Während der vergangenen zehn Jahre hat die an Bord des von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebenen Marsorbiters Mars Express befindliche HRSC-Kamera mehr als 90 Prozent der Marsoberfläche mit einer Auflösung von bis zu zehn Metern pro Pixel abgebildet. In den kommenden Jahren soll die Kartierung vervollständigt werden.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: EPSC 2014, FU Berlin, DLR.
Bereits seit dem 25. Dezember 2003 befindet sich die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express in einer Umlaufbahn um den Mars und liefert den an dieser Mission beteiligten Wissenschaftlern seitdem regelmäßig eine Vielzahl an wichtigen Daten von der Oberfläche unseres äußeren Nachbarplaneten sowie über die aktuellen Vorgänge in der Marsatmosphäre, deren Zusammensetzung und die erfolgende Interaktion der Atmosphäre mit der Planetenoberfläche.
Durch die Auswertung der gewonnene Daten ergeben sich für die Planetenforscher wertvolle Einblicke in dessen Entwicklungsgeschichte. Die sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Marsorbiters lieferten dabei wichtige Beiträge zur Untersuchung der Oberflächengeologie sowie zur ‚Geschichte des Wassers‘ auf unserem Nachbarplaneten und damit auch zur Klärung der Frage, ob einstmals ‚Leben auf dem Mars‘ möglich war.
Bei einem dieser Instrumente handelt es sich um die „High Resolution Stereo Camera“ (kurz „HRSC“). Die wissenschaftliche Aufgabe dieser hochauflösenden Stereokamera besteht in der multispektralen und dreidimensionalen Erfassung der Morphologie und Topographie der Marsoberfläche, wobei unter optimalen Umständen eine Auflösung von bis zu 10 Metern pro Pixel erreicht werden kann. Aus diesen Daten lassen sich wichtige Erkenntnisse über die aktuelle Beschaffenheit der Planetenoberfläche sowie über die vulkanische, fluviale und glaziale Vergangenheit des Mars ableiten.
Die HRSC-Kamera
Die HRSC wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit mehreren industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Es handelt sich hierbei um ein bisher einmaliges Experiment, denn zum ersten Mal wird hiermit die Oberfläche eines fremden Planeten nicht nur systematisch ‚in Farbe‘, sondern zugleich auch in der dritten Dimension abgebildet. Die 20 Kilogramm wiegende Kamera besteht aus zwei Kamerasystemen. Hierbei handelt es sich um den hochauflösenden „Stereokopf“, welcher aus neun CCD-Zeilensensoren besteht, die hinter einem Linsenobjektiv parallel angeordnet sind, sowie um den hochauflösenden „SRC-Kopf“, der sich aus einem Teleobjektiv und einem CCD-Flächensensor zusammensetzt.
Um Stereoaufnahmen vom Mars erzeugen zu können, muss die Planetenoberfläche aus verschiedenen Blickwinkeln abgebildet werden. Durch die Ausrichtung der CCD-Zeilensensoren in Bezug auf die Flugrichtung der Raumsonde nimmt jeder dieser Sensoren aufgrund der Vorwärtsbewegung des Orbiters den jeweils gleichen Bildstreifen von der Marsoberfläche nacheinander Zeile für Zeile auf. Zusätzlich zu dem so genannten „Nadirkanal“, welcher die direkt senkrecht unter dem Orbiter befindliche Landschaft abbildet, blicken dabei jeweils vier Sensoren in Bezug auf die Flugrichtung leicht versetzt nach ‚vorne‘ beziehungsweise nach ‚hinten‘. Die beiden äußeren Sensoren zeigen dabei um 18,9 Grad vom Nadir weg. Dadurch wird jeder Punkt des abzubildenden Oberflächenbereiches nach und nach unter neun verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen.
Zur Erzeugung von Farbbildern und zwecks der Gewinnung multispektraler Daten sind vier Sensoren mit verschiedenen Filtern belegt. Durch den Einsatz einer speziellen Software können aus diesen Daten im Rahmen der entsprechenden Auswertung unter anderem Anaglyphenbilder erzeugt werden, welche bei der Verwendung einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der abgebildeten Marslandschaft vermitteln.
Am oberflächennächsten Punkt der elliptischen Umlaufbahn von Mars Express um unseren Nachbarplaneten, dem sogenannten Perizentrum, erreicht die Auflösung der neun Bildstreifen einen Wert von etwa zehn Metern für jeden der 5.184 Pixel pro Zeilensensor. Die Breite des so abgebildeten Bildstreifens beträgt dabei rund 50 Kilometer während die Länge des abgebildeten Bereiches bei bis zu 300 Kilometern liegt. Die Länge des abgebildeten Streifens wird dabei ausschließlich von der Datenspeicherkapazität des Orbiters begrenzt. Die hohe räumliche Auflösung der erzeugten Stereobilder erlaubt es den beteiligten Geowissenschaftlern, Oberflächendetails auch ‚dreidimensional‘ zu analysieren.
Als besonderes ‚Bonbon‘ ist ein zusätzliches hochauflösendes Teleobjektiv in die HRSC-Kamera integriert, welches wie eine Lupe eingesetzt wird. Mit diesem „Super Resolution Channel“ (kurz „SRC“), der eine Auflösung von 2,3 mal 2,3 Metern pro Pixel erreichen kann, ist die Abbildung von lediglich etwa zwei bis drei Meter großen Objekten auf der Marsoberfläche möglich, welche dann in die farbigen Stereobilddaten der HRSC-Kamera eingebettet sind. Diese besonders hoch aufgelösten SRC-Aufnahmen erhalten ihre spezielle wissenschaftliche Bedeutung durch den geologischen Kontext der Umgebung, welcher durch die ’normalen‘ Aufnahmen der HRSC geliefert wird.
Durch die SRC-Aufnahmen ist es zum Beispiel auch möglich, feine Strukturen wie zum Beispiel Schichtungen in Sedimentgesteinen des Mars zu identifizieren und zu analysieren. Die hierbei erreichbare „Punktgenauigkeit“ der erzeugten Aufnahmen stellt eine weitere Stärke der HRSC-Kamera dar. Bei passenden Gelegenheiten wird der SRC auch dazu genutzt, um die Marsmonde Phobos und Deimos zu studieren.
Mehr als 90 Prozent der Marsoberfläche sind hochauflösend erfasst
Nach mehr als zehn Jahren, in denen Mars Express sich in einer Umlaufbahn um den Mars befindet und in denen die Raumsonde den Mars mehr als 13.500 mal umkreist hat, hat die HRSC-Kamera mittlerweile mehr als 90 Prozent der Marsoberfläche mit einer Auflösung von bis zu zehn Metern pro Pixel abgebildet. Die bisher hierfür angefertigten 4.210 Aufnahmesequenzen wurden während lediglich 3.985 Orbits angefertigt. Zum einen wird die HRSC nicht bei jedem Orbit aktiv. Außerdem herrschen nicht immer optimale Beobachtungsbedingungen, da eventuell zeitgleich zu dem jeweiligen vorgesehenen Aufnahmezeitpunkt auftretende störende atmosphärische Effekte wie Staubstürme oder Wolkenbildung die Beobachtungen zu stark beeinträchtigen können.
Das Aufnahmeprinzip der Kamera ermöglicht es den Wissenschaftlern außerdem, zu jedem abgebildeten Pixel der Marsoberfläche auch die dazugehörige Höheninformation abzuleiten. Zur Erzeugung eines digitalen Geländemodells macht man sich hierbei den Stereo-Effekt zu nutze. Die abgebildete Landschaft wird aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet, ganz ähnlich dem Prinzip, mit dem der Mensch mit zwei Augen seine Umwelt wahrnimmt. Auf diese Weise konnten hochpräzise Höhenmodelle der Marsoberfläche angefertigt werden, welche derzeit bei einer Auflösung von etwa 50 Metern rund 40 Prozent der Marsoberfläche abdecken.
Aus den bisher gewonnenen Daten können die Planetologen die Hangneigungen, die Tiefe von Tälern und Kratern oder die Mächtigkeit und Fließrichtung von erkalteten Lavaströmen ableiten. Besonders wichtig sind diese Daten bezüglich der Frage, wo und in welche Richtungen einstmals das Wasser strömte, welches in der Frühzeit des Mars bis vor rund 3,8 Milliarden Jahren Teile von dessen Oberfläche bedeckte.
Das HRSC-Kameraexperiment wird seit dem Start von Mars Express im Jahr 2003 durch das nationale Raumfahrtmanagement des DLR mit Finanzmitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert. Seitdem wurde diese Förderung bereits mehrfach verlängert. Der gegenwärtige Förderzeitraum begann am 1. Januar 2013 und dauert noch bis zum 31. Dezember 2016 an – dem derzeit voraussichtlichen Ende der Mission von Mars Express. Bis zum Ende der Mission soll durch die HRSC-Kamera eine vollständige dreidimensionale Kartierung der Oberfläche des Mars erreicht werden. Die dabei gewonnenen Daten sollen unter anderem eine Basis für die Planung und Durchführung zukünftiger Erkundungsmissionen zu unserem äußeren Nachbarplaneten – speziell für die anstehenden Lander- und Rovermissionen der NASA und der ESA, aber auch für zukünftig durchzuführende ‚bemannte‘ Missionen – darstellen.
Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express wird seit dem Juli 2013 von Prof. Dr. Ralf Jaumann vom DLR geleitet. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche wissenschaftliche Team besteht derzeit aus 52 Co-Investigatoren, welche von 34 Instituten aus elf Ländern stammen.
Die HRSC-Kamera und deren Arbeitsweise wurden am heutigen Tag auf dem European Planetary Science Congress, einer gegenwärtig in der Nähe von Lissabon stattfindenden Fachtagung der Planetenforscher, vorgestellt.
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