Expedition 17

Die Mission der ISS-Expedition 17

Die ISS-Expedition begann am 10. April mit dem Eintreffen von Sergej Wolkow und Oleg Kononjenko auf der Internationalen Raumstation. Zur Besatzung gehörte zunächst weiterhin Garrett Reisman, der bereits Mitglied der Expedition 16 war. Gast in der Station war die Südkoreanerin Yi So Yeon, die mit Sojus-TMA 12 zur Station gelangte, aber mit der alten Stammbesatzung und deren Raumschiff Sojus-TMA 11 zur Erde zurückkehrte.

Yi So Yeon führte während ihres Aufenthaltes in der Internationalen Raumstation 15 Experimente des koreanischen Forschungsprogramms durch. Dazu gehörten Versuche auf den Gebieten Geophysik, Medizin, Biologie, Ökologie, Biotechnologie und Materialwissenschaft. So arbeitete sie mit einem neuen, elektromechanischen System zum schnellen Ausrichten einer Teleskopkamera, mit der Blitze in der oberen Atmosphäre fotografisch erfasst wurden. Außerdem widmete sie sich dem Studium der Effekte von Schwerelosigkeit und Strahlung auf Pflanzenzellen. Dabei handelte es sich um Samen von Reis, Sojabohnen, Raps, Rettich, Pfeffer, wildem Sesam, Arabidopsis (Ackerschmalwand), Orchideen, Löwenzahn, Hibiscus und Schmuckkörbchen (Kosmee). Für Bildungszwecke wurde auch Pflanzenwachstum dokumentiert. Untersucht wurden ebenso genetische und Alterungsprozesse bei insgesamt 1.000 Fruchtfliegen. Medizinische Forschungen beinhalteten die regelmäßige Messung des Augeninnendrucks, ein 24-Stunden-EKG, die Erfassung von Gefäßveränderungen im Gesicht (Puffy Face) mittels Spezialkamera mit diversen Filtern und Rastern sowie die Dokumentation von Geschmacksveränderungen. Dazu wurde typisch koreanische Kost gereicht.

Besatzungsmitglieder
v.l. Gregory Chamitoff, Garrett Reisman, Sergej Wolkow, Oleg Kononjenko
Bilder: NASA

Bestandteile des Forschungsprogramms waren auch Erdbeobachtung und –fotografie, die Kultivierung verschiedener pflanzlicher, tierischer und menschlicher Zelltypen im Minireaktor BioTron MBR, die Synthese von Zeolithkristallen aus 9 Proben unterschiedlicher Konzentration, die Herstellung poröser metall-organischer Materialien, Messungen des Lärms im russischen Teil der ISS, der Test eines neuen Speichermaterials (FRAM) im Vergleich zu bisherigen Flash-Speichern (NAND) sowie die Erprobung eines neuen Messgerätes für geringe Massen (50–200 Gramm). Konventionelle Waagen sind in der Schwerelosigkeit nutzlos. Die Massebestimmung muss über die Fähigkeit eines Körpers, eine Bewegungsänderung zu behindern (Trägheit), erfolgen.

Schließlich wurde das Leben von Yi So Yeon in der Raumstation fotografisch und filmisch dokumentiert. Dabei wurden auch Videos für Bildungszwecke gedreht. Hierfür wurde das Verhalten verschiedener Körper in der Schwerelosgkeit demonstriert. Dazu gehörten Fächer, Stifte, Seile, Kreisel, Wassertropfen, Federn und Papierblumen.

Zeitweise wurde Yi von ihren Kollegen bei der Ausführung ihrer Experimente unterstützt. Ansonsten waren die Mitglieder der ISS-Expedition 17 mit Auspacken, Vertrautmachen, medizinischen Erstuntersuchungen und der Übernahme der täglichen Pflichten, ihre Vorgänger mit Abreisevorbereitungen, Abschlussuntersuchungen und verstärktem Training beschäftigt.

NASA
Garrett Reisman beim Trainig an IRED, einem Interims-Kraftsportgerät (Bild: NASA)

In die “Amtszeit” von Wolkow, Kononjenko und Reisman, der im Juni durch Gregory Chamitoff abgelöst wurde, fielen die Hauptarbeit mit dem ESA-Transportraumschiff Jules Verne, das am 3. April am Heck der Station festgemacht hatte, das Umkoppeln des Raumschiffes Sojus-TM 12 von Pirs zu Sarja-Nadir und das Entladen der russischen Frachter Progress-M 64 und 65 sowie des weiterentwickelten Frachters Progress-M 01M. Außerdem brachte die US-Raumfähre Discovery im Juni das große japanische Experimentierlabor Kibo (JEM-PM), das seinen Platz an Harmony-Backbord fand.

Hauptaufgabe war aber die Instandhaltung der Station und die Betreuung einer Vielzahl von Experimenten. Von russischer Seite waren dies 47 Untersuchungen auf den Gebieten Biologie, Medizin, Biotechnologie, Materialwissenschaft und Raumfahrttechnologie. Die NASA hatte 17 komplexe Untersuchungen auf dem Plan. Außerdem wurden etwa 2 Dutzend weitgehend automatisch ablaufende Experimente der Europäischen Weltraumagentur ESA betreut. Diese waren mit dem Labormodul Columbus zur ISS gelangt.

Im Rahmen des Experiments Profilaktika wurden Therapien gegen den Muskel- und Knochenabbau in der Schwerelosigkeit erprobt. Dem Studium chemoluminiszenter Reaktionen und atmosphärischer Leuchterscheinungen als Resultat der Wechselwirkung von Triebwerksabgasen mit der oberen Erdatmosphäre widmete sich das Experiment Relaksatsija. Die Untersuchungen fanden vor allem im UV-Bereich statt. Entwicklung und Test von boden- und weltraumgestützten Untersuchungsmethoden zur Vorhersage von natürlichen oder durch den Menschen verursachten Katastrophen war das Ziel des Experiments Uragan. Das neue Experiment Vsplesk diente dem Studium von Prozessen in der Erdkruste, im Erdmagnetfeld und im van-Allen-Gürtel, die im Zusammenhang mit seismischen Aktivitäten stehen und möglicherweise für Erdbebenvorhersagen verwendet werden können. Dazu wurden Ströme hochenergetischer geladener Partikel gemessen. Um einen Teil der Apparatur an der Außenseite der Station zu befestigen, unternahm die Besatzung einen Außenbordeinsatz.

Bei Sonokard ging es um die Entwicklung von Methoden, Vitalfunktionen der Raumfahrer, speziell des kardiorespiratorischen Systems (Herz und Lunge) während des Schlafes kontaktfrei zu erfassen. Ein ganzer Komplex von Experimenten befasste sich mit der Untersuchung der Auswirkungen von Schwerelosigkeit, Strahlung und Bewegung im Erdmagnetfeld auf Lebensfähigkeit, Mobilität und Stoffwechsel von Zellkulturen. Dazu gehörten bakterielle Plasmide sowie Laktolen- und Interleukin-produzierende Bakterien (z.B. Lactobacillus delbruecki).

Nach der Übergabe der Station an die neue Stammbesatzung und den die Landung vorbereitenden Arbeiten koppelte Sojus-TMA 11 am 19. April um 5:06 Uhr UTC von der ISS ab und landete gegen 8:30 Uhr nach einer vergleichsweise harten, ballistischen Wiedereintrittsphase rund 420 Kilometer vom geplanten Landeort entfernt in der kasachischen Steppe. Die an Höhepunkten reiche ISS-Expedition 16 wurde damit erfolgreich beendet.

NASA
Innenraum des ATV (Bild: NASA)

Am 24. April wurde mit Hilfe von 2 der 4 Triebwerke des am Heck der Station angekoppelten ATV 1 Jules Verne die Bahn der ISS um etwa 4,5 km angehoben. Dazu arbeiteten die Triebwerke 12 Minuten und 20 Sekunden lang. Zuvor waren die wichtigsten Systeme getestet worden. Drei weitere Bahnanhebungen und ein Ausweichmanöver fanden in den kommenden Monaten statt.

Aufgrund der bis dahin ungeklärten Ursache für die ballistische Wiedereintrittsbahn und die damit verbundenen höheren Belastungen für die Besatzung wurde das Umparken des Raumschiffs Sojus-TMA 12, das eigentlich für den 6. Mai vorgesehen war, auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Falls ein Wiederandocken an Sarja-Nadir misslungen wäre, hätte das Raumschiff ungeprüft landen müssen, was man vermeiden wollte.

Der Mai gehörte weitgehend wissenschaftlichen Arbeiten, Routinewartungen und den Vorbereitungen auf die Ankunft der nächsten Raumfähre. Dazu gehörte vor allem die Kontrolle von Werkzeugen und Ausrüstungen im Schleusenmodul Quest sowie die Überprüfung der Raumanzüge. Außerdem wurde der Umgang mit dem Stationsmanipulatorsystem trainiert. Dieses wurde vor allem für das Ankoppeln des großen japanischen Labormoduls Kibo benötigt.

Am 14. Mai startete der Frachter Progress-M 64 in Baikonur und koppelte zwei Tage später automatisch an Sarja-Nadir an. Er brachte reichlich 2 Tonnen Fracht, darunter Lebensmittel, Treibstoff, Wasser und Luft.

Am 31. Mai startete die Raumfähre Discovery zur Mission STS 124 und traf am 2. Juni bei der Station ein. Sie koppelte am Bugstutzen der ISS an. Die Besatzung bestand aus dem Kommandanten Mark Kelly, dem Piloten Kenneth Ham sowie den Missionsspezialisten Karen Nyberg, Ronald Garan, Michael Fossum und Akihiko Hoshide. Außerdem traf mit Gregory Chamitoff die Abslöung für Garrett Reismann als Mitglied der ISS-Expedition 17 ein.

Am 3. Juni wurden im Verlaufe eines Ausstieges von Garan und Fossum Vorbereitungen für das Andocken von Kibo an die Station getroffen. Dazu wurde der Kopplungsstutzen inspiziert, Abdeckungen beseitigt und Verriegelungen gelöst. Am Abend wurde Kibo aus der Nutzlastbucht der Discovery gehoben, an der Backbordseite des Knotenmoduls Harmony angekoppelt und am nächsten Tag in Betrieb genommen. Ein zweiter Ausstieg am 5. Juni diente der Inbetriebnahme des Moduls. So wurden Abdeckungen am japanischen Manipulatorarm und an einer Andockstelle entfernt. Hierhin wurde am nächsten Tag das japanische Logistikmodul von Harmony-Zenit aus umgesetzt. Die Arbeiten außenbords wurden am 8. Juni mit der Entfernung von Startsperren abgeschlossen. Die Discovery brachte außerdem eine Vielzahl von Materialien und Ausrüstungen für die Station mit. Darunter befand sich auch eine Pumpe, mit der eine defekte Toilette in der ISS instandgesetzt werden konnte. Die Raumfähre landete nach knapp zwei Wochen Flugzeit am 14. Juni auf dem Gelände des Kennedy Space Centers in Florida (USA).

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Racktransport im japanischen Labormodul Kibo
(Bild: NASA)

Die weitere Zeit an Bord war für die Stammbesatzung mit Montagen, Inbetriebnahmen, Tests und Experimenten angefüllt. Außerdem wurde der normale Betrieb der Station durch regelmäßige Wartungsarbeiten sowie Betriebskontrollen lebenswichtiger Apparaturen wie Lebenserhaltung, Energiesystem oder Lageregelung angefüllt.

Zu den vielfältigen Experimenten gehörte auch ELaboratore Immagini Televisive – Space 2 (ELITE-S2), eine Kooperation zwischen NASA und der italienischen Raumfahrtagentur ASI. Durch die dreidimensionale Aufzeichnung von Bewegungen der Raumfahrer soll die Ergonomie künftiger Arbeitsplätze in der Schwerelosigkeit verbessert werden. Außerdem lassen sich Rückschlüsse auf das Zusammenwirken von Sehen, Verarbeitung im Gehirn und Bewegungen ziehen und Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf die Atmung untersuchen. Beim Materialexperiment Coasenning in Solid Liquid Mixtures 2 wird das Wachstum von größeren Partikeln auf Kosten kleinerer in flüssigem Metall, in diesem Falle Zinn, erfasst. Das Messsystem ANITA analysiert die Luft durch Interferometrie und kann auf diese Weise Spuren von 32 potenziell schädlichen Gasen nachweisen.

Am 10. Juli 2008 wurde im Verlaufe eines Außenbordeinsatzes (6:18 h) von Wolkow und Kononjenko das Raumschiff Sojus-TMA 12 inspiziert und einer der Sprengbolzen, die bei der Rückkehr vor dem Wiedereintritt Serviceteil und Rückkehrkapsel voneinander trennen demontiert. Er wurde später auf der Erde eingehend untersucht. Offenbar haben sich die elektrostatischen Bedingungen im Umfeld der größer werdenden Station verändert. Dies führte dazu, dass einer der Sprengbolzen bei der Landung von Sojus-TMA 10 und 11 nicht auslöste und sich dadurch der Serviceteil verspätet von der Kommandokapsel löste. Dadurch waren die Besatzungsmitglieder aufgrund einer steileren Eintauchbahn größeren Gefahren und Belstungen ausgesetzt.

NASA
Außenbordarbeiten mit dem Teleskoparm Strela (Pfeil).
(Bild: NASA)

Bei einem zweiten Ausstieg am 15. Juli (5:54 h) installierten Wolkow und Kononjenko das neue Experiment Vsplesk an der Außenhülle des Moduls Swesda und demontierten dafür einen Biorisk-Container mit biologischen Proben. Außerdem führten sie vorbereitende Arbeiten am geplanten Andockpunkt des neuen russischen Schleusenmoduls Poisk aus.

Am 2. September wurde der Frachter Progress-M 64 von der ISS abgekoppelt. Er verglühte eine Woche später in den dichten Schichten des Erdatmosphäre. Ebenfalls abgekoppelt wurde das ATV 1. Der Erstflug eines Automated Transfer Vehicles war ein überwältigender Erfolg. „Jules Verne“, so der Name des ATV, war für die Besatzungen der Internationalen Raumstation nicht nur Frachtzubringer, Schlepper und Abfallentsorger. Er diente in den fünf Monaten, in denen er zu einem Teil der Station wurde auch als Lagerraum, Schlafplatz, Hygienebereich, Experimentierbühne und Kühlraum. Für diese Aufgaben war er ursprünglich gar nicht vorgesehen. Der großzügige Platz, die leise arbeitende Lebenserhaltung, die Diskretion am Ende der Längsachse der Station und die etwas niedrigere Temperatur sorgten dafür, dass JuVe häufiger und vielfältiger als geplant genutzt wurde. Am 9. März hatte die erste Ariane 5 ES den ESA-Frachttransporter ins All gebracht. Ein minimales Problem mit dem Antrieb des Transporters konnte rasch gelöst werden. Danach war das Erreichen des Parkorbits schnell geschafft. Nach zwei sehr erfolgreich durchgeführten Demonstrationstagen, an denen automatische Annäherung, Station halten und Fluchtmanöver unter Verwendung von GPS-, Radar- und Laser-gestützter Navigation erprobt wurden, bekam ATV 1 grünes Licht für das Docking. Dieses Manöver erfolgte am 3. April. Kurze Zeit später konnte die Besatzung das Raumfahrzeug betreten und begutachten. JuVe brachte 5,5 Tonnen Fracht, darunter Nahrungsmittel, Wasser und Treibstoff. Schnell gewöhnte man sich an die Qualitäten des temporären Zusatzmoduls. Zum Schluss wurde ATV mit Abfall, älteren oder defekten Geräten beladen und auf seine letzte Reise vorbereitet. Das Abkoppeln erfolgte am 5. September. Nach weiteren Bahnmanövern zündete JuVe am 29. September zum letzten Mal seine Triebwerke. Da diese entgegen der Flugrichtung feuerten, sanken Geschwindigkeit und Bahnhöhe, bis das Raumfahrzeug schließlich in einem von der Erde aus aufmerksam beobachteten Feuerwerk als Sternschnuppenregen verglühte.

In der Folgezeit wurde das japanische Labormodul Kibo mit weiteren Ausrüstungen vor allem aus dem zugehörigen Logistikmodul versehen. Verschiedene Forschungen wurden fortgeführt, die Station in Funktion gehalten, tägliches Training absolviert und hin und wieder auch etwas Freizeit genossen.

Am 10. September startete das unbemannte Raumschiff Progress-M 65 und brachte rund 2,5 Tonnen Nachschub, die in die Station transportiert und inventarisiert werden mussten. Am 12. Oktober startete Sojus-TMA 13 mit der Nachfolgebesatzung, bestehend aus Michael Fincke und Juri Lontschakow sowie dem Weltraumtouristen Richard Garriott. Nach gut einer Woche gemeinsamer Arbeit mit allen Übergabeaktivitäten kehrten Sergej Wolkow, Oleg Kononjenko und Richard Garriott am 24. Oktober in den frühen Morgenstunden zur Erde zurück. Die Landung verlief normal aerodynamisch, so dass man im demontierten Sprengbolzen die Ursache für die zuletzt erfolgten harten Landungen sah.

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