Deutschland sucht die Astro-Frau …

Gedanken zur Initiative „Die Astronautin“

Ein Beitrag von Andreas Weise. Quelle: Veranstaltungsbesuch.

War das ein Fest! Am 19. April 2017 durfte ich bei der Vorstellung der beiden Finalistinnen im Raumfahrt-Projekt „Die Astronautin“ dabei sein. Fernsehteams hatten sich in Position begeben. Die Lokation war sehr nobel gewählt: In Berlin am Pariser Platz, gleich zwischen Hotel Adlon und US-Botschaft, in Sichtweite des Brandenburger Tors. Es gab etwas zu trinken, bedeutsame Reden wurden gehalten … die Stimmung war geradezu Historien-schwanger.

Deutschland schicke sich an, nun endlich auch eine Frau ins All zu bringen, hieß es. Ich hatte Gelegenheit, einige Anwesende zu fragen, ob sie glauben, dass eine der beiden ausgewählten Damen auch tatsächlich in den Weltraum fliegen werden. Die Antwort war immer die Selbe: Natürlich, Einhundertprozentig! Auf meine zweite Frage, ob ich die befragte Person auch so zitieren durfte, war die Antwort ebenso eindeutig: Bitte nicht!

Da fragt man sich trotz der vielen Glückstränen der Begeisterung in den Augen, ob das alles auch wirklich real ist. Deshalb: Tränen auswischen, Augen schließen, und Gedanken finden:

Gedanke 1: Solang es bemannte Raumfahrt gibt …
Solang es bemannte Raumfahrt gibt, steht die Frage: Wie hält man es eigentlich mit dem weiblichen Geschlecht im Weltraum. Für den Filmregisseur Fritz Lang war das kein Problem. In seinem Film „Frau im Mond“ von 1929 war wie selbstverständlich eine Frau mit an Bord der Rakete. Ganz so locker sah dann der Mastermind der sowjetischen Raumfahrt Sergei Pawlowitsch Koroljow die Sache 34 Jahre später nicht. Nach dem nicht ganz glücklichen Flug von Wostok 6 mit der ersten Kosmonautin Walentina Tereschkowa soll er getobt haben. Nie wieder werde ihm ein Weibsbild in ein Raumschiff steigen. Dabei hatte die unglückliche Kosmonautin keine Schuld an dem verkorksten Flug. Aber wie in der Seefahrt war man hinter vorgehaltener Hand auch hier der Meinung: Frauen bringen Unglück an Bord.

Schon die Auswahl der ersten Frau im All zeigte, was man von Ihr erwartete: Lächeln und schweigen. Das Unternehmen war schließlich ein reiner Propagandaflug für Staatschef Chruschtschow. Die Kandidatinnen, die die besseren fachlichen Qualifikationen hatten, aber vielleicht nicht ganz so fotogen waren, gingen leer aus. Es dauerte 19 Jahre, bis wieder eine Frau aus Russland in das All aufbrach. Swetlana Sawizkaja hatte dabei ein entscheidendes Argument an ihrer Seite: Die Amerikaner hatten angekündigt, selber Frauen ins All zu schicken.

Auch heute tut man sich in Russland schwer, Kosmonautinnen zu starten. Unvergessen für alle, die dabei waren, bleibt der Auftritt von Kosmonauten-Urgestein Kowaljonok im Russischen Kulturzentrum in Berlin 2013 anlässlich des 50. Jahrestages des Fluges von Walentina Tereschkowa. Kowaljonok polterte auf der Bühne, dass Frauen im All nichts zu suchen hätten. Die Aufgabe der Männer wäre es bitte schön, die Frauen vor solchen Strapazen zu beschützen. Hier war man von einer Gleichberechtigung noch Lichtjahre entfernt. Aber auch wenn man sich heute mit aktiven Kosmonauten unterhält, erntet man nicht gerade Begeisterungsstürme, wenn es um den Einsatz von Kolleginnen geht.

In den USA mag das ein wenig anders aussehen. Hier haben die Frauen die Chance, sich bis zum Raumflug durchzuboxen. In der dritten großen Raumfahrernation, in China, scheint das alles kein Thema zu sein. Da fliegen Männer und Frauen. Sie machen es einfach.

Gedanke 2: Zur deutschen Geschichte …
Deutschland hat eine lange Tradition im Nicht-Verwirklichen von Raumflügen von Frauen. Vor 30 Jahren (1987!) wurde aus einer Vielzahl von Bewerbern und Bewerberinnen die DLR-Gruppe-2 für die Spacelab-Mission D2 vorgestellt.

Die Gruppe bestand aus Renate Brümmer, Hans Schlegel, Gerhard Thiele, Heike Walpot und Ulrich Walter. Drei Mitglieder dieser Gruppe konnten ihren Weltraumtraum verwirklichen. Zwei blieben am Boden: Eine brünette und eine blonde Dame. Beide damals um die 30 Jahre jung. Jeder, der in Deutschland als Astronaut/Kosmonaut einmal ausgewählt wurde, konnte irgendwann ins All fliegen. (Eine Ausnahme bildete das Double von Sigmund Jähn, Eberhard Köllner.) Keine, die als deutsche Astronautin/Kosmonautin einmal ausgewählt wurde, war bislang im All. Ein schlechtes Omen? Wenn ja, gilt es das zu durchbrechen!

Gedanke 3: Hatten wir nicht schon eine „Erste Deutsche im Weltraum“?
Vor zehn Jahren (2007) gab es ein lautes Rauschen im Medienwald. Sonja Rohde, damals 31, schickte sich an, als Weltraumtouristin im „SpaceShipTwo“ des britischen Milliardärs Richard Branson auf einen suborbitalen Weltraum-Flug zu gehen. Über Monate wurde die attraktive, unternehmungslustige und mutige Dame in der Szene herum gereicht als mutmaßlich erste Deutsche im All. Doch erstens kam es anders und zweitens, als wir dachten (frei nach Wilhelm Busch). Wie bekannt, scheiterte der Weltraumhüpfer bislang am nicht zur Verfügung stehenden Fluggerät. Fortsetzung folgt vielleicht (irgendwann).

von links.: Insa Thiele-Eich, Nicola Baumann
(Bild: Andreas Weise)

Gedanke 4: Die Siegerinnen
Ich hatte mir im Vorfeld der Präsentation der Siegerinnen auf einem Zettel mit den Namen der letzten sechs verbliebenen Kandidatinnen zwei Namen markiert. Ungelogen! Genau diese beiden wurden aus dem Briefumschlag gezaubert: Nämlich die von Nilcola Baumann, Eurofighter-Pilotin aus Köln, und Insa Thiele-Eich, Meteorologin aus Bonn. Dass Frau Insa Thiele-Eichs Vater, der Astronaut Gerhard Thiele, zusammen mit Jury-Mitglied Astronaut Ulrich Walter genau in dem Team mit den angehenden Astronautinnen vor 30 Jahren war, das möge ein dummer Zufall sein. Zumindest möchte ich das glauben.

Warum waren ausgerechnet diese beiden Damen meine Wahl? Ich kenne sie doch gar nicht, und Pressetexte sind Schall und Rauch. Vielleicht, weil sie irgendwie gegensätzlich wirken. Die eine mit hellem Haar, die andere mit dunklem Haar. Hatten wir das nicht schon einmal vor 30 Jahren? Dann ist die eine Kampfpiloten, die andere Wissenschaftlerin. Größer kann der Gegensatz nicht sein.

Aber ich glaube, genau deshalb werden die Beiden ein gutes Team abgeben. Und das müssen sie. Es gilt nicht nur die Ausbildung zur Astronautin/Kosmonautin zu bestehen. Es gilt vor allem auch, sich auf einem anderen Schlachtfeld zu bewähren: Dem der öffentlichen Meinung. Dort geht es teilweise sehr rau und ruppig zu. Als Anmerkung: In BILD (Berlin/Brandenburg) und im Berliner Kurier fand ich einen Tag nach der Präsentation keinen einzigen Hinweis, dass bald eine deutsche Frau ins All aufsteigen soll. Nun sind diese beiden Blätter nicht unbedingt für eine speziell wissenschaftlich interessierte Leserschaft gedacht. Aber sie könnten an der Bildung einer öffentlichen Meinung mitwirken. Auch die Akzeptanz der Öffentlichkeit kann für solch ein Projekt entscheidend sein. (Ok, die Berliner Zeitung hatte ihre ganze Wissenschaftsseite für das Thema reserviert).

Gedanke 5: Scheitern ausgeschlossen (?) !
Es gibt nur einen …. wirklich nur einen einzigen Grund, warum die Privat-Initiative „Die Astronautin“ scheitern könnte. Das fehlende Geld. Es wird einem schwindlig, wenn man die Zahlen hört. Die Rede ist von 50 Millionen Euro, die ein Flug kosten würde. Manchmal redet man auch von 30 Millionen. Was macht das für einen Unterschied? Zur Zeit versucht man über Spenden ca. 50 Tausend (!) Euro zu bekommen, um mit dem Projekt weiter machen zu können. Und selbst das ist im Augenblick nicht gesichert. Nachfragen zur Finanzierung wurden in der Pressekonferenz abgewimmelt. Es sieht also vielleicht sehr düster aus. Aber ist die Sache wirklich so aussichtslos? Spinnen wir mal:

In Berlin ist ein junges Unternehmen ansässig, das will in Kürze einen Rover zum Mond bringen. Der erforderliche zweistellige Millionenbetrag wird durch das Sponsoring einer großen Automarke aufgebracht. Eine Win-Win-Situation. Markenname und Technologiedemonstrator. So etwas ist auch möglich. Warum sollte so etwas nicht bei der Astro-Frau funktionieren? Airbus scheint dabei schon eingestiegen zu sein. Warum nicht auch andere Firmen? Dabei denke ich jetzt nicht unbedingt an Kosmetika, Mode-Label, einen bekannten Sportschuhhersteller oder andere klassisch-frauentypische Werbeträger.

Die beiden Damen sind hochintelligent und werden im Weltraum, ob auf der ISS oder anderswo, nicht nur süß lächeln dürfen, sondern handfeste Forschung betreiben können. Da könnte man ansetzen. Als Sympathieträger für die Bildung und Ausbildung von Jugendlichen, speziell jungen Frauen sind die Beiden sowieso unbezahlbar. Mein Fazit: Die Privatwirtschaft könnte das vermutlich allein stemmen.

Laut Spiegel-Online hat der Strartosphärensprung von Felix Baumgartner seiner Zeit 50 Millionen Euro gekostet. Dem Energydrinkhersteller Redbull war dieses „Kleingeld“ die Sache wert. Das nur mal so zum Vergleich.

Es geht also darum, die Sache richtig zu verkaufen. Und dazu muss man sich in Deutschland klar positionieren: Will man oder will man nicht?

Bundesministerin für Wirtschaft und Energie Brigitte Zypries
(Bild: Andreas Weise)

Gedanke 6: Es besteht (k)ein öffentliches Interesse?
Brigitte Zypries ist seit 2017 Bundesministerin für Wirtschaft und Energie im Kabinett Merkel. Seit Januar 2014 ist sie die Koordinatorin der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt. Sie war in der Auswahl-Jury für „Die Astronautin“. Natürlich durfte sie auch bei der Präsentation als Rednerin nicht fehlen. Ihre kurze Rede war geradezu beispielhaft für die derzeitige Situation. Zunächst gab es einen verbalen Dank an die Initiatoren des Ganzen, an Frau Kessler. „Wenn Sie das nicht gemacht hätten ….!“ Ja, hätte es der Bund denn eben ganz bestimmt nicht gemacht? Es folgte der Dank an die Sponsoren.

Dann fiel der entscheidende Satz: „Ich in meiner Funktion als Koordinatorin für Luft- und Raumfahrt unterstütze ich Sie auch, allerdings nur ideell. Aber immerhin schon mal ideell … .“ Ein kurzes verkniffenes Lachen folgte. Hier hat sich eine Bundesministerin nicht mehr und nicht weniger bei einer Privatinitiative bedankt, die eigentlich ihren Job macht. Nämlich die Förderung von Jugendausbildung und Begeisterung für die Naturwissenschaften. Die Kurzübersetzung lautet: „Danke, aber von uns gibt es nur ein Schulterklopfen und ein Selfie mit allen Beteiligten“.

Es hätte dem Bundesministerium gut zu Gesicht gestanden, die restlichen paar Tausend Euro für den Fortbestandes des Projektes auf den Tisch zu blättern. Und wenn es aus dem Werbeetat gewesen wäre. Statt dessen muss die Initiative buchstäblich betteln gehen. Aber warum ist das so? Offensichtlich besteht kein Interesse von Seiten der Politik, hier ernsthaft unterstützend weiter zu helfen. Wir haben ein Wahljahr. Da achtet man auf Stimmungen. Und mögliche Stimmen. Stimmen, die man bei einer Hilfestellung für eine Astronautin eventuell verlieren könnte.

HE Space CEO Claudia Kessler
(Bild: Andreas Weise)

Ich hatte den Eindruck, dass sich bei Frau Zypries die Begeisterung irgendwie in Grenzen hielt. Richtig gejubelt über das erreichte Zwischenetappenziel hat nur die Initiatorin Frau Kessler. Ob gewollt oder ungewollt – sie hat der Politik den Spiegel vorgehalten. Aber vielleicht täusche ich mich auch und das Bundesministerium steigt jetzt ganz groß ein. Mit einer Kampagne für Frauenfortbildung, für Gleichberechtigung im Beruf, für naturwissenschaftliche Fächer und so weiter … .

Ich sehe erhebliches Potenzial für die Jugendarbeit und das Frauenverständnis in unserer Gesellschaft. Und ich schäme mich für die derzeitige Kleinkariertheit in der Politik. Denn sie wäre ganz sicher in der Lage, eine entsprechende öffentliche Stimmung mit zu initiieren.

Gedanke 7: Denk ich an Briten in der Nacht …
Der erste Brite im Weltraum …. war eine Frau. Im Sommer 1989 bewarb sich die damals 26 jährige Helen Patricia Sharman auf einen Radiospot hin als erste britische Astronautin. 1991 hatte Sie dann ihren Raumflug zur Raumstation MIR. Sie war zu diesem Zeitpunkt nicht im ESA-Team. Es war ein rein kommerzieller Flug. So geht es auch.

Gedanke 8: Es ist möglich. – Wir sollten es machen.
Wenn man unterstellt, dass die Initiative „Die Astronautin“ nicht einfach eine riesig aufgeblasene Promo-Veranstaltung einer Werbeagentur ist, dann kommt man unweigerlich zu dem Schluss: Man muss diese Initiative unterstützen. Von der Politik ist im Moment nicht viel zu erwarten, leider.

Das DLR in Gestalt der Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund, aber auch Sponsoren wie der Konzern Airbus, vertreten durch Johannes von Thadden, haben ihre Unterstützung signalisiert.

Wir sollten den weiteren Fortgang des Projektes aufgeschlossen beobachten und im Rahmen unserer Möglichkeiten auch unterstützen.

Vielleicht ist es doch möglich, in absehbarer Zeit tatsächlich eine Astronautin aus Deutschland ins All zu bringen. Beiden jungen Damen wünsche ich es von Herzen

Für unser Land und für die Raumfahrt wäre es ein Gewinn.

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