Etwa 4.000 Lichtjahre von der Erde entfernt umkreist ein Objekt aus kristallinem Kohlenstoff einen 20 Kilometer durchmessenden Neutronenstern. Bei diesem Körper handelt es sich vermutlich um die Überreste eines Sterns, dessen Masse fast komplett von dem Neutronenstern aufgesaugt wurde.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Plack-Institut für Radioastronomie, Wikipedia.
Bei den Neutronensternen handelt es sich um sehr alte astronomische Objekte, welche das Endstadium ihrer Sternentwicklung erreicht haben. Typischerweise verfügen Neutronensterne über eine Masse von etwa 1,44 bis drei Sonnenmassen, welche sich auf einen Durchmesser von lediglich rund 20 Kilometern verteilt. Die extrem große Dichte der in den Neutronensternen konzentrierten Materie bedeutet, dass ein Kubikzentimeter Sternenmaterie über die Masse eines Eisenwürfels mit einer Kantenlänge von 500 bis 1.400 Metern verfügt.
Die Neutronensterne zählen jedoch nicht nur wegen ihrer ungewöhnlich hohen Dichte, sondern auch wegen anderer physikalischer Größen wie etwa der Stärke des Magnetfeldes, der extrem hohen Temperatur in ihrem Inneren – diese kann bis zu 100 Milliarden Grad Celsius betragen – oder der Rotationsdauer von lediglich wenigen Sekunden bis Millisekunden zu den extremsten kosmischen Objekten, welche den Astronomen bisher bekannt sind.
Ist die Achse des Magnetfeldes gegen die Rotationsrichtung des Neutronensterns geneigt, so wird ein stark gebündelten Strahl von Radiowellen in die Umgebung abgestrahlt. Sobald dieses Radiosignal im Rahmen der Rotation des Neutronensternes wiederholt auf unser Sonnensystem trifft, können irdische Radioteleskope ein in regelmäßigen Abständen pulsierendes Signal empfangen. Derartige kosmische Radioquellen werden in der Astronomie als Pulsare bezeichnet.
Bei der systematischen Suche nach bisher unentdeckten Pulsaren stieß jetzt ein internationales Astronomenteam mit dem Parkes-64-Meter-Radioteleskop in Australien auf einen neuen Pulsar, welcher durch nachfolgende Beobachtungen mit dem Lovell-Radioteleskop in Großbritannien sowie einem der beiden Keck-Teleskope auf Hawaii bestätigt werden konnte. Das Beobachtungsprojekt ist Teil einer Suchkampagne, an der sich auch das 100-Meter-Radioteleskop des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) in Effelsberg mit Messungen in der nördlichen Hemisphäre beteiligt.
„Wir haben hier die größte und empfindlichste Kartierung von Pulsaren am ganzen Himmel, die jemals durchgeführt wurde“, so Prof. Dr. Michael Kramer, der Direktor des Bonner Max-Planck-Instituts für Radioastronomie. „Wir erwarten eine Reihe von aufregenden neuen Ergebnissen mit diesem Programm und es ist schön zu sehen, dass dies bereits losgeht. Und es wird noch mehr kommen.“
Der neuentdeckte Pulsar, er erhielt die Bezeichnung PSR J1719-1438, wurde in einer Datenmenge von insgesamt 200.000 Gigabyte identifiziert. Hierfür verwendeten die Wissenschaftler spezielle Analyseprogramme und verschiedene Hochleistungscomputer an der Swinburne University of Technology, der Universität Manchester und am INAF-Osservatorio Astronomico di Cagliari auf Sardinien. Der Pulsar befindet sich in einer Entfernung von rund 4.000 Lichtjahren zu unserem Sonnensystem in Richtung des Sternbildes Serpens (Schlange) in der Ebene der Milchstraße.
Der Pulsar J1719-1438 gehört zu einer extrem schnell rotierenden Art von Pulsaren, welche auch als Millisekundenpulsare bezeichnet werden. Er rotiert mehr als 10.000 Mal pro Minute um die eigene Achse, verfügt über die 1,4-fache Masse der Sonne und weist einen Durchmesser von lediglich etwa 20 Kilometern auf. Bei ihren Beobachtungen fiel den beteiligten Astronomen aus Australien, Deutschland, Italien, Großbritannien und den USA außerdem auf, dass in den Ankunftszeiten der Pulssignale eine regelmäßige Modulation vorliegt.
Diese Modulation wird durch die Gravitation eines massearmen Begleiters verursacht, welcher den Pulsar umrundet. Ungefähr 70 Prozent aller bisher entdeckten Millisekundenpulsare verfügen über solche Begleiter. Die Astronomen nehmen an, dass ursprünglich diese Begleitsterne für die hohen Rotationsgeschwindigkeiten der Pulsare verantwortlich sind. Durch den Transfer von Masse wurden die Pulsare dabei auf eine sehr hohe Umlaufgeschwindigkeit beschleunigt. Das Resultat ist ein schnell rotierender Millisekundenpulsar mit einem in der Masse geschrumpften Begleiter. Bei diesen Begleitsternen handelt es sich häufig um einen Weißen Zwerg.
Die beobachtete regelmäßige Modulation der Pulsarsignale verrät den Astronomen einiges über den Begleiter von PSR J1719-1438. Zunächst lässt sich daraus ableiten, dass der Begleiter für eine komplette Umrundung des Pulsars eine Zeitspanne von 2 Stunden und 10 Minuten benötigt und dass der Abstand zwischen beiden Objekten lediglich etwa 600.000 Kilometer beträgt – dies ist etwas weniger als der Radius unserer Sonne.
Der Pulsar und sein Begleiter liegen zudem so dicht beisammen, dass es sich bei dem Begleiter nur um einen extrem stark massereduzierten Weißen Zwerg handeln kann, welcher seine gesamten äußeren Schichten und über 99,9 Prozent der ursprünglichen Masse verloren hat. Der verbleibende Rest dürfte sich überwiegend aus Kohlenstoff und Sauerstoff zusammensetzen. Mit leichteren Elementen wie Wasserstoff oder Helium, so die Astronomen, lassen sich die während der Beobachtungen gewonnenen Daten nicht erklären.
„Die Dichte des Planeten ist mindestens so hoch wie die von Platin und verrät uns so einiges über seinen Ursprung“, so der Leiter des Forschungsteams, Prof. Matthew Bailes von der Swinburne University of Technology in Australien. Die abgeleitete Dichte lässt darauf schließen, dass das Material mit Sicherheit in einem kristallinen Zustand vorliegt. Ein großer Teil des Begleiters, so die Annahme der Wissenschaftler, könnte somit ähnlich wie ein Diamant aufgebaut sein.
„Diese neue Entdeckung kam überraschend für uns. Aber es gibt noch eine ganze Menge mehr, was wir über Pulsare und fundamentale Physik in den kommenden Jahren herausfinden werden“, so Prof. Dr. Michael Kramer.
Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse wurden am 25. August 2011 in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.
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