Kehrt ICE zurück zur Erde, um zu bleiben?

1977 und 1978 starteten NASA und ESA insgesamt drei Raumsonden in einem Programm namens International Sun Earth Explorer (ISEE). Ziel war die Gewinnung neuer Kenntnisse über das Magnetfeld der Erde und seine Wechselwirkung mit der Sonne. Die zuletzt gestartete Sonde ISEE 3 hatte die längste Missionsdauer und kehrt im Sommer 2014 zurück zur Erde. Das ICE Reboot Project der Raumfahrtenthusiasten vom Space College möchte die Uraltsonde wieder einfangen und für die Wissenschaft nutzbar machen.

Ein Beitrag von Roman van Genabith. Quelle: AMSAT-DL, NASA, Space College, UniverseToday.

NASA
ISEE 3 im All – Illustration
(Bild: NASA)

Sonne-Erde Erkundung
Das ISEE-Programm war ein von der US-amerikanischen Luft-und Raumfahrtbehörde NASA und der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in den Jahren 1977-1978 begonnenes Programm, bestehend aus drei Raumsonden, den 1977 gestarteten ISEE 1 und ISEE 2, sowie der 1978 gestarteten ISEE 3. Ziel war die Erforschung der Wirkung des Sonnenwindes und dessen Wechselwirkung mit der äußeren Magnetosphäre der Erde.

Alle drei Fahrzeuge trugen europäische und amerikanische Instrumente gleichermaßen. Alle ISEE-Sonden verfügten über Solarzellen als primäre Energiequelle. Während ISEE 1 und 2, ursprüngliche Projektnamen ISEE a und b, in stark elliptischen Erdumlaufbahnen verblieben und nach einem Betrieb deutlich über der projektierten Einsatzzeit von drei Jahren 1987 in der Atmosphäre verglühten, trat ISEE eine interessante Reise an.

Sonne, Erde und Kometen
Nachdem ISEE 3, die am 22. August 1978 mit einer Startmasse von 469 kg vom Launch Complex 17B der Cape Canaveral Air Force Station (CCAFS) an Bord einer von McDonnell Douglas gebauten Delta 2914 Rakete gestartet wurde, als erste Raumsonde drei Jahre in einem Orbit um den Lagrange-Punkt L1 in etwa 1,5 Millionen km Entfernung zur Erde gearbeitet hatte, leitete die NASA schließlich am 10. Juni 1982 verschiedene Manöver ein, die die Raumsonde aus dem Erde-Mond-System hinausführen sollten. Hierfür waren verschiedene FlyBys (auch Gravity Assist Manöver genannt) notwendig.

NASA
ISEE-3-Manöver vom Erdorbit bis zur Kometenerkundung
(Bild: NASA)

Der erste FlyBy am Mond erfolgte am 16. Oktober 1982. Am 8. Februar passierte ISEE 3 schließlich L2, näherte sich dann wieder dem Mond, wo sie am 30. März 1983 einen weiteren FlyBy ausführte und anschließend die Erde mehrfach in niedrigerer Umlaufbahn umkreiste. Nach weiteren SwingBy-Manövern am Mond erreichte sie im Zuge eines letzten FlyBys am 22. Dezember die Fluchtgeschwindigkeit des Erde-Mond-Systems und trat in den interplanetaren Raum ein. Die Sonde wurde nun in ICE (International Cometary Explorer) umbenannt und ging auf Kurs zu Giacobini-Zinner, dessen Schweif sie am 11. September 1985 erreichte und ihn rund 7800 km hinter dem Kometenkern durchflog, während sie wertvolle Messungen durchführte.

Die Sonde hatte ihre minimal projektierte Missionsdauer zu diesem Zeitpunkt bereits um drei Jahre überschritten. Da sich ISEE 3 / ICE aber noch immer in einem einwandfreien technischen Zustand befand, beschloss die NASA eine Weiternutzung, insbesondere, da eine gemeinsame Mission mit der ESA zur Erforschung des Halleyschen Kometen aufgrund von Etatkürzungen bei der NASA im Jahre 1981 scheiterte und diese Kometenerforschung ohne amerikanische Beteiligung zu bleiben drohte. ISEE 3 / ICE bot die nötigen Voraussetzungen: ausreichende Reichweite und passende wissenschaftliche Instrumentierung, sodass sie schließlich nach einer bereits erfolgreich erledigten Kometenerkundung Richtung Halleyscher Komet in Marsch gesetzt wurde.

Der Vorbeiflug im März 1986 erfolgte schließlich in rund 31 Millionen km Entfernung und lieferte so nur begrenzt hilfreiche Ergebnisse. Doch der Weg von ICE war auch jetzt noch keineswegs zu Ende. Ab 1991 erforschte ICE ergänzend zur europäisch-amerikanischen Sonnensonde Ulysses unser Zentralgestirn von einer Umlaufbahn um die Sonne aus.

Space College
ISEE 3 und ihre Antennen im richtigen Verhältnis – Illustration
(Bild: Space College)

Der wissenschaftliche Betrieb von ICE durch die NASA endete im Jahr 1997, wie viele Raumfahrzeuge wurde sie am Ende ihrer Einsatzbetriebszeit jedoch nicht ausgeschaltet. Vergleichbares gilt z.B. für die Zwillingsmarsrover Spirit und Opportunity, deren Funktionsdauer hauptsächlich durch ihre technische Betriebsfähigkeit limitiert wird. Ein beabsichtigtes Herunterfahren der Gefährte wird häufig nicht implementiert, um einen versehentlichen Shutdown zu verhindern, nach dem kein erneutes Inbetriebnehmen mehr möglich wäre. Da die Flugbahn von ICE eine Rückkehr zur Erde im August 2014 vorsah, wurden Antennen des Deep Space Network im Jahr 2008 auf die erwartete Position von ICE ausgerichtet, 11 Jahre nach Außerdienststellung und 19 Jahre nach ihrem Start. Aufgefangene Telemetrie lies erkennen, dass die Sonde noch immer in Betrieb ist, sowie 12 von 13 ihrer wissenschaftlichen Instrumente. Nur fehlte der NASA nun die Möglichkeit zur aktiven Kommunikation mit der Sonde, da die hierfür benötigten Sender bereits 1999 abgebaut worden waren.

Mission Rückkehr
Seit bekannt war, dass ICE noch immer aktiv ist, weitgehend funktionsfähig und zudem noch über ausreichend Treibstoff für weitere Triebwerkszündungen verfügt, wurden verschiedentlich Überlegungen angestellt die Sonde wieder unter Kontrolle zu nehmen und einer neuen Aufgabe zuzuführen. Dabei muss auf die Infrastruktur der NASA verzichtet werden, obwohl die Sonde noch immer deren Eigentum ist.

So gelang es Anfang März 2014 einer Gruppe von Funkamateuren, Signale von ICE, welche zwei 5 Watt S-Band-Sender an Bord hat, an der Sternwarte Bochum zu empfangen, und es wurde in Betracht gezogen, dort einen Uplink einzurichten.

Erste Schritte in diese Richtung unternahm schließlich die Space College Foundation, eine nicht gewinnorientierte Stiftung, die weltweit Studierenden und Jungforschern durch die Teilnahme an akademischen Kursen und Projekten einen Einstieg in eine Laufbahn in der Raumfahrt und Weltraumforschung ermöglichen möchte. Schlüsselaspekte ihrer Tätigkeit bilden dabei Konzepte wie Open Source, Open Data oder Crowd Sourcing, die eine Beteiligung und Einbeziehung weiter Teile der interessierten Allgemeinheit adressieren. Das ICE Reboot Project wird die erste größere Unternehmung der Stiftung und kann schon jetzt als bemerkenswerte Leistung betrachtet werden.

NASA
ISEE 3 vor dem Start in einer Testkammer
(Bild: NASA)

Status und Ausblick
Am 29. Mai 2014, vor bald zwei Wochen, gelang es Studenten des Space College eine Zwei-Wege-Kommunikation mit ICE herzustellen. Die Studenten hatten ihr Hauptquartier in einem geschlossenen Schnellrestaurant auf dem Gelände des NASA Ames Research Park aufgeschlagen. In diesem sog. Building 596 hatte sich zuvor bereits das Lunar Orbiter Image Recovery Project eingerichtet, dessen Ziel es ist, 50 Jahre alte Bandaufzeichnungen eines frühen NASA Mondorbiters zu digitalisieren. Von dieser auch als McMoons bezeichneten provisorischen Kommandozentrale kommunizieren die Space College-Studenten seit Kurzem über ihre Laptops mit dem über 30 Jahre alten Raumfahrzeug.

Als Bodenstation für das ICE Reboot Project fungiert das Radioteleskop in Arecibo. Um überhaupt mit dem Versuch der Rückholung von ICE beginnen zu können, benötigte Space College zunächst eine Genehmigung der NASA. Dieser mit der Firma SkyCorp Inc., die als Partner von SpaceCollege.org auftritt, abgeschlossene „Non-Reimbursable Space Act Agreement“ (NRSAA), der am 21. Mai 2014 unterzeichnet wurde, erlaubt die Kontaktaufnahme und ggf. Steuerung von ICE bis zum 25. Juni 2014.

In den folgenden Tagen wurde eine Auswertung der empfangenen Telemetrie vorgenommen. Die erreichte Bitrate lag bei 512 Bit pro Sekunde. Mit einer ihrer ersten Aktionen versetzten die Amateur-Spacecraft Operators ICE in den Engeneering Telemetry Mode, um den Zustand von Sonde und Instrumenten besser diagnostizieren zu können. Bei den ersten Kontakten mit ICE kam unter anderem ein eigens angepasster Transmitter der deutschen Dirk Fischer Elektronik zum Einsatz.

Laut empfangener Telemetrie verfügt ICE derzeit über eine Eigenrotation von 19,16 Umdrehungen pro Minute (rpm), die Missionsspezifikation lag bei 19,75 rpm bei einer Abweichung von +-0,2. Die Ausrichtung zur Ekliptik beträgt derzeit 90,71 Grad, der Missionsparameter sieht hier einen Wert von 90 Grad bei einer Abweichung von +-1,5 Grad vor. Die empfangenen Werte zeigen die Sonde somit vergleichsweise nah an den ursprünglichen Vorgaben, und das nachdem ICE inzwischen 14 Jahre auf sich selbst gestellt ist. Ferner konnten erste Erkenntnisse über den Status der wissenschaftlichen Nutzlast gewonnen werden, welche hier im Detail nachzulesen sind. ICE verfügt über eine Power Margin von +28 Watt, ein Wert, der für einen Zeitpunkt nach vier Jahren im Einsatz projektiert wurde.

Als ein nächster Schritt ist der Versuch eines Bahnkorrekturmanövers für den 17. Juni 2014 geplant, wie UniverseToday berichtet. Das wird u.A. nötig, um sicherzustellen, dass ICE nicht auf dem Mond zerschellt, da sich die Sonde nicht am vom JPL vorausberechneten Punkt befunden hat, als Space College den Kontakt wiederherstellte. Auch ein Einschlag auf der Erde, bzw. in diesem Fall das Verglühen der Sonde, läge im Bereich des Möglichen, auch wenn die Wahrscheinlichkeiten für beide Szenarien gering sind.

Ziel des ICE Reboot Project ist es, ISEE 3 / ICE wieder in eine stabile Umlaufbahn um die Erde zu bringen und ihre wissenschaftlichen Instrumente der weltweiten akademischen Öffentlichkeit als freie Forschungsplattform zur Verfügung zu stellen.

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