Der wilde kosmische Tanz zweier Galaxien im Blick von ESO-Teleskopen

Das Very Large Telescope (VLT) der ESO hat das Ergebnis einer eindrucksvollen kosmischen Kollision abgelichtet – die Galaxie NGC 7727. Eine Pressemitteilung des ESO Science Outreach Network (ESON).

Quelle: ESON 16. August 2022.

Die Galaxie NGC 7727 ist aus der Verschmelzung zweier Galaxien entstanden, die vor etwa einer Milliarde Jahren begann. Der kosmische Tanz der beiden Galaxien hat zu der eindrucksvollen ziselierten Struktur von NGC 7727 geführt. Im Herzen der Galaxie nähern sich zwei supermassereiche Schwarze Löcher spiralförmig einander an und werden voraussichtlich innerhalb von 250 Millionen Jahren verschmelzen – ein Wimpernschlag in astronomischer Zeit. Dieses Bild von NGC 7727 wurde mit dem FOcal Reducer and low dispersion Spectrograph 2 (FORS2) am Very Large Telescope (VLT) der ESO aufgenommen. (Bild: ESO)

16. August 2022 – Der Riese NGC 7727 entstand aus der Verschmelzung zweier Galaxien, einem Ereignis, das vor etwa einer Milliarde Jahren begann. In ihrem Zentrum befindet sich das nächstgelegene Paar supermassereicher Schwarzer Löcher, das je gefunden wurde – zwei Objekte, die dazu bestimmt sind, zu einem noch massereicheren Schwarzen Loch zu verschmelzen.

So wie man auf einer belebten Straße mit jemandem zusammenstoßen kann, können auch Galaxien zusammenstoßen. Obwohl solche galaktischen Kollisionen viel heftiger sind als eine Rempelei auf einer belebten Straße, begegnen sich einzelne Sterne dabei im Allgemeinen nicht, da die Abstände zwischen ihnen im Vergleich zu ihrer Größe sehr groß sind. Vielmehr tanzen die Galaxien umeinander, wobei die Gravitation Gezeitenkräfte bewirkt, die das Aussehen der beiden Tanzpartner dramatisch verändern. Gezeitenschweife aus Sternen, Gas und Staub werden um die Galaxien herumgeschleudert, während sie schließlich eine neue, verschmolzene Galaxie bilden, was zu der ungeordneten und dennoch wunderschönen, asymmetrischen Form führt, die wir bei NGC 7727 sehen.

Die Folgen dieses kosmischen Zusammenstoßes sind auf diesem Bild der Galaxie, das mit dem FOcal Reducer and Low Dispersion Spectrograph 2 (FORS2) am VLT der ESO aufgenommen wurde, eindrucksvoll zu sehen. Während die Galaxie zuvor bereits von einem anderen ESO-Teleskop aufgenommen wurde, zeigt dieses neue Bild noch mehr Details sowohl im Hauptkörper der Galaxie als auch in den schwachen Gezeitenschweifen um sie herum.

Auf dieser VLT-Aufnahme sehen wir die verschlungenen Pfade, die durch die Verschmelzung der beiden Galaxien entstanden sind, wobei Sterne und Staub voneinander abgestreift wurden, um die ungewöhnlichen langen Arme zu bilden, die NGC 7277 umschließen. Teile dieser Arme sind mit Sternen übersät, die in diesem Bild als helle blau-violette Flecken erscheinen.

Nahaufnahme der beiden hellen galaktischen Kerne in NGC 7727, einer 89 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernten Galaxie im Sternbild Wassermann, die jeweils ein supermassereiches schwarzes Loch beherbergen. Jeder Kern besteht aus einer dichten Gruppe von Sternen mit einem supermassereichen schwarzen Loch in seinem Zentrum. Die beiden schwarzen Löcher befinden sich auf Kollisionskurs und bilden das nächstgelegene Paar von supermassereichen schwarzen Löchern, das bisher gefunden wurde. Es ist auch das Paar mit dem geringsten Abstand zwischen zwei supermassereichen schwarzen Löchern, das bisher gefunden wurde – der Abstand am Himmel beträgt nur 1600 Lichtjahre.
Das Bild wurde mit dem MUSE-Instrument am Very Large Telescope (VLT) der ESO am Paranal-Observatorium in Chile aufgenommen. (Bild: ESO/Voggel et al.)

Außerdem sind auf diesem Bild zwei helle Punkte im Zentrum der Galaxie zu sehen: ein weiteres verräterisches Zeichen für ihre dramatische Vergangenheit. Der Kern von NGC 7727 besteht immer noch aus den beiden ursprünglichen galaktischen Kernen, die jeweils ein supermassereiches Schwarzes Loch beherbergen. Mit einer Entfernung von etwa 89 Millionen Lichtjahren von der Erde im Sternbild Wassermann ist dies das uns am nächsten gelegene Paar supermassereicher Schwarzer Löcher.

Die Schwarzen Löcher in NGC 7727 sind am Himmel nur 1600 Lichtjahre voneinander entfernt und werden voraussichtlich innerhalb von 250 Millionen Jahren verschmelzen, was in astronomischer Zeit nur ein Wimpernschlag ist. Wenn die beiden Schwarzen Löcher verschmelzen, wird ein noch massereicheres Schwarzes Loch entstehen.

Die Suche nach ähnlich verborgenen Paaren supermassereicher Schwarzer Löcher soll mit dem kommenden Extremely Large Telescope (ELT) der ESO, das noch in diesem Jahrzehnt in der chilenischen Atacama-Wüste in Betrieb genommen werden soll, einen großen Sprung nach vorn machen. Mit dem ELT können wir viele weitere solcher Entdeckungen in den Zentren von Galaxien erwarten.

Unsere Heimatgalaxie, in deren Zentrum sich ebenfalls ein supermassereiches Schwarzes Loch befindet, wird in ein paar Milliarden Jahren mit der nächstgelegenen großen Nachbargalaxie verschmelzen, der Andromeda-Galaxie. Vielleicht wird die entstehende Galaxie ähnlich aussehen wie der kosmische Tanz, den wir bei NGC 7727 sehen – dieses Bild könnte uns also einen Blick in die Zukunft gewähren.

Dieses Bild aus dem Digitized Sky Survey (DSS) zeigt die Himmelsregion um NGC 7727, eine Galaxie, die 89 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Wassermann liegt. Die Galaxie ist der helle Fleck in der Mitte.
NGC 7727 beherbergt das Paar supermassereicher schwarzer Löcher, das der Erde bisher am nächsten ist. Es ist auch das Paar mit dem geringsten Abstand zwischen zwei supermassereichen schwarzen Löchern, das bisher gefunden wurde – der Abstand am Himmel beträgt nur 1600 Lichtjahre. (Bild: ESO/Digitized Sky Survey 2. Acknowledgement: Davide De Martin)

Weitere Informationen
Dieses Bild entstand im Zuge des Cosmic-Gems-Programms der ESO (wörtlich „kosmische Edelsteine“), einer Initiative zur Erstellung von astronomischen Aufnahmen von wissenschaftlich interessanten und optisch ansprechenden Objekten mit ESO-Teleskopen für Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Das Programm nutzt Teleskopzeit, die für wissenschaftliche Beobachtungen nicht geeignet wäre. Die gesammelten Daten können auch für wissenschaftliche Zwecke genutzt werden und werden Astronom*innen daher auch über das wissenschaftlichen Archiv der ESO zur Verfügung gestellt.

Die Europäische Südsternwarte (ESO) befähigt Wissenschaftlerinnen weltweit, die Geheimnisse des Universums zum Nutzen aller zu entdecken. Wir entwerfen, bauen und betreiben Observatorien von Weltrang, die Astronominnen nutzen, um spannende Fragen zu beantworten und die Faszination der Astronomie zu wecken. Außerdem fördern wir die internationale Zusammenarbeit in der Astronomie. Die ESO wurde 1962 als zwischenstaatliche Organisation gegründet und wird heute von 16 Mitgliedsländern (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik und dem Vereinigten Königreich) sowie dem Gastland Chile und Australien als strategischem Partner unterstützt. Der Hauptsitz der ESO und ihr Besucherzentrum und Planetarium, die ESO Supernova, befinden sich in der Nähe von München in Deutschland, während die chilenische Atacama-Wüste, ein wunderbarer Ort mit einzigartigen Bedingungen für die Himmelsbeobachtung, unsere Teleskope beherbergt. Die ESO betreibt drei Beobachtungsstandorte: La Silla, Paranal und Chajnantor. Am Standort Paranal betreibt die ESO das Very Large Telescope und das dazugehörige Very Large Telescope Interferometer sowie zwei Durchmusterungsteleskope, VISTA, das im Infraroten arbeitet, und das VLT Survey Telescope für sichtbares Licht. Ebenfalls am Paranal wird die ESO das Cherenkov Telescope Array South betreiben, das größte und empfindlichste Gammastrahlen-Observatorium der Welt. Zusammen mit internationalen Partnern betreibt die ESO auf Chajnantor APEX und ALMA, zwei Einrichtungen zur Beobachtung des Himmels im Millimeter- und Submillimeterbereich. Auf dem Cerro Armazones in der Nähe von Paranal bauen wir „das größte Auge der Welt am Himmel“ – das Extremely Large Telescope der ESO. Von unseren Büros in Santiago de Chile aus unterstützen wir unsere Aktivitäten im Land und arbeiten mit chilenischen Partnern und der Gesellschaft zusammen.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.

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