Eine kürzlich veröffentlichte Aufnahme der an Bord der von der ESA betriebenen Raumsonde Mars Express befindlichen HRSC-Kamera zeigt einen Ausschnitt der nördlichen Polarkappe auf dem Mars. Nach den in der zweiten Hälfte des Jahres 2011 aufgetretenen Computerproblemen befindet sich Mars Express mittlerweile wieder im normalen Betriebsmodus.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, ESA.
Eine kürzlich veröffentlichte Aufnahme unseres äußeren Nachbarplaneten, auf welcher drei unterschiedliche morphologische Gebiete sehr gut zu unterscheiden sind, zeigt dessen Nordpol-Region. Im unteren Bereich des Bildes sind Ablagerungen des nördlichen Mars-Tieflandes sichtbar, welche teilweise mit sogenannten Sockel-Kratern überzogen sind. Nach Norden hin schließt sich – in der Bildmitte erkennbar – ein ausgedehntes Dünenfeld an, welches auf der Aufnahme in schwarz-blauen Farben sichtbar ist. Die gesamte nördliche Hälfte des Bildes zeigt dagegen den Randbereich der saisonalen nordpolaren Eiskappe. In diesem Bereich sind verschiedene Impaktkrater teilweise oder vollständig mit Eis und Staub bedeckt.
Die Aufnahme entstand am 15. Januar 2012 während des Orbits Nummer 10.247 der von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express. Aus einer Höhe von mehreren hundert Kilometern erreichte die High Resolution Stereo Camera (HRSC), eines von insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Mars Express, eine Auflösung von etwa 94 Metern pro Pixel.
Für die Erstellung der Aufnahme verwendeten die für die Steuerung des Marsorbiters zuständigen Mitarbeiter des Europäischen Raumflugkontrollzentrums ESOC in Darmstadt sogenannte „FAST“-Kommandos (kurz für „File Activities on Short Timeline“), welche eine Reaktion auf die im Jahr 2011 aufgetretenen Computerprobleme des Marsorbiters darstellen.
Nach mehreren kurz hintereinander auftretenden Problemen mit dem Computersystem von Mars Express und den dadurch bedingten unvorhergesehenen Übertritten in einen vorsorglichen Sicherheitsmodus wurde der wissenschaftliche Betrieb der Raumsonde Mitte Oktober 2011 vorübergehend ausgesetzt (Raumfahrer.net berichtete). Als Quelle der aufgetretenen Probleme wurde das „Solid-State Mass Memory System“ (kurz SSMM) identifiziert. Hierbei handelt es sich um eine zentrale Speichereinheit des Bordcomputers, welche für die Zwischenspeicherung der Telemetriedaten und der durch die wissenschaftlichen Instrumente gesammelten Daten an Bord der Raumsonde vor der Übermittlung zur Erde verantwortlich ist.
Nach einer aufwendigen Problemanalyse konnten die Techniker und Ingenieure des ESOC eine Lösung für den Ausfall des SSMM finden. Im Rahmen einer „normalen Operation“ werden von dem Kontrollzentrum eingehende Kommandos für die Raumsonde und deren Instrumente vor ihrer Ausführung zunächst in der so genannten „Long Mission TimeLine“ (kurz L-MTL), einer speziellen Datei innerhalb des SSMM, abgelegt. Diese bisherige Vorgehensweise führte aufgrund eines Ausfalls der SSMM zu den besagten Übertritten der Raumsonde in den Sicherheitsmodus.
Allerdings existiert innerhalb des Computersystems-Systems von Mars Express zusätzlich noch eine sogenannte „Short Mission TimeLine“ (kurz S-MTL), welche nicht von dem SSMM abhängig ist. Diese verfügt jedoch über eine geringere Speicherkapazität als die L-MTL. Bei der neuen Vorgehensweise werden die zu übermittelnden Befehle vor ihrer Übermittlung an Mars Express zu den besagten „FAST“-Kommandos gebündelt und jetzt vor ihrer Ausführung in dieser S-MTL abgelegt. Diese neue Vorgehensweise führte dazu, dass Mars Express bereits am 31. Oktober 2011 den wissenschaftlichen Betrieb wieder aufnehmen konnte (Raumfahrer.net berichtete).
Bereits seit Mitte Januar 2012 können so wieder alle wissenschaftlichen Instrumente betrieben werden und seit dem Februar 2012 befindet sich der Orbiter erneut im „Full Science Operations“-Modus – dem wissenschaftlichen „Vollbetrieb“. Hierbei können verschiedene Instrumente zeitgleich zur Datengewinnung eingesetzt werden. Die zuständigen Mitarbeiter der ESA gehen davon aus, dass Mars Express so noch über einen Zeitraum von mehreren Jahren erfolgreich betrieben werden kann.
Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Sonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Institutionen aus zehn Ländern.
Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
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