Der Marsianer. Der Mars-Film lebt noch!

Ein großer Film geht an den Start. Andreas Weise hat ihn schon gesehen.

Autor: Andreas Weise. Quelle: Kinobesuch.

Der Marsianer aktuell auf einer Litfaßsäule (Bild: privat)

Die Vorgeschichte – Eine Geschichte von Katastrophen:
Unser roter Nachbarplanet im Sonnensystem, der Mars, hat schon immer unsere Phantasie angeregt. Was ist dort los? Wie sieht es da aus? Kann man dort hin? Als H. G. Wels 1898 mutmaßliche Marsbewohner in seinem epochalen Roman „Der Krieg der Welten“ mit nicht unbedingt friedlichen Absichten zu uns kommen ließ, war an Raumfahrt noch nicht zu denken.

Ein halbes Jahrhundert später, genauer gesagt 1950, startete dann in den USA der Film „Rocketship XM“, der den Auftakt zu einem ganzen Genre gab. Vermutlich zum ersten mal in der Filmgeschichte landete ein Raumschiff auf dem Mars Not! Und das 11 Jahre bevor überhaupt ein Mensch die Erde mit einem Raumschiff verlassen würde. Nun, den Streifen hat man heute zurecht vergessen.

Und die verunglückten Marsexpeditionen setzten sich fort. 1959 im sowjetischen Film „Der Himmel ruft“ schafften es sowjetische und amerikanische Raumfahrer nur mit Mühe bis zu einem Asteroiden in Marsnähe. Vier Jahre später, 1963, eilte man im sowjetischen Film „Begegnung im All“ einem außerirdischen Wesen, das auf dem Mars notgelandet war, zu Hilfe.

1964 erwischte es dann auch die Amerikaner. In „Notlandung im Weltraum“ (alias „Robinson Crusoe auf dem Mars“) machten Astronauten auf dem Mars Bruch und befreiten nebenbei gleich einmal einen Eingeborenen.

Aber vielleicht war ja auch alles eine große Lüge. Das behauptete 1977 der amerikanische Thriller „Capricorn One“ alias „Unternehmen Capricorn“. Es ging um eine gefälschte Mars-Landung, die dann ihrerseits in einer Katastrophe endete.

Und die Abstürze gingen weiter: 2000 machte die Crew im Film „Red Planet“ auf dem Mars Bruch. Zum Schluss des Films kam nur einer durch. Ein Jahr später, 2001, schlug die Besatzung des spanischen Films „Stranded“ hart auf dem roten Planeten auf. Ausgang und Rettung sind bis heute ungewiss. Zuvor aber war in „Mission to Mars“ (2000) sowohl die Marsexpedition als auch die Rettungsexpedition verunglückt. Hier gab es allerdings ein Happy End und nebenbei die Erleuchtung, dass das mit der Evolution auf der Erde alles Quatsch ist, da das Leben vom Mars kommt/kam (oder so ähnlich…).

Den derzeitigen traurigen Höhepunkt aller Marsunglücks- und Marskatastrophenfilme bildet der anglo-amerikanische-Horrorfilm „The Last Days On Mars“, erschienen 2013. Eine Zombieseuche rottet hier die Forschungsastronauten auf dem Mars aus. Der Film ist im Bühnenbild wirklich gut gemacht. Die Story ist sehr schlecht. Dank gebührt den deutschen Filmverleihern dafür, dass dieses Werk nicht in die deutschen Kinos kam.

2015 kommt nun mit „Der Marsianer“ ein neuer Marsunglücks-Film in die Lichtspielhäuser.

Und jetzt wird alles anders!
Gute Geschichten sind offensichtlich nicht immer leicht zu finden. Der Amerikaner Andy Weir hat so eine gute Geschichte geschrieben. Einen Roman. Und was für einen! Zuerst wollte kein Verlag sein Erstlingswerk herausbringen. Jetzt ist er auf der Bestsellerliste der New York Times.

Folgerichtig meldete sich Hollywood. Seit Mai 2014 arbeitete der Star-Regisseur Ridley Scott an einer Verfilmung. Dieser ließ für die Story extra die Arbeiten an „PROMETHEUS-2“ ruhen. Kein geringerer als Matt Damon spielt die Hauptrolle. Das Ergebnis kommt jetzt am 8. Oktober 2015 in die Kinos.

Die Romanvorlage ….
… wurde im Forum des Raumfahrer.net e.V schon behandelt.

Ich selbst habe selten mit einer solch großen Begeisterung 500 Romanseiten in kürzester Zeit gelesen, um dann gleich das Ganze noch einmal zu verschlingen.

Eine ganz besondere Faszination geht von der Geschichte aus. Viele der beschriebenen Technologien sind heute schon machbar. Man möge das Buch also einen Realo-Sci-Fi-Roman nennen. Und die Fachleute sind begeistert. Ulrich Köhler vom DLR in Berlin-Adlershof bestätigte mir einen fachlich realistischen Hintergrund. Auch er hatte das Buch mit Begeisterung gelesen. Freilich, die Geschichte bleibt natürlich ein Märchen, da schon der politische Wille in den USA fehlt, eine Expedition wie die beschriebene überhaupt finanziell umzusetzen. Aber man wird ja mal träumen dürfen.

Wer die Geschichte noch nicht kennt: Bei einer Marsexpedition wird Astronaut Mark Watney nach dem plötzlichen Abbruch der Expedition versehentlich auf dem Mars zurückgelassen. Man hält ihn für tot. Aber er hat überlebt. Jetzt plant er sein Überleben. Und er lässt sich dabei etwas einfallen – und natürlich wird am Ende alles gut. Und dass die Story ohne jede Mystik, Alien-Phobie oder sonstige Ungereimtheiten auskommt, ist einfach großartig. Sie ist logisch und physikalisch korrekt aufgebaut. Die Spannung bleibt bis zum Schluss.

Empfehlenswert ist, sich den Roman vor dem Gang ins Kino durchzulesen. Man wird seine helle Freude an dem Witz, der Ironie und dem lebensbejahenden Sarkasmus des Haupthelden haben. Allerdings bleibt nicht mehr viel Zeit … bis zum Kinostart am 8. Oktober 2015.

Bei dem Wetter ab ins Kino! (Bild: privat)

Zum Film:
Ich hatte Gelegenheit, eine Pressevorführung in der Original-Version und in 3D vorab zu sehen. Zur Einstimmung gab es einen Kurzfilm des DLR Berlin mit einem virtuellen Flug über den Mars und allen in der Geschichte vorkommenden Orten der Geschehnisse. Auf der Internetseite des DLR kann man übrigens entsprechendes Begleitmaterial ansehen. (Artikel bei DLR_next)

Der Film selber hält sich nicht einhundertprozentig an die Romanvorlage. Das war bei so einem dicken Buch auch nicht zu erwarten. Allein die Hörbuchausgabe ist über 12 Stunden lang. Einige Szenen und Erlebnisse sind im Film also dem Cutter zum Opfer gefallen. So wurde das Abenteuer mit der abgerissenen Schleuse, dem defekten Raumanzug und der darauf folgenden Dramatik sehr zusammengestrichen. Die lange Fahrt über die Marsoberfläche ist auf ein Minimum gekürzt.

Auch andere Ereignisse gehen zu schnell und zu glatt über die Bühne. Genannt sei hier nur die Übernahme des Frachtcontainers beim Erdvorbeiflug, die geradezu harmonisch erfolgt. Überhaupt hat man den Eindruck, Scott stand unter einem ganz schönen Zeitdruck bei der Fertigstellung des Films. Sonst hätte er an manchen Stellen nicht so geschludert. Aber was wäre die Alternative gewesen? Vielleicht ein ausführlicher Fernsehfilm in 5 Teilen a 90 Minuten? Mich hätte es gefreut, die Mehrzahl des Kinopublikums möglicherweise nicht.

Das Szenenbild ist geprägt von großartigen Landschaftsaufnahmen auf dem Mars mit Weite und Tiefe. Hier zeigt sich eben der Meister Scott. Anders bei Details. Das Raumschiff Hermes erscheint überproportional groß. Das Platzangebot und Raumvolumen für die Crew ist riesig und wirkt für jeden, der sich ein wenig mit Raumaufteilung z.B. in der internationalen Raumstation ISS beschäftigt hat, geradezu unreal. Die Raumfahrer verlieren sich fast in der Weite des Raumschiffes.

Bei den Schwerelosigkeitsszenen hat man sich auch nicht mit Ruhm bekleckert. Der Zuschauer spürt geradezu die Drähte, an denen die Schauspiel-Astronauten an der Kamera vorbei gefahren werden. Auch hier scheint der Produktionszeitdruck die Qualität eingeschränkt zu haben. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass entsprechende Computeranimationen zeit- und kostenintensiver gewesen wären, als am Stahlseil vor einer grünen Wand zu hängen. Wie so etwas wirklich gut ausgesehen hätte, konnte man unlängst in „Gravity” sehen.

Die Garderobe, also genauer gesagt die Marsraumanzüge, zeigen eindeutig, woran Scott zuvor gearbeitet hat. Die Gummianzüge und der eiförmige Helm haben große Ähnlichkeit mit den Skaphandern aus Scotts „PROMETHEUS”-Film. Und da er gerade an „PROMETHEUS-2″ arbeitete, liegt der Verdacht nahe, dass er sich hier von Seiten des Designs bedient hat. Schade! Ein wenig mehr Realismus in Bezug auf marsianische Gegebenheiten wären hier wünschenswert gewesen.

Kleiner Lacher, sagen wir lieber Schmunzler, am Ende des Films: Im Abspann wird die nächste Marsmission gestartet. Als ESA-Astronaut mit dabei: Ein Brite. Als ob Großbritannien sich intensiv mit bemannter Raumfahrt beschäftigen würde. Nun ja. Die Weltpremiere fand in London statt. Das ist dann vermutlich der Tribut an das britische Publikum.

Die Chinesen spielen eine große Rolle, die Russen gar keine Rolle in der Geschichte. Über Wunschdenken und Realitätsnähe soll aber hier nicht diskutiert werden. Es ist halt ein US-Film. Und es ist Sci-Fi! Ein modernes Märchen eben.

Bei den handelnden Charakteren und Organisationen wurde einiges uminterpretiert. Trotzdem macht es einen riesigen Spaß, die betreffenden Personen in Aktion zu erleben. Dabei bekommt jeder sein Fett weg. Sei es das JPL, Mission Control oder die NASA selbst.

Frage: Warum müssen eigentlich Pressesprecherinnen, äh, Communication-Manager, immer langbeinig und blond sein …?!

Für mich war es ein besonderes Highlight, als die Spezialisten der Pathfinder-Mission aus dem Jahre 1996 zusammen getrommelt werden. Alle sind garantiert längst im Ruhestand und alle sehen irgendwie wie Altachtundsechziger aus. Die Szene käme völlig ohne Worte aus.

Die Figur Mark Watney ist natürlich der absolute Hingucker. Wie er sein Videotagebuch führt und so dem Zuschauer, der qausi hinter dem Kameraauge sitzt, seine Welt erklärt, ist schon toll. Witz, Sarkasmus und der unbedingte Wille, sich mit seinem Schicksal nicht abzufinden, dass wird von Matt Damon hervorragend gespielt.

Es wird musikalisch:
Sonst manchmal etwas unbeachtet, spielt die Filmmusik doch eine große Rolle. Sie unterstreicht und verstärkt filmische Stimmungen. Scott konnte hier fast komplett auf Neukompositionen verzichten. Dank Mars-Commander Lewis! Wer das Buch nicht gelesen hat, dem sei erklärt: Watney plündert aus Gründen des Zeitvertreibs das Musikarchiv seiner Kommandantin, das auf dem Mars zurückgeblieben ist. Und die Dame ist nun mal Disco-Fan! Folgerichtig dröhnt Disco über die Weiten der Marslandschaft. Und ich habe im Kinosessel mit gewippt, als Watney unter der Klängen von ABBA seine Rückkehrkapsel ausschlachtet. „Waterloo, finally facing my Waterloo…“ Ja, das ging ab. Einfach lebensbejahend! Nur Stayin’ Alive von den Bee Gees, wie im Buch beschrieben, habe ich vermisst.

Zusammenfassend:
Trotz aller Nörgelei über Unvollkommenheiten in diesem Filmwerk ist festzustellen: Es ist eine tolle und spannende Geschichte. Und es ist vor allem eine gute Geschichte. Es ist eine Geschichte von Menschen, die einander helfen und sich nicht im Stich lassen. Es ist eine Geschichte, die uns etwas lehrt: Nie Aufgeben. Nie den Lebensmut verlieren. Nicht ins Schicksal ergeben, sondern an die Arbeit gehen. Symbolhaft dafür steht für mich die kleine Szene, in der Watney von einem Kruzifix Holzspäne abraspelt, um Feuer zu machen. Hilf dir selbst, so hilft dir Gott.
Und der Filmabspann zeigt, dass es nicht das Ende der Geschichte ist, sondern dass es weiter geht.

Ich bin sehr gespannt auf die deutsche Synchronisation!
Einigen Veröffentlichungen im Netz zu Folge plant die 20th Century Fox den Film „Der Marsianer“ im kommenden Jahr möglicherweise auch als längeren „Directors Cut“ in einer 160 Minuten langen Fassung herauszubringen. Tatsache ist, dass Scott einige Szenen herausschneiden musste, um auf die gewünschte Spiellänge von 141 Minuten zu kommen.

Eine Preview der besonderen Art gab es im Weltraum auf der ISS. Exklusiv wurde der Film am Sonntag, dem 20. September 2015 dort gezeigt. Die Astronauten Scott Kelly und Kjell Lindgren twitterten.

Und nun hinein in die Kinos und hinauf auf den Mars!
Mark Watney lebt … offensichtlich! Und mit ihm der Marsfilm. Ich habe es selbst gesehen! Wirklich!

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