UV-Satellit eröffnet neuen Blick auf explodierende Sterne und Schwarze Löcher. DESY baut 100-Megapixel-Kamera für israelisches Weltraumteleskop. Eine Pressemeldung des Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY – ein Forschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft.
Quelle: DESY.
Ein neues Weltraumteleskop wird einen bislang unerreichten Blick auf den Sternenhimmel im ultravioletten Licht ermöglichen: Der Satellit ULTRASAT soll grundlegende neue Erkenntnisse über energiereiche Phänomene wie Supernova-Explosionen, kollidierende Neutronensterne und aktive Schwarze Löcher sammeln, die auch Gravitationswellen erzeugen und als kosmische Teilchenbeschleuniger fungieren können. Der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, Otmar D. Wiestler, und der Direktor des Helmholtz-Zentrums DESY, Helmut Dosch, haben am Montag in Rehovot eine Kooperation mit dem israelischen Weizmann-Institut für Wissenschaften über eine deutsche Beteiligung an dem israelisch geführten Vorhaben vereinbart. DESY wird demnach die 100-Megapixel-UV-Kamera für das Weltraumteleskop bauen. Für das Projekt hat DESY sich mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR vernetzt, das ebenfalls zur Helmholtz-Gemeinschaft gehört.
„Helmholtz hat seit Jahrzehnten vielfältige und exzellente wissenschaftliche Kooperationen mit israelischen Partnern. Nun gehen wir gemeinsam mit dem Weizmann-Institut für Wissenschaften einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Gebiet der Astrophysik. Das freut mich außerordentlich“, sagt Helmholtz-Präsident Otmar D. Wiestler. „Die Zusammenarbeit beim Weltraumteleskop ULTRASAT hat das Potenzial, völlig neue Grundlagen für die Detektion von Gravitationswellen und verwandten astrophysikalischen Ereignissen zu schaffen, die international auf Spitzenniveau liegen.“
DESY-Direktor Helmut Dosch ergänzt: „Uns verbindet mit einer Reihe israelischer Partner eine lange, fruchtbare Zusammenarbeit. Diese Erfolgsgeschichte schreiben wir nun mit der Beteiligung an dem anspruchsvollen Satellitenprojekt des Weizmann-Instituts für Wissenschaften fort.“ DESYs Forschungsdirektor für Astroteilchenphysik, Christian Stegmann, betont: „ULTRASAT bietet uns einzigartige Einblicke ins Hochenergie-Universum. Mit der Kamera für das Teleskop kann DESY seine herausragende Expertise in der Detektorentwicklung für die Astroteilchenphysik sowie für die Röntgenphysik kombinieren und einbringen.“
ULTRASAT wird den Himmel im ultravioletten Bereich (220 bis 280 Nanometer Wellenlänge) des elektromagnetischen Spektrums untersuchen und dabei ein besonders großes Gesichtsfeld von 225 Quadratgrad besitzen – das ist rund 1200 Mal so groß wie der Vollmond am irdischen Himmel erscheint. „Diese einzigartige Konfiguration wird uns helfen, einige der großen Fragen der Astrophysik zu beantworten“, betont Chefwissenschaftler Eli Waxman vom Weizmann-Institut für Wissenschaften.
So soll der Satellit beispielsweise nach dem Ursprung der schweren chemischen Elemente fahnden. Außer den leichtesten, vor allem Wasserstoff und Helium, sind die schwereren Elemente erst durch Kernfusion im Kosmos entstanden. Sterne gewinnen aus dieser Kernfusion ihre Energie, doch das funktioniert nur bis zum Eisen. Die Fusion schwererer Elemente wie Blei oder Gold kostet Energie. Diese Elementsynthese geschieht in den gewaltigsten Prozessen im Universum, etwa bei der Explosion eines Sterns als Supernova oder bei der Kollision zweier Neutronensterne – das sind die Kerne ausgebrannter Sonnen, die unter dem eigenen Gewicht so weit in sich zusammengestürzt sind, dass sie eine Dichte haben wie ein gigantischer Atomkern. Jedes Goldatom auf der Erde und im übrigen Kosmos stammt also aus einer explodierenden Sonne oder aus einem Neutronenstern-Crash.
„Wir wollen genau verstehen, wie die Elemente erzeugt und wie sie verteilt werden“, erläutert der Leitende Wissenschaftler David Berge von DESY. Sowohl Supernova-Explosionen als auch Neutronensternkollisionen lassen sich besonders gut im UV-Licht verfolgen, wie Berge betont. „Die direkte Phase einer Supernova in den ersten Minuten, Stunden und Tagen ist vor allem im UV zu sehen. In dieser Zeit enthält das UV-Licht charakteristische Signaturen, die auf den Vorgängerstern schließen lassen.“ Erst danach bricht irgendwann eine Schockwelle aus dem heißen Feuerball, in der auch geladene subatomare Teilchen auf hohe Energien beschleunigt werden. „Der Satellit kann uns also helfen, die Entstehung solcher kosmischen Teilchenbeschleuniger zu verstehen“, sagt Berge. „Wir möchten auch erkunden, welcher Typ Stern in welcher Art Supernova explodiert.“
ULTRASAT ist besonders für energiereiche Phänomene empfindlich. „Alles, was extrem heiß wird, leuchtet hell im UV-Licht“, berichtet DESY-Forscher Rolf Bühler, Projektleiter für die UV-Kamera. Dazu gehören auch aktive Schwarze Löcher, die sich Materie aus der Umgebung einverleiben und ebenfalls Teilchen beschleunigen, sowie kollidierende Neutronensterne. Die Beobachtung von Neutronenstern-Crashs kann dabei nicht nur über die Elementsynthese im Kosmos Aufschluss geben, sondern ist auch für die Gravitationswellen-Forschung von großer Bedeutung. „Wenn von verschmelzenden Neutronensternen Gravitationswellen registriert werden, lässt sich deren Position anhand der Gravitationswellendaten bislang nur grob eingrenzen“, erläutert Bühler. „ULTRASAT kann innerhalb von höchstens 30 Minuten auf die Zielregion schwenken und dank seines großen Gesichtsfeldes die genaue Position anhand der UV-Strahlung nahezu sofort bestimmen.“
Damit hat der Satellit eine entscheidende Funktion für das noch junge Feld der Multi-Messenger-Astronomie (MMA), die das Universum über verschiedene Boten wie kosmische Teilchen, Gravitationswellen und elektromagnetische Strahlung untersucht und einen neuen Schwerpunkt bei DESY bildet. Mit seinem großen Gesichtsfeld wird der Satellit einen besonders großen Himmelsausschnitt im Blick haben und dadurch auch unbekannte, plötzlich aufflammende Objekte im UV-Bereich entdecken können.
Mit einem Gesamtgewicht von nur 160 Kilogramm und einem Volumen von weniger als einem Kubikmeter ist ULTRASAT (Ultraviolett Transient Astronomy Satellite) ein wissenschaftlicher Kleinsatellit. Finanzierung und Management teilen sich das Weizmann-Institut für Wissenschaften und die Israelische Raumfahrtagentur ISA. Der Start ist für 2023 geplant. Anschließend soll das Weltraumteleskop drei Jahre lang Daten sammeln. Es wird dazu in einem Orbit rund 35 000 Kilometer über der Erdoberfläche stationiert. Das garantiert, dass störende ultraviolette Hintergrundstrahlung, die die Erdatmosphäre von der Sonne reflektiert, vernachlässigbar ist und daher große Himmelsbereiche beobachtet werden können. UV-Strahlung lässt sich nur aus dem Erdorbit beobachten, weil sie von der Erdatmosphäre zu großen Teilen absorbiert und reflektiert wird.
Die UV-Kamera, die DESY entwickelt und baut, wird das Herzstück des Teleskops. Sie wird eine UV-empfindliche Sensorfläche von neun mal neun Zentimetern bekommen und eine Auflösung von 100 Megapixel besitzen. Damit betreten die Entwickler Neuland: Eine UV-Weltraumkamera mit derartiger Auflösung und Empfindlichkeit ist bislang nirgends gebaut worden. Für die Kamera arbeiten bei DESY Expertinnen und Experten aus der Astroteilchenphysik mit Spezialistinnen und Spezialisten für Detektorentwicklung aus dem Bereich Forschung mit Synchrotronstrahlung zusammen. Mit dem Projekt trägt DESY etwa 5 Millionen Euro zu dem insgesamt rund 70 Millionen Euro teuren Satelliten bei.
DESY zählt zu den weltweit führenden Teilchenbeschleuniger-Zentren und erforscht die Struktur und Funktion von Materie – vom Wechselspiel kleinster Elementarteilchen, dem Verhalten neuartiger Nanowerkstoffe und lebenswichtiger Biomoleküle bis hin zu den großen Rätseln des Universums. Die Teilchenbeschleuniger und die Nachweisinstrumente, die DESY an seinen Standorten in Hamburg und Zeuthen entwickelt und baut, sind einzigartige Werkzeuge für die Forschung: Sie erzeugen das stärkste Röntgenlicht der Welt, bringen Teilchen auf Rekordenergien und öffnen neue Fenster ins Universum. DESY ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands, und wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent von den Ländern Hamburg und Brandenburg finanziert.