EPSC 2010: Auszeichnungen für Öffentlichkeitsarbeit

Seit dem 19. September findet in Rom der diesjährige European Planetary and Science Congress (EPSC 2010) statt. Neben der Diskussion der neuesten Erkenntnisse bezüglich der Entstehung und Entwicklung unseres Planetensystems innerhalb der Wissenschaftsgemeinde legt das für die Organisation dieses Kongresses verantwortliche europäische Forschungsnetzwerk Europlanet auch ein besonderes Augenmerk auf die Verbreitung dieser Erkenntnisse in der Öffentlichkeit.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Europlanet, EPSC 2010.

Jonathan Berry, National Science Foundation
Polarlichter können nicht nur rund um den irdischen Nordpol beobachtet werden. Diese Aufnahme stammt von der Amundson-Scott-Südpolstation der National Science Foundation.
(Bild: Jonathan Berry, National Science Foundation)

Eines der erklärten Ziele von “Europlanet” ist die allgemeinen Verbesserung der Kommunikation zwischen der Wissenschaftsgemeinde und der Öffentlichkeit. Neben der Vermittlung von allgemeinem Wissen in Bezug auf die Entwicklung unseres Sonnensystems wird dabei ein besonderes Augenmerk auf das sogenannte “Public Outreach”, die Öffentlichkeitsarbeit und die Verbreitung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse bei einer gleichzeitigen Einbindung der interessierten Öffentlichkeit in die damit verbundenen Arbeiten der beteiligten Forscher, gelegt.

Im Rahmen dieser Zielsetzung werden deshalb jährlich Wissenschaftler der verschiedenen europäischen Institute mit einem Preis für “Excellence in Public Communication in Planetary Science” ausgezeichnet, welche sich in dieser Beziehung besonders engagiert haben. Dieser Preis soll herausragende Leistungen im Bereich der Kommunikation mit der breiten Öffentlichkeit würdigen, welche von einer Einzelperson, einer Gruppe oder von einem Institut erbracht wurden und die dabei innovative Verfahren und Vorgehensweisen entwickelt haben, um deren jeweilige wissenschaftliche Arbeit der allgemeinen Öffentlichkeit zu vermitteln und zugänglich zu machen.

Eine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit erfordert allerdings Phantasie, Enthusiasmus und harte Arbeit, welche über einen langen Zeitraum erbracht werden muss. Um eine entsprechende Anerkennung für diese Tätigkeit zu zeigen und um die Arbeit mit einem finanziellen Beitrag, das Preisgeld beläuft sich auf 4.000 Euro, zu unterstützen, wurde der diesjährige Preis an Dr. Jean Lilensten vom Laboratoire de Planétologie de Grenoble in Frankreich vergeben. Dr. Lilensten ist neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit seit mehr als 10 Jahren damit beschäftigt, die Faszination von planetaren Auroras an Schüler und Erwachsene in ganz Europa zu vermitteln.

Polarlichter sind wunderschön anzuschauende Effekte, welche beim Auftreffen von geladenen Teilchen des Sonnenwindes auf die Erdatmosphäre entstehen und dabei speziell in den Polargebieten der Erde zu beobachten sind. Neben der damit verbundenen Ästhetik geben sie uns durch ihr Auftreten wichtige Informationen über das Weltraumwetter, welches zum Beispiel einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die Funktionalität der Satelliten im Erdorbit hat.

Guillaume Gronoff
Das von Dr. Jean Lilensten vom Laboratoire de Planétologie de Grenoble entworfene Planeterrella-Experiment in Aktion.
(Bild: Guillaume Gronoff)

Um die bei der Entstehung der Polarlichter auftretenden Effekte und die zugrunde liegenden physikalischen Gesetzmäßigkeiten zu demonstrieren, benutzt Dr. Lilensten ein sogenanntes “Planeterrella”. Diesem liegt ein als Terrella bekanntes Experiment zugrunde, welches im Zeitraum zwischen 1896 und 1917 von dem norwegischen Physiker Kristian Birkeland entworfen wurde. Im Prinzip werden dabei Elektronen auf eine in einem Vakuum befindliche magnetisierte Kugel geschossen, wobei der Effekt der Polarlichter erzeugt wird.

Ein Jahrhundert später benutzt Dr. Lilensten das gleiche Prinzip. Mit der mobilen Version seines “Planeterrella”-Experiments können dabei neben der Entstehung der irdischen Polarlichter auch die erfolgenden Interaktionen zwischen der Sonne und den Planeten und Monden unseres Sonnensystems, unter anderem Uranus und Neptun mit ihren geneigten Achsen, die Wechselwirkung zwischen Jupiter und Ganymed, stellare Ringe und Jets, aber auch die Interaktion zwischen einem Exoplaneten und seinem Zentralstern, simuliert werden.

Das von Dr. Lilensten verwendete transportable Planeterrella kann sowohl für wissenschaftliche Arbeiten als auch zu Demonstrationszwecken bei öffentlichen Veranstaltungen verwendet werden. Dr. Lilensten hat im Anschluss an die Entwicklung seiner Apparatur Kollegen und Studenten seines Instituts in der Anwendung des Planeterrella ausgebildet. Am Laboratoire de Planétologie in Grenoble finden gegenwärtig etwa alle zwei Wochen entsprechende öffentliche Vorführungen statt. Zudem wurde das Experiment in der Vergangenheit auf diversen Veranstaltungen in Europa präsentiert und auch mehrmals in verschiedenen Fernsehsendungen vorgestellt. Zwei Observatorien in Toulouse und Paris verwenden mittlerweile dauerhaft eigene Apparaturen. Weitere Entwicklungen sind gegenwärtig in Zusammenarbeit mit Dr. Lilensten in der Schweiz, in Italien und in Großbritannien in Arbeit.

Dr. Lilensten äußerte sich zu der Preisverleihung folgendermaßen: “Ich freue mich sehr über diese Auszeichnung, welche ich hier erhalten habe. Ich bin mir sicher, dass diese wichtige Anerkennung auch als eine Auszeichnung für mein Labor und all die Freunde und Kollegen angesehen wird, welche mich bei diesen Outreach-Aktivitäten unterstützt haben.”

ESA
In dieser Aufnahme der VMC-Kamera wird die Abtrennung des Landers Beagle 2 von der Raumsonde Mars Express dokumentiert.
(Bild: ESA)

Eine lobende Erwähnung ging zudem in diesem Jahr an Thomas Ormston und das Flight Control Team der von der ESA betriebenen Marssonde Mars Express. Diese Sonde, welche unseren äußeren Nachbarplaneten mittlerweile seit dem Dezember 2003 umrundet, ist der Öffentlichkeit in erster Linie durch die Bilder der High Resolution Stereo Camera (HRSC) bekannt, welche den Mars in hoher Auflösung kartografiert und dabei unter anderem Stereoaufnahmen von dessen Oberfläche anfertigt. Entsprechende Meldungen zu den aus diesen Aufnahmen resultierenden Veröffentlichungen finden Sie auf unserer Sonderseite zu dieser Raummission.

Weniger bekannt ist dagegen die zweite Kamera von Mars Express. Die Visual Montoring Camera (VMC) an Bord des Mars-Orbiters stellt keines der wissenschaftlichen Instrumente der Sonde dar. Der ursprüngliche Zweck dieser nur mit einer geringen Auflösung arbeitenden Kamera bestand lediglich darin, Bilder der Abkopplung des Mars-Landers Beagle 2 zu erstellen und die Separation fotografisch zu dokumentieren. Nach der Abtrennung des Landers im Dezember 2003 wurde das Instrument, entsprechend dieser Zielvorgabe, plangemäß deaktiviert. Eine weitere Nutzung der Kamera war laut dem Missionsprofil von Mars Express ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vorgesehen.

Im Jahr 2008 haben Thomas Ormston und das für die Steuerung der Sonde zuständige Mars Express Flight Control Team des ESOC-Kontrollzentrums in Darmstadt die Kamera jedoch erneut aktiviert. Eigentlich, so die damalige Überlegung des Teams, könnte die nach wie vor noch voll funktionsfähige Kamera doch in Zukunft dazu genutzt werden, um weitere Aufnahmen des Mars zu erstellen. Immerhin ist diese Kamera das einzige Instrument an Bord von Mars Express, welches unseren Nachbarplaneten im Ganzen abbilden kann. Alle anderen Instrumente der Raumsonde können aufgrund ihrer hohen Auflösungen nur Teilbereiche der Oberfläche wiedergeben. Das Ziel dieser erneuten Inbetriebnahme bestand laut den Überlegungen des Flight Control Teams allerdings nicht darin, die VMC-Kamera als ein vollwertiges wissenschaftliches Instrument zu nutzen. Vielmehr, so die Idee, sollte sie ab jetzt als eine Art “WebCam” eingesetzt werden und der interessierten Öffentlichkeit bei dieser Gelegenheit unbearbeitete “Roh-Bilder” vom Mars liefern. Gleichzeitig sollte so ein Einblick in die Arbeit und Vorgehensweise des Flight Control Teams ermöglicht werden.
Die von der VMC-Kamera aufgenommenen Bilder werden seitdem nach der Übermittlung an das Kontrollzentrum in Darmstadt automatisch und ohne weitere Aufbereitung oder Nachbearbeitung in “Echtzeit” in einen extra dafür eingerichteten WebCam-Blog überspielt. Abhängig von der zur Verfügung stehenden Daten-Download-Kapazität von Mars Express sind die Bilder der VMC-Kamera dort unter besonders günstigen Umständen innerhalb von Stunden nach dem Aufnahmezeitpunkt abrufbar. Von dort aus können interessierte Nutzer diese Bilder dann direkt auf ihre privaten Computer herunterladen, anschließend nach Belieben bearbeiten und die jeweiligen eigenen Interpretationen der Ansichten des Mars an die ESA zurücksenden. Die qualitativ besten Rücksendungen werden anschließend von der ESA in einer eigenen Bildergalerie veröffentlicht.

ESA
Diese Aufnahme des Mars erstellte die VMC-Kamera am 26. August 2010. Die Entfernung zur Planetenoberfläche betrug zum Aufnahmezeitpunkt etwa 10.045 Kilometer.
(Bild: ESA)

Die von der VMC-Kamera übermittelten und unbehandelten Rohdaten sehen dabei im Vergleich zu den allgemein bekannten Aufnahmen der HRSC-Kamera auf den ersten Blick tatsächlich wenig spektakulär aus. Immerhin verfügt die Kamera, entsprechend ihrem ursprünglichen Zweck, nur über eine geringe Auflösung mit einer fest eingestellten Brennweite. Dieser Umstand hinderte viele Internet-Nutzer jedoch nicht daran, sich unmittelbar nach dem Einsatz der VMC-Kamera als WebCam und der darauf folgenden Bereitstellung der Mars-Fotos im Internet auf die jetzt verfügbaren Daten zu stürzen. Keine 24 Stunden nach der ersten Bildveröffentlichung hatten zwei User unabhängig voneinander Softwareprogramme entwickelt und in Internetforen online gestellt, mit deren Hilfe die ursprünglichen Schwarz-Weiß-Fotos der Kamera in Farbaufnahmen umgewandelt werden konnten.

Andere Nutzer der Bilder wandelten diese in der Folge in Mosaik-Aufnahmen und Videos um, welche anschließend vereinzelt sogar als Ausgangsdaten für weiterführende professionelle wissenschaftliche Studien genutzt wurden. Als ein Beispiel sei hier die Arbeit von Mike Malaska, einem “Amateur-Planetologen” aus den USA, genannt. Mike Malaska hat die von der VMC-Kamera aufgenommenen Bilder einer Wolkenformation über dem Marsvulkan Arsia Mons mit einer Software nachbearbeitet. Anschließend hat er diese Bilder ausgewertet und die erkennbaren Wolken schließlich als die Ergebnisse von Leewellen interpretiert. Die gesamte Vorgehensweise seiner Arbeit hat er zusammen mit einer fundierten Quellenangabe in einem Artikel zusammengefasst und anschließend der ESA zur Verfügung gestellt. Der Artikel wurde darauf hin an mehrere an der Mission beteiligte Wissenschaftler verschickt, um deren Kommentare einzuholen. Und diese fielen durchweg sehr positiv aus.

Douglas Ellison, der Gründer des Internetforums “Unmanned Spaceflight”, welcher das Team der VMC-Kamera für den “Excellence in Public Communication in Planetary Science”-Preis vorschlug, begründete die Nominierung folgendermaßen: “Es existiert ein in der Öffentlichkeit weit verbreiteter Bekanntheitsgrad von einzelnen Raummissionen wie Cassini und der Mars Exploration Rover, welche diesen Bekanntheitsgrad dadurch steigern und aufrecht erhalten, indem sie jedes einzelne gewonnene Bild schnellstmöglich über das Internet verbreiten. Dies ist eine Vorgehensweise, welche sich in den Institutionen des ESA noch nicht verbreitet hat. Aber zumindestens ein Team hat über den “Tellerrand” geschaut und schlägt eine Brücke über die Kluft, welche zwischen der Öffentlichkeit und den direkt an einer Weltraummission Beteiligten herrscht, indem man die Öffentlichkeit “an Bord” vom Mars Express gehen und den Mars aus einer ungewöhnlichen Pespektive betrachten lässt.”
Joe Mansfield, einer der Unterstützer der Nominierung: “Im Gegensatz zu der bisher üblichen Vorgehensweise, wobei die Daten nach ihrer Aquisition über Monate und Jahre nur gelegentlich freigegeben werden, hat sich das VMC-Experiment zu einem Live-Erlebnis entwickelt. Was mich noch mehr erfreut ist, dass das Team permanent ein Feedback von der Öffentlichkeit gesucht und dann auch darauf reagiert hat.”

Die Jury des für die Preisverleihung zuständigen “Europlanet Outreach Steering Committee” (OSC) äußerte sich zu der erfolgreichen Öffentlichkeitsarbeit von Thomas Ormston und dem Flight Control Team folgendermaßen: “Die Mitglieder der Jury vertreten, basierend auf den Erfahrungen der amerikanischen Weltraumbehörde NASA, die Meinung, dass die Veröffentlichung der im Rahmen einer Weltraummission gewonnenen Daten zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt eine sehr wirkungsvolle Methode zur Einbeziehung der Öffentlichkeit in die jeweilige Mission darstellt. Eine entsprechende Vorgehensweise sollte auch von der ESA übernommen werden. Das OSC betrachtet daher die Vorgehensweise Ihres Teams, die VMC-Kamera als eine Art “Live”-Fenster zum Mars zu nutzen, als eine dringend benötigte Initiative. Das OSC hofft, dass die diesjährige lobende Erwähnung Ihrer Arbeit die ESA und andere Raumfahrtagenturen darin ermutigen wird, diesem Beispiel stärker als bisher zu folgen, die frühzeitige Veröffentlichung von Bildmaterial und Rohdaten in Zukunft als eine Möglichkeit der Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen und diese Möglichkeit auch bereits bei der Planung der Missionen zu erwägen!”

Raumcon-Forum:

VMC-Seite der ESA:

Arbeit von Mike Malaska:

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