Der Falke ist gelandet

Hayabusa konnte Material aufnehmen und hat damit den schwierigsten Teil ihrer Mission gemeistert. Dem voraus gingen ein Fehlversuch sowie der Verlust von Minerva. Und wieder macht ein wichtiges Bauteil Probleme.

Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: 5thstar/Planetary Society/JAXA.

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Minerva kurz nach dem Aussetzen, siehe Kreis bzw. Vergrößerung im Quadrat (zum Vergrößern anklicken).
(Bild: JAXA/ISAS)

Diese Mission ist so spannend wie ein Spielfilm! Was bisher geschah: Vor zwei Wochen hatte Japans Asteroidensonde Hayabusa (deutsch “Falke”) bei einer Generalprobe des Abstiegs den “Asteroidenhüpfer” Minerva von der Größe einer Kaffeekanne ausgesetzt (Raumfahrer.net berichtete). Da sich die Sonde zum Zeitpunkt des Aussetzens aber (notwendigerweise) schon im autonomen Steuerungsmodus befand, traf das Aussetzen unglücklicherweise mit einer momentanen Aufwärtsbewegung der Sonde zusammen. Und weil sich Minerva langsamer abwärts bewegte als Hayabusa aufwärts, hatte Minerva wegen der kaum vorhandenen Gravitation des Asteroiden keine Chance, jemals dessen Oberfläche zu erreichen. Die beiden Sonden hatten noch 18 Stunden lang Funkkontakt miteinander, bis Minerva schließlich außer Reichweite geriet und der kleine Roboter verstummte.

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Zielmarkierer kurz nach dem Aussetzen.
(Bild: JAXA/ISAS)

Erster Landungsversuch
Letzte Woche Samstag sollte dann der erste richtige Abstieg hinunter auf “Itokawa” mit Probensammeln starten (“Abstieg” ist hier freilich ein relativer Begriff, da der nur 540 x 310 x 250 Meter große Asteroid über kaum nennenswerte Gravitation verfügt und es somit nur geringen Schubs bedarf, sich über ihm zu halten). Es begann auch wie geplant: Hayabusa wurde per direkter Steuerung in die Nähe von “Itokawa” gelotst und dann im autonomen Modus sich selbst überlassen. Nur noch ein periodisch ausgesandtes Funkfeuer-Signal, das aber erstaunlich detailliert ausgewertet werden konnte, verriet dem japanischen Team im Kontrollraum in Sagamihara, was sich über “Itokawa” tat. Die Sonde stieg ab und verringerte dabei ihre Abstiegsgeschwindigkeit immer weiter. Schließlich setzte sie planmäßig einen so genannten “Zielmarkierer” aus: Ein kleiner heller Ball, der als Referenzpunkt auf der Oberfläche dienen sollte. Dieses Manöver glückte problemlos.

Hayabusa setzte den Abstieg weiter fort, ging in 17 Meter Höhe gar vom kontrollierten Abstieg in freien Fall über. Während einer Unterbrechung, in der durch die Erdrotation bedingt von einer Antennenstation in USA auf eine in Japan umgeschaltet werden musste, ging dann das Funksignal zwangsweise verloren. Als es wieder da war, schien Hayabusa aber immer noch nicht auf der Oberfläche zu sein, sondern trieb weiterhin in gleichbleibend geringer Höhe darüber hinweg. Die Sonde schien sich nicht entschließen zu können, was sie tun sollte. Die Teammitglieder waren ratlos.

Die sonnenbeschienene Oberfläche des Asteroiden entwickelt Temperaturen von über 100 Grad Celsius. Da das Team befürchtete, dass Hayabusa durch die abgestrahlte Wärme Schaden nehmen könnte, schickte es nach einer halben Stunde schließlich einen Notbefehl zum Abbruch und sofortigen Aufstieg vom Asteroiden. Die Sonde reagierte prompt, zündete ihre Triebwerke und schoss weit weg von “Itokawa”, wurde erst in etwa 100 Kilometer Entfernung wieder von der Erde aus gestoppt und ging in einen Sicherheitsmodus.

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Höhenmessungen während der ersten Landung. Die Sonde hat aufgesetzt, ist wieder hochgesprungen und hat erst 20 Minuten später endgültig aufgesetzt.
(Bild: JAXA/ISAS)

Dort hatte das Team nun endlich Zeit und Ruhe, die aufgezeichneten Daten aus dem Bordcomputer herunterzuladen und auszuwerten. Und dabei stellte sich Erstaunliches heraus: In der Zeit, in der durch das Umschalten der Antennenstation das Funksignal ausgesetzt hatte, war Hayabusa selbstständig bis auf die Asteroidenoberfläche abgestiegen und weich gelandet! In dem Moment, als das Signal wieder da war, ruhte die Sonde bereits auf der Oberfläche! Und in der folgenden halben Stunde, in der das Team sein “Baby” aufgrund der Dopplerauswertung des Funkfeuersignals über dem Asteroiden in konstanter Höhe dahintreibend wähnte, stand es die ganze Zeit auf der heißen Oberfläche – und hatte sich immer weiter aufgeheizt!

Hayabusa hatte zwar aufgesetzt, aber keine Proben gesammelt. Als Grund dafür stellte sich nun heraus, dass der “Hindernissensor” der Sonde angesprochen hatte. Dieser sollte verhindern, dass bei einer Landung über unebenem Gelände nicht das spezielle “Probensammelhorn” den Boden berührt, sondern ein nicht dafür ausgelegter Teil der Sonde. So könnte etwa ein Bodenkontakt der sperrigen und zerbrechlichen Solarpaneele diese allein schon durch die mechanische Trägheit der immerhin sechs Meter langen und 500 Kilogramm massigen Raumsonde beschädigen, und dann wäre die Mission verloren gewesen. Dieser Hindernissensor meinte also ein Hindernis erkannt zu haben, und da dann der Probensammelmechanismus außer Kraft gesetzt ist, hatte die Sonde trotz der halbwegs geglückten Landung keine Proben gesammelt (und das Team nicht gemerkt, dass die Sonde längst gelandet war).

Wie sich später heraus stellte, hatte der Sensor sich vermutlich nur durch Schatten irritieren lassen, ähnlich wie der Bildprozessor des autonomen Steuerungssystems bei der ersten, gescheiterten Generalprobe am 4. November. Der Aufenthalt auf der heißen Oberfläche scheint keine größeren Schäden verursacht zu haben, lediglich ein leichter Schaden an einem Heizelement wurde gemeldet.

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Das Hauptgebäude des ISAS-Labors.
(Bild: JAXA/ISAS)

Für diejenigen, die sich im Raumfahrtgeschäft auskennen, kam das Scheitern des ersten Abstiegs wenig überraschend. Der erfahrene NASA-Wissenschaftler Donald K. Yeomans, der von Seiten des JPL aus der Ferne an der Hayabusa-Mission beteiligt ist (und übrigens für eine gewisse NASA-Mission namens Deep Impact mit verantwortlich war) zollte den Japanern höchstes Lob allein schon für die bisher erbrachte Leistung, noch dazu angesichts des schmalen Budgets von nur 170 Millionen Dollar, ein Drittel einer typischen NASA-Discovery-Mission. Er räumte ihnen jetzt schon einen Platz unter den führenden Raumfahrtnationen der Welt ein.
Und selbst wenn kein weiterer Abstieg mehr erfolgt wäre: Auch dann war Hayabusa die erste Raumsonde überhaupt, die auf einem Asteroiden gelandet und wieder davon gestartet ist. Die Raumsonde NEAR der NASA landete 2001, am Ende ihrer Mission, zwar unbeschädigt auf dem Asteroiden “Eros”, startete aber nicht mehr und liegt heute noch dort.

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Der Zielmarkierer auf der Oberfläche von “Itokawa”, innerhalb der Fläche “Muses Sea” (zum Vergrößern anklicken).
(Bild: JAXA/ISAS)

Zweiter Landungsversuch
Im Laufe der letzten Woche pirschte sich Hayabusa, nun wieder von der Erde aus gesteuert, mit ihrem Ionentriebwerk erneut an “Itokawa” heran, und in der Nacht von Freitag auf Samstag (unserer Zeit) begann Hayabusa einen erneuten Abstieg aus einer Höhe von etwa einem Kilometer. Das Team hat aus jedem der bisherigen Abstiegsversuche gelernt und ist jedesmal weiter gekommen als vorher, und auch diesmal hat sich die bereits gemachte Erfahrung wieder ausgezahlt: Der Hindernissensor wurde diesmal einfach ausgeschaltet, da als Zielterrain ohnehin wieder die glatte Fläche “Muses Sea” vorgesehen war. Auch war die Sonde diesmal so programmiert, dass es keinen Aufstieg geben würde, bevor nicht der Probensammelmechanismus ausgelöst hatte. Der Zielmarkierer vom ersten Versuch vor einer Woche wurde wieder entdeckt und hätte erneut benutzt werden können. Aber da das Team nun ohnehin das erforderliche Know-How hatte, wie man auf den Asteroiden absteigt, verzichtete es auf die Nutzung des Markierers und setzte auch keinen zweiten Markierer aus.

Mit diesen Markierern hat es eine besondere Bewandtnis: Darauf sind ca. 880.000 Namen von Personen auf der Erde in winzigster Schrift eingelasert, die sich im Jahre 2002 bei der “Planetary Society of Japan” online via Internet registrieren lassen konnten. Der eine ausgesetzte Ball mit den Namen darauf könnte noch in Milliarden Jahren auf dem Asteroiden durchs All treiben, wenn es die Menschheit schon lange nicht mehr gibt. Nach einer eingehenden Analyse von “Itokawas” bisherigem, chaotisch und labil anmutenden Orbit um die Sonne erscheint es der Jaxa allerdings als wahrscheinlicher, dass er früher oder später auf einen der großen “Gravitationsstaubsauger” des Sonnensystems, wie etwa Jupiter oder die Sonne selbst, stürzen wird. (Aber eine Million Jahre wird ja wohl drin sein, und ist auch schon ordentlich lang…)

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Hayabusas Sammelhorn in Aktion.
(Illustration: JAXA/ISAS)

Der Abstieg klappte diesmal wie am Schnürchen: Etwa 40 Minuten nach dem Übergang in den autonomen Steuerungsmodus konnte das Team dem Funkfeuersignal entnehmen, dass der Probensammelmechanismus ausgelöst hatte! Dieser besteht im Wesentlichen darin, dass das Probensammelhorn auf der Oberfläche aufsetzt, dadurch leicht zusammengeschoben wird und wiederum eine Schussvorrichtung an seinem oberen Ende auslöst, die kurz nacheinander zwei kleine Projektile aus Tantal in den Boden feuert. Eine Wolke von Bodenpartikeln stiebt in das Horn auf, einiges davon bis in das obere Ende des Horns… wo sich eine Probensammelkammer befindet, die jetzt also Originalmaterial des Asteroiden enthalten dürfte. Der ganze Vorgang wird allenfalls wenige Sekunden gedauert haben, und es ist nicht viel Material gesammelt worden, noch nicht einmal ein Gramm vermutlich, aber es reicht allemal für eingehende Analysen. Ob es wirklich funktioniert hat, wird man freilich erst wissen, wenn die Probensammelkammer bis auf die Erde zurück gelangt – und das ist noch ein weiter Weg von 180 Millionen Kilometer.

Unmittelbar nach der Landung stieg Hayabusa wieder auf und begab sich in die sichere Grundposition in einigen Kilometern Entfernung. Dort konnte sie ihre Hochgewinn-Antenne wieder zur Erde ausrichten und die normale Funkverbindung wieder aufnehmen, und die aufgezeichneten Daten sollten nun zur Bodenstation überspielt und ausgewertet werden.

Doch schon während des Abstiegs hatte es Anzeichen für ein Problem mit einem der Manövriertriebwerke zur Lageregelung gegeben. Aber zu diesem Zeitpunkt konnte das Team auf ein Reservesystem umschalten und den Abstieg fortsetzen. Jetzt versuchte das Team wieder auf das Hauptsystem zurückzuschalten – und das Problem trat erneut auf und führte dazu, dass der Bordcomputer unmittelbar in den Sicherheitsmodus überging. Das Team muss nun erst den Sicherheitsmodus zurücksetzen und die Lage klären, bevor weitere, detaillierte Daten herunter geladen werden können.

Worin genau das Problem mit dem Manövriertriebwerk besteht, ist noch nicht bekannt. Es könnte sich um ein Leck handeln. Da es schon vor der zweiten Landung auftrat und ein solches Leck kaum im freien Raum entstehen kann, vermutete Jun’ichiro Kawaguchi, der Projektmanager der Mission auf einer Pressekonferenz, dass das Problem bei der ersten Landung verursacht wurde. Näheres ist noch nicht bekannt.

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Projektmanager Prof. Jun’ichiro Kawaguchi (3.v.l.), JAXA Executive Director Prof. Hajime Inoue, Prof. Kuninori Uesugi (Missionsberater) und Prof. Matogawa bei einer Pressekonferenz (zum Vergrößern anklicken).
(Bild: JAXA/ISAS)

Es ist auf jeden Fall zu einem Verlust von Treibstoff gekommen. Im Moment ist die Größe dieses Verlusts noch nicht Besorgnis erregend. Aber sie erschwert auf jeden Fall die Rückkehr zur Erde. Denn das Ionentriebwerk von Hayabusa als Hauptantrieb hat zwar ein eigenes, unabhängiges Treibstoffreservoir, aber zur Lageregelung ist die Raumsonde seit dem Ausfall von zwei der drei Drallräder auch während der Heimreise auf die Manövriertriebwerke angewiesen.

Einen weiteren Abstiegsversuch wird es nun vermutlich nicht mehr geben, obwohl dies ursprünglich geplant war. Denn die Zeit drängt: Spätestens Anfang Dezember muss Hayabusa den langen Rückweg zur Erde antreten, sonst werden die Positionen von “Itokawa” und Erde zu ungünstig und die Raumsonde verfehlt ihr Ziel. Aber selbst wenn die noch bevor stehenden Herausforderungen nicht gemeistert werden können und Hayabusa den Weg zur Erde zurück nicht schaffen sollte, hat diese hochkomplexe Mission doch schon erstaunliche Erfolge angesammelt, darunter einige Premieren der Raumfahrtgeschichte. Diese Erfolge kann den Japanern nun niemand mehr nehmen.

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