Express-AMU 1 von Proton-M ins All transportiert

Am 24. Dezember 2015 startete von der Rampe 200/39 des Raumfahrtzentrums Baikonur eine Proton-M-Rakete mit Breeze-M-Oberstufe, um den Kommunikationssatelliten Express-AMU 1 für die Russische föderale Satellitenkommunikationsgesellschaft (Russian Satellite Communications Company, RSCC) in den Weltraum zu bringen.

Autor: Thomas Weyrauch. Quelle: Airbus Defence and Space, Chrunitschew, Eutelsat, Roskosmos, RSCC.

Proton-M-Start am 24. Dezember 2015
(Bild: Roskosmos)

Der Start wurde nicht unter der Ägide des internationalen Vermarkters von Proton-Raketen International Launch Service (ILS) abgewickelt, RSCC hat den Start des Satelliten unmittelbar beim Raketenhersteller Chrunitschew beauftragt.

Als exakten Startzeitpunkt für den 7. erfolgreichen Proton-Flug im Jahr 2015 und den 409. insgesamt nennt Chrunitschew 0:31 Uhr und 18,969 Sekunden Moskauer Zeit am 25.12. (23:31 Uhr und 18,969 Sekunden MEZ am 24.12.).

Die Abtrennung der Orbitaleinheit bestehend aus Breeze-M-Oberstufe und Express-AMU 1 von der dritten Stufe der Proton-M erfolgte rund 10 Minuten nach dem Abheben. Anschließend war es Aufgabe der ebenfalls von Chrunitschew gebauten Oberstufe, erst für die Einnahme einer stabilen Parkbahn zu sorgen und dann das Erreichen des vorgesehenen Zielorbits sicherzustellen.

Express-AMU 1 beim Hersteller
(Bild: Airbus Defence and Space)

Der Trennprozess des Satelliten von der Oberstufe fand rund 9 Stunden und 12 Minuten nach dem Abheben um 9:43 Uhr Moskauer Zeit und 19,322 Sekunden am 25. Dezember 2015 statt (7:43 Uhr MEZ und 19,322 Sekunden). Er verlief nach Angaben der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos sauber und auf der vorgesehenen Bahn.

Chrunitschew gab allerdings zwischenzeitlich Daten heraus, nach denen das Apogäum – der erdfernste Bahnpunkt – und das Perigäum – der der Erde nächstliegende Bahnpunkt – des erreichten Orbits merklich niedriger als geplant ausfielen. Nach Berechnungen von Chrunitschew geriet das Apogäum 1.654,56 km niedriger als beabsichtigt, und das Perigäum 640,39 km niedriger als vorgesehen. Möglicherweise liegt hier aber nur ein Irrtum hinsichtlich der präsentierten Daten vor.

Der Hauptauftragnehmer für den Bau des Satelliten, der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus Defence and Space, ist jetzt für Überwachung und Steuerung des Satelliten zuständig. Er wird sich um die erforderlichen Bahnanhebungsmanöver und eine Positionierung im Geostationären Orbit (GEO) rund 35.786 Kilometer über der Erde kümmern und den raumflugtechnischen Teil sowie die Kommunikationsnutzlast intensiven Tests unterziehen.

Express-AMU 1 in Toulouse vor dem Transport nach Baikonur
(Bild: Airbus Defence and Space)

Für den Flug in den GEO wurde der Satellit mit einem Apogäumsmotor ausgestattet. Außerdem besitzt der Erdtrabant für Bahnanpassungen und Lageregelung 14 zehn Newton starke Zweistofftriebwerke des Typs S10-21 von Airbus Defence and Space.

Nach der Inbetriebnahmephase mit den erforderlichen Tests werden Überwachung und Kontrolle des zur Versorgung des europäischen Teils von Russland und Gebieten südlich der Sahara gedachten Satelliten an RSCC übergeben. Im Februar 2016 soll dann die Ausstrahlung von Radio- und Fernsehprogrammen und die Bereitstellung der vorgesehenen Kommunikationsdienste beginnen.

Ein Teil der Kapazitäten des Satelliten wurde von RSCC bereits an Eutelsat vergeben. Dieses europäische Unternehmen will den Satelliten unter der Bezeichnung EUTELSAT 36C vermarkten, und so die Kapazitäten von EUTELSAT 36A absichern und erweitern.

Der Bau von Express-AMU 1 wurde im Rahmen des Zehn-Jahres-Plans von 2006-2015 am 22. Oktober 2005 mit dem russischen Regierungsdekret Nr. 635 beschlossen. Zur Finanzierung des Satelliten bediente man sich in Russland Krediten der Aktiengesellschaft Gazprombank („Gazprombank (Joint Stock Company)“, abgekürzt Bank GPB (JSC)). Als künftige Betreiberin des bei 36 Grad Ost im GEO einzusetzenden Raumfahrzeugs mit einer Startmasse von rund 5.900 Kilogramm wurde RSCC beauftragt.

Express-AMU 1 im All – Illustration
(Bild: Airbus Defence and Space)

Bestellt hatte RSCC den damals auf eine Startmasse von rund 5.700 Kilogramm veranschlagten Satelliten bei Airbus Defence and Space bzw. Astrium im Mai 2013. Der Auftragswert wurde seinerzeit auf etwa 6,35 Milliarden Rubel bzw. rund 210 Millionen US-Dollar beziffert.

Um den geplanten Anforderungen gerecht zu werden, wurde der auf dem Satellitenbus Eurostar 3000 basierende Express-AMU 1 mit einer über 15 kW leistenden Kommunikationsnutzlast mit 18 Ka-Band und 52 Ku-Band-Transpondern ausgerüstet, und auf eine Betriebsdauer von 15 Jahren ausgelegt.

Ein Unternehmensteil von Airbus Defence and Space in Spanien war zuständig für Entwurf und Konstruktion der vier ausklappbaren Antennenreflektoren von Express-AMU 1. Einer der Reflektoren besitzt einen Durchmesser von rund 2,8 Metern und ist damit nach Angaben seines Herstellers der größte derartige in Europa gefertigte Reflektor.

Express-AMU 1 – Illustration (Bild: RSCC)

Ebenfalls in Spanien entstand Kommunikationshardware, die auf dem sogenannten „top floor“ oder „top deck“, der Seite des Satellitengrundkörpers, die im Regelbetrieb ständig Richtung Erdoberfläche ausgerichtet ist, untergebracht ist.

Die Herstellung der Verkabelung für die Kommunikationsnutzlast und umfangreiche Tests von Nutzlastbestandteilen nahm Airbus Defence and Space in seinem Werk in Barajas, einem Stadtteil von Spaniens Hauptstadt Madrid, vor. In der Kommunikationsnutzlast kommen u.a. auch Komponenten von NEC aus Japan zum Einsatz.

Der endgültige Zusammenbau und notwendige Abschlusstests des Satelliten erfolgten im Airbus-Werk Toulouse in Frankreich. Im November 2015 verließ ein Transport mit Express-AMU 1 Toulouse, und erreichte nach wenigen Tagen das in Kasachstan gelegene Kosmodrom Baikonur.

Express-AMU 1 alias EUTELSAT 36C wird voraussichtlich katalogisiert mit der NORAD-Nr. 41.191 und als COSPAR-Objekt 2015-082A.

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