Ein internationales Forscherteam weist in einer stillgelegten Mine Dunkle-Materie-Teilchen nach.
Ein Beitrag von Karl Urban. Quelle: Ahmed et al. (2009), Kosmologs, New Scientist, Drillingsraum.de. Vertont von Peter Rittinger.
In ihrem Experiment im Soudan Underground Laboratory zeigten Forscher aus den USA, Kanada und der Schweiz, dass Wechselwirkungen zwischen Dunkler Materie und Atomkernen messbar sind. Sie berichteten am 17. Dezember zeitgleich auf mehreren Vorträgen sowie in einer Veröffentlichung von ihren Ergebnissen.
Im Berg ist es dunkel
Es ist eines der Grundgesetze der modernen Physik: Je kleiner das zu untersuchende Phänomen, umso größer der erforderliche technische Aufwand. Davon können die Physiker um Z. Ahmed am Experiment Cryogenic Dark Matter Search (CDMS II) ein Lied singen. Sie mussten rund 800 Meter unter die Erde gehen. Hier suchen sie nach den unscheinbarsten und scheusten Mitgliedern des Teilchenzoos. Viele natürliche Prozesse erzeugen Störeffekte, denen man zu entkommen versucht. Das Gestein schirmt das Experiment vor kosmischer Strahlung ab. Durch radioaktive Zerfälle erzeugt es selbst einen Strahlungshintergrund, vor dem man sich erneut gut abschirmen muss.
Blickt man hinter den aufwendigen Schutzmantel, steht man vor dem Kryostaten: Platten aus abwechselnd hochreinem Silizium und Germanium werden auf 40 Millikelvin gekühlt, vierzig Tausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt. Wären die Kristalle zu warm, würden die Atome hin und her schwingen. Hier aber sollen sie von Dunkler Materie in Schwingung versetzt werden, um damit ein fundamentales Problem der Astrophysik zu erklären.
Eine Masse, die alles zusammenhält
In den 1930er Jahren entdeckten Astronomen, dass Galaxienhaufen nicht durch ihre eigene Masse zusammengehalten werden können. Andere Unstimmigkeiten wurden in Galaxien beobachtet, deren Sterne sich zu schnell um ihr Massezentrum bewegten. Die logische Grundannahme der Wissenschaftler schien widerlegt, dass sich das Gros der Masse des Universums in den gut zu beobachtenden Sternen befindet. Auch nicht leuchtende Körper wie ausgebrannte Sterne, Planeten und Staubteilchen machen nur einen Bruchteil der Masse aus, die mit ihrer Gravitationswirkung die gewöhnliche Materie zusammen hält.
Was aber hält das Universum zusammen? Einen größeren Teil dürfte die Dunkle Materie auf die Waage bringen. Der Begriff (Nomen est omen) bezeichnet ein oder mehrere Teilchen, die kaum mit gewöhnlicher Materie wechselwirken, elektrisch neutral sind und zu den Schwergewichten des Teilchenzoos gehören. Physiker erwarten eine Ruhemasse von zwei Goldatomen. Der Spitzname WIMP (Weakly Interacting Massive Particle) ist gleichsam diffus, wimp bedeutet auch Schwächling.
Ein scheues WIMP
„Das Wort WIMP ist zunächst mal ein generischer Name für ein schwach wechselwirkendes, schweres Teilchen“, erklärte Prof. Josef Jochum, Teilchenphysiker an der Universität Tübingen, in einem Interview mit Drillingsraum.de. „Das sagt für einen Physiker noch nichts über die Natur dieses Teilchens aus, es sind einfach die Eigenschaften, die es haben müsste, um die Dunkle Materie zu erklären. Es muss schwer sein, schwerer als die bisher bekannten elementaren Teilchen, und es darf maximal schwach wechselwirken.“ Auch die Physiker am CDMS-II-Experiment gehen davon aus, dass selbst Schwächlinge wie das WIMP ein bisschen interagieren können. Unter den vier Naturkräften, der elektromagnetischen, der starken und schwachen Kernkraft sowie der Gravitation kommt nur die schwache Kernkraft als Belastungszeuge infrage. Die schwache Kernkraft ist für Wechselwirkungen innerhalb des Atomkerns verantwortlich. Sie spielt immer dann eine Rolle, wenn verschiedenartige Kernbausteine miteinander interagieren. Dafür müssen sie sich dicht auf den Pelz rücken: Erst in den extrem dicht gepackten Atomkernen kann die schwache Kernkraft wirken.
Die Nadel im Heuhaufen
Wie bekommt man den Schwächling WIMP dicht an einen Atomkern heran? Nur mit Geduld. Massereiche WIMPs durchdringen uns und jede „normale“ Materie. Nur sehr selten stoßen sie mit einem Atomkern zusammen. In diesem Moment fängt der Kern an zu schwingen. Das lässt sich nur beobachten, wenn es gelingt, alle Störeffekte effektiv auszublenden oder herauszurechnen.
Für ihre Ergebnisse verarbeiteten Z. Ahmed und seine Kollegen Daten, die sie zwei Jahre lang gesammelt hatten. Theoretisch hätten in dieser Zeit 0,8 Stöße mit WIMPs detektiert werden müssen. Die Forscher entdeckten sogar zwei, also eigentlich zu viele. Das kann bedeuten, dass ihre Annahmen nicht stimmen oder einer der Treffer ein Fehlalarm ist. Vor allem sind zwei Messpunkte nicht wissenschaftlich relevant. Dies stellen die Forscher klar. Erst wenn sie eine ausreichende Zahl an Messdaten beisammen hätten, dürfe man sicher sein, das WIMP tatsächlich gefunden zu haben. Dafür wollen sie ihr Experiment zur SuperCDMS ausbauen, die ab Mitte 2010 dreimal genauer nach Stößen fahnden soll.
Bis es soweit ist, hofft das Forscherteam auf die Kollegen. Dabei schauen sie besonders zum Weltraumteleskop PAMELA, das galaktische Dunkle Materie im Visier hat, und nach Genf. Am erst im Dezember 2009 angefahrenen europäischen Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) könnten bei der Kollision von Protonen auch WIMPs entstehen.
Raumcon: