufe des Saturnjahres, d.h. in 29 Erdjahren – einem Umlauf des Saturn um die Sonne – ändern sich die jahreszeitlichen Lichtverhältnisse auf dem Saturnmond.

Die Radarstrahlen des in Italien entwickelten Ku-Band-Radars lieferten bei der letzten Passage Daten aus der Nordpolregion, die die Titan-Karte um ein gutes Stück vergrößerten. Die Wissenschaftler werteten die gewonnenen Daten aus und entdeckten dabei auch eine Region im Ligeia Mare, eines von Titans Kohlenwasserstoff-Meeren, die sie „magic island“ nannten. Die Wissenschaftler nehmen an, dass diese Erscheinungen höchstwahrscheinlich durch Wind und Wellen verursacht werden.

Cassini hat inzwischen seine Parabol-Antenne in Flugrichtung ausgerichtet. Der Durchflug soll in einem Bereich zwischen der Saturn Oberfläche und etwa 300 km vor Beginn des sichtbaren Bereiches des D-Rings erfolgen. In diesem Ausschnitt zeigt die Kamera also keine Partikel mehr und es wird davon ausgegangen, dass sich dort auch nur noch mikrometergroße Teilchen aufhalten können. Man möchte aber kein Risiko eingehen und verwendet die Antenne gewissermaßen als Schutzschild, um die empfindlichen Computer und Instrumente im Inneren der Sonde zu schützen, während sie mit 122.000 km/h durch diesen Bereich fliegt. Schon ein kleines Teilchen kann bei dieser hohen Geschwindigkeit beträchtlichen Schaden anrichten.

Die Wissenschaftler verwenden ihre besten Rechenmodelle der Saturnringe, um den Kurs der Sonde zu bestimmen, vor allem in dem anvisierten Bereich. Die Abstiegsbahn wurde zudem so ausgelegt, dass die Sonde, auch wenn durch einen Schaden kein weiterer Kontakt mehr möglich sein sollte, nach 22 Umrundungen kontrolliert in den Saturn stürzt. Dies erfolgt am 15. September 2017. Diese Maßnahme dient vor allem dazu, dass die Cassini Sonde nicht nach Missionsende auf einen der Monde stürzt auf dem mikroskopisches Leben vermutet wird. Trotz sorgfältiger hygienischer Arbeiten auf der Erde soll eine Kontamination mit irdischen Mikroben in jedem Falle ausgeschlossen werden.

Das Cassini Projekt, angedacht in den 1980ern, hat etwa 3,3 Mrd $ insgesamt gekostet. Cassini wurde im Oktober 1997 von Cape Canaveral auf einer Titan IV gestartet. Nach einem Flyby an Venus und Jupiter erreichte die Sonde im Juli 2004 Saturn. Es war das erste Raumfahrzeug, das in einen Orbit um Saturn einschwenkte.

Der Orbiter setzte die ESA-Sonde Huygens über Titan ab, die auf seiner Oberfläche landete und wertvolle Daten aus der Atmosphäre und vom Boden lieferte. Cassini hat Saturn seither 260 Mal umrundet und viele Bilder von seiner Atmosphäre und dem mystischen hexagonalen Strudel am Pol geliefert. Außerdem wurden 49 der 62 bisher bekannten Monde auf langen und kurzen Vorbeiflügen beobachtet und fotografiert. Cassini wurde ursprünglich für eine Missionsdauer von vier Jahren konstruiert, aber die Mission wurde von der NASA auf Grund der vielen neuen Erkenntnisse verlängert.

Cassinis Abstiegsbahn – Illustration
(Bild: NASA / JPL-Caltech)

Die nahen Vorbeiflüge an den Saturnringen sollen vor allem für eine genaue Messung ihrer Masse benutzt werden. Besitzen sie mehr Masse als erwartet, sind sie vielleicht schon sehr alt, vielleicht sogar so alt wie Saturn selbst und haben auf Grund ihrer Masse sogar das Mikrometeoriten-Bombardement überlebt. Sind die Ringe weniger massiv als gedacht, sind sie möglicherweise viel jünger und haben sich vor weniger als 100 Millionen Jahren durch den Zerfall eines kleinen Mondes erst gebildet. Außerdem wird die Saturnatmosphäre intensiv untersucht und die innere Struktur des Planeten durch eingehendes Studium des Gravitationsfeldes abgeleitet.

Am Donnerstag den 27. April 2017 um 9.00 Uhr MESZ meldete sich Cassini wohlbehalten nach der ersten Passage zwischen den Ringen zurück. Auch für die nächsten vier Durchgänge, wird Cassini jeweils wieder seine Antenne zum Schutz in Flugrichtung bringen. Die Sonde war programmiert während des Durchflugs Aufnahmen von den Ringen zu machen und lieferte auch ein hochauflösendes Bild im nahen Infrarot von Saturns sechsseitigem Wolkenmuster am Nordpol in der bisher besten verfügbaren Auflösung.

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