Europäische Wissenschaftler werden bei der Raumtransporter-Forschungsmission STS-107, die am 16.1.2003 vom Kap Canaveral in Florida aus gestartet werden soll, die Auswirkungen der Schwerkraft „ausschalten“, um medizinische, technische und wissenschaftliche Prozesse besser zu verstehen.
Ein Beitrag von Sabine Rossburg. Quelle: www.esa.int.

(Bild: NASA (während STS-95))
Europäische Wissenschaftler werden bei der  Raumtransporter-Forschungsmission STS-107, die morgen vom Kap Canaveral in  Florida aus gestartet werden soll, die Auswirkungen der Schwerkraft  „ausschalten“, um medizinische, technische und wissenschaftliche Prozesse  besser zu verstehen. Ihre Untersuchungen gehören zu rund 80 Experimenten,  die während des 16 Tage währenden Flugs um die Erde durchgeführt werden  sollen.     
 Sieben der insgesamt 31 Nutzlasten wurden von der ESA bereitgestellt. Die  Bordmannschaft wird in zwei Schichten rund um die Uhr mit Experimenten zur  Gesundheit und Sicherheit von Raumfahrern, zur Entwicklung neuer  Technologien und zur Gewinnung von lebenswissenschaftlichen und  physikalischen Erkenntnissen beschäftigt sein.     
Die Raumtransportermission ist eine Generalprobe für künftige  Versuchsreihen an Bord der Internationalen Raumstation, die gegenwärtig in  der Umlaufbahn zusammengebaut wird. Die Beteiligung der ESA an STS-107  geht auf eine Tauschvereinbarung mit der NASA zurück.     
 „Im Rahmen der Tauschvereinbarung hat die ESA der NASA einen „Super  Guppy“-Airbus für den Transport großer Raumstationsbauteile in den  Vereinigten Staaten geliefert und im Gegenzug Mitfluggelegenheiten auf  NASA-Raumtransportermissionen für Forschungsnutzlasten im Gesamtumfang von  450 kg erhalten“, erläutert Jörg Feustel-Büechl, der ESA-Direktor für  Bemannte Raumfahrt.     
 Sechs der sieben ESA-Nutzlasten sind für lebenswissenschaftliche und  physikalische Experimente bestimmt: die Verbesserte  Protein-Kristallzüchtungsanlage (APCF), das Verbesserte  Atmungsüberwachungssystem (ARMS), Biobox, Biopack, die Europäische  Forschungseinrichtung zur Osteoporose im Weltraum und auf der Erde  (ERISTO) und die Anlage für Adsorptions- und Oberflächenspannungsmessungen  (FAST).     
 Die siebte, eine Technologiedemonstration mit der Bezeichnung  „Kombiniertes Zweiphasenkreislauf-Experiment“ (COM2PLEX), dient der  Erprobung von drei neuen Wärmetransfersystemen für die Temperaturregelung  von Instrumenten auf Satelliten.     
 „STS-107 ist eine sehr wichtige Mission für Europa. Sie baut auf unseren  Erfahrungen bei Spacelab-Flügen mit dem Raumtransporter auf und wird  letztlich in längere, anspruchsvollere Forschungsvorhaben an Bord der  Raumstation münden“, so Marc Heppener, Leiter der ESA-Abteilung Nutzung  der Raumstation und Förderung der Schwerelosigkeitsforschung.     
 Während parallel zum Zusammenbau der Internationalen Raumstation auf  dieser bereits Forschungsarbeiten durchgeführt werden, sind solche  Raumtransportermissionen bedeutungsvoll, weil sie den Wissenschaftlern und  Forschern Gelegenheit geben, grundlegende Phänomene, die in der Biologie,  Physik und Chemie eine Schlüsselrolle spielen, unter Ausschaltung der  Erdanziehung zu enträtseln.     
 Die wissenschaftlichen Nutzlasten der ESA sind in einem druckgeregelten  Modul namens „Spacehab“ untergebracht, das in der Ladebucht des  Raumtransporters verankert und mit dessen Mannschaftskabine durch einen  Tunnel verbunden ist. Konzept und Technologie des Spacehab stammen aus dem  Spacelab-Programm der ESA.     
 Europa kann auf eine lange Geschichte der Beteiligung an  Raumtransporterflügen zurückblicken, deren Schwerpunkt auf der Forschung  unter Schwerelosigkeit liegt – von den Anfängen des Spacelab bis zum  heutigen „Neurolab“.     
 Der Missionsleiter der ESA, Pasquale Di Palermo, beschreibt den Flug als  „wertvolle Gelegenheit für Europa, im Weltraum zu experimentieren und sich  gleichzeitig am Boden auf den künftigen Forschungsbetrieb an Bord der  Raumstation vorzubereiten.“     
 Die ESA-Nutzlasten müssen von der Mannschaft auf unterschiedliche Weise  betreut werden – angefangen von einfachen Handgriffen zur Einschaltung der  Experimente bis hin zu komplexen Verfahren für ihren Betrieb und  erforderlichenfalls ihre Reparatur.     
 Bei ARMS sind die Mannschaftsmitglieder sogar selbst in das Experiment  einbezogen, weshalb sie eine intensive Ausbildung absolvieren mußten, um  sich mit dem Gerät vertraut zu machen und sicherzustellen, daß sie  medizinische Tests an sich selbst durchführen können.     
 Bei seinem Jungfernflug wird ARMS zur Überwachung des Atmungs- und  Herzkreislaufsystems unter Schwerelosigkeit eingesetzt, was den  Wissenschaftlern die Möglichkeit gibt, die Funktionsweise eines komplexen  Teils des menschlichen Organismus zu untersuchen, die normalerweise durch  den Einfluß der Schwerkraft verhüllt ist.     
 Im Rahmen des Experiments werden vier Mannschaftsmitglieder vor, während  und nach der Mission einer sorgfältig überwachten Reihe von Übungen und  Messungen unterzogen, bei denen die durch das Fehlen der Schwerkraft  bedingten Veränderungen der Lungen- und Herzkreislauffunktion ermittelt  werden.     
 Nach der Mission STS-107 soll ARMS als wichtiges Instrument in der  Bodenforschung mit vielversprechenden langfristigen Aussichten eingesetzt  werden, die von der Entwicklung neuer medizinischer Diagnosewerkzeuge zur  Beurteilung der körperlichen Fitneß und sogar zur Vorhersage von  Erkrankungen bis zur Ausarbeitung neuer Rehabilitationsmethoden für  bestimmte Krankheiten reichen.