Deep Space 1 schläft 1000 Jahre

Nach mehr als erfolgreich getaner Arbeit wird DS1 abgeschaltet, um vielleicht in 1000 Jahren wiederentdeckt zu werden.

Ein Beitrag von Karl Urban. Quelle: NASA.

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Die Raumsonde Deep Space 1 wird nun abgeschaltet – nach zweimal verlängerter Mission.
(Bild: NASA)

„Wir haben etwas an unserem Traktorstrahl, Doktor!“ berichtet der Pilot. „Es ist ein kleines Raumschiff, ein sehr altes, wie es aussieht.“ „Etwa tausend Jahre alt, wenn ich mich nicht irre,“ antwortet der Archäologe. „Passt es in den Frachtraum? Beamen Sie es an Bord, ich möchte einen Blick darauf werfen.“
Die Luft scheint zu schimmern und das Raumfahrzeug materialisiert. Es hat die Form eines eckigen Zylinders in der Größe einer Person mit „Flügeln“ von 10 Metern auf jeder Seite.
„Primitive Solarzellen,“ murmelt der Experte. Die Wände des Raumschiffs sind schwarz geworden durch die sehr lange Einwirkung von Weltraumstrahlung. Es stecken zudem mehrere größere Gesteinsbrocken in der Hülle, als wäre das Schiff einmal einem aktiven Kometen sehr nahe gekommen. Viele tausend Mikrometeoriten haben die Wände stark zugerichtet.
Ein echtes Schiff aus dem frühen Weltraumzeitalter!
Dann entdeckt der Archäologe eine hervorgehobene Stelle in der Isolierung, eine Tasche. Etwas war darin gewesen. Er fasst vorsichtig hinein und zieht eine kleine Kunststoffscheibe heraus. Mit einem Textmarker-Stift sind folgende Wort daraufgekritzelt worden: Deep Space 1.

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Marc Rayman ist Projektmanager beim Projekt Deep Space 1 .
(Bild: NASA)

„Ich stelle mir vor, dass es so passieren wird,“ sagt Mark Rayman, Projektmanager bei der Mission Deep Space 1 (DS1) der NASA, der die CD in der Sonde verstaute, bevor sie 1998 ins All startete. „Die CD ist eine Zeitkapsel,“ erklärt er. „Sie enthält Informationen über das Raumschiff und seine Mission, einige persönliche Botschaften von unserem Team und mehr als 800 Zeichnungen von Schulkindern, die aufmalten, wie sie sich das Leben in 1000 Jahren vorstellen.“
Mit dem nächsten Millennium, sagte er, könnten Grundschüler bereits Sonden zu anderen Sternen schicken. In einer solch fortgeschrittenen Ära, „werden Archäologen sehr interessiert daran sein, zu erfahren, wie wir unsere technischen Probleme im späten 20. Jahrhundert gelöst haben.“

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Als nichts mehr zu verlieren war, durfte DS1 den Kometen Borrelly fotografieren – in unerreichter Qualtität.
(Bild: NASA)

Die Sonde Deep Space 1 ist eine einzige Problemlösung:

Ihre Mission, gesponsert vom New Millenium Program der NASA, war es, 12 bahnbrechende Zukunftstechnologien zu testen. Darunter war auch ein experimenteller Ionenantrieb, hocheffektive Solarzellen und ein Autopilot mit ‚künstlicher Intelligenz‘. „Die Chancen standen gut, dass DS1 gar nicht funktionieren würde; es waren so viele unerprobte Technologien an Bord,“ erinnert sich Rayman.

Trotzdem bewährten sich alle Systeme. Sie arbeiteten so gut, dass die NASA die Mission sogar verlängerte, wovon Rayman und seine Kollegen seit dem Verlassen der Erde von DS1 geträumt hatten: Sie durfte einen Kometen besuchen. Im September 2001, als alle Technologien erfolgreich getestet waren und nichts mehr zu verlieren war, näherte sich DS1 dem schnell verdampfenden Kern des Kometen Borelly. „Wir dachten, dass das Raumfahrzeug pulverisiert werden würde,“ erinnert sich Rayman, aber DS1 überstand auch dies, verrückterweise. Es wurden die besten jemals gemachten Bilder des „Herzens“ eines Kometen aufgezeichnet und die Sonde entfloh ihm intakt.
Nach dem Zusammentreffen mit dem Kometen, führte das DS1-Team weitere Technologie-Tests durch. (Rayman beschreibt diese Phase als „hyper extended mission“.) Aber die Zeit lief ab. Im Dezember 2001 hatte DS1 die dreifache Zeitspanne gearbeitet, als ursprünglich geplant und hatte zudem beinahe seinen Vorrat an Hydrazin verbracht, dem Treibstoff der Düsen, die die Solarzellen auf die Sonne ausrichteten. So hatten das Missionsteam auf der Erde keine andere Wahl, als sie Sonde zu deaktivieren.

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Deep Space 1 Missionslogo
(Bild: NASA)

Die Mission war vorüber…, war sie es wirklich?

„Ich denke dabei eher an den Anfang… der Archäologie-Mission,“ lacht Rayman. „DS1 umkreist weiterhin die Sonne in einem nahezu kreisförmigen Orbit zwischen Erde und Mars – perfekt für eine Zeitkapsel.“
Die meisten interplanetaren Weltraumsonden können niemals zurückerlangt werden. Die Voyager 1-Sonde beispielsweise verließ das Sonnensystem nach dem Zusammentreffen mit Jupiter und Saturn, ebenso wie Pioneer 10 und 11. Galileo tritt im nächsten Jahr in die Jupiter-Atmosphäre ein – ein absichtlicher Schritt, der eventuelles Leben auf dem Jupitermond Europa von terrestrischen Einflüssen beschützen soll. Und die Mars-Orbiter wie Viking 1 und 2 werden vielleicht in der Planetenatmosphäre zerstört.
Im Vergleich zu den anderen ist der Orbit von Deep Space 1 stabil und leicht erreichbar.

Gravitative Zusammenstöße mit Mars und Erde, die sich alle paar Jahre ereignen und der leichte Schub durch die Sonnenstrahlung werden den Orbit mit der Zeit verändern, aber nicht stark,“ sagt Jon Giorgini von der JPL solar system dynamics group. „Durch die Verwendung eines simplen Models des solaren Strahlungsdrucks, habe ich den Orbit des Jahres 3002 n.Chr. bestimmt. Seine Exzentrität, Perihel-Distanz und Inklination werden ganz ähnlich sein, wie sie heute sind.“
„Ich kann nicht sagen, auf welcher Seite der Sonne sich das Raumfahrzeug 3002 aufhalten wird, so dass der Archäologe etwas danach suchen muss.“ Vielleicht genug, um den Nervenkitzel der Entdeckung hinzuzufügen.
Und wenn es gefunden wird? „Ich denke, es wird direkt in den Smithsonian wandern,“ prognostiziert Rayman. „Die einzige reale Frage ist diese: Der Smithsonian-Ableger auf der Erde… oder auf dem Mars?“

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