Gammastrahlen-Teleskop Integral 10 Jahre im All

Das empfindlichste jemals gestartete, im Gammastrahlenbereich arbeitende Weltraumteleskop Integral ist jetzt mehr als 10 Jahre im All. Die Europäische Raumfahrtorganisation (ESA) freut sich über den erfolgreichen Einsatz des Forschungssatelliten.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: ESA.

ESA/S. Corvaja
Start von Integral am 17. Oktober 2002
(Bild: ESA/S. Corvaja)

Der Satellit mit einer Startmasse von rund vier Tonnen war am 17. Oktober 2002 um 8:41 Uhr MESZ an der Spitze einer Proton-DM2-Rakete vom Kosmodrom Baikonur in Kasachstan aus Richtung Weltraum auf den Weg gebracht worden.

Integral untersuchte in den letzten 10 Jahren von seiner gegen den Erdäquator anfänglich um rund 52,5 Grad geneigten, hoch elliptischen Bahn aus ungewöhnliche Geburtsstätten neuer Sterne und Orte mit gefräßigen Schwarzen Löchern. Während das Teleskop rund 430 Millionen Kilometer zurücklegte, konnten zahlreiche Erkenntnisse zu den energiegeladensten Phänomenen im Universum gewonnen werden.

Das Zentrum unser eigenen Galaxie, der sogenannten Milchstraße, ist mit seiner bauchigen Mitte Heimat zahlreicher Quellen hoch energetischer Röntgen- und Gammastrahlung. Dank der regelmäßigen Beobachtungen durch Integral in den vergangenen Jahren lässt sich dieses Gebiet sehr detailliert beschreiben.

Eine Anzahl der Quellen, darunter auch sogenannte Binärsysteme, bei welchen sich ein gewöhnlicher Stern und ein schwarzes Loch oder Neutronenstern gegenseitig umkreisen, Pulsare und Überbleibsel von Supernovae, machen sich nur für beschränkte Zeiträume sichtbar. Manche von ihnen fallen durch plötzliches helles Aufleuchten auf, und verlöschen sogleich wieder, andere zeichnen sich durch beständigeres Leuchten aus. Die sich permanent verändernde Umgebung verleiht dem Zentrum der Milchstraße die Anmutung einer kosmischen Light-Show.

ESA
Integral im All – Illustration
(Bild: ESA)

Integral erledigte die Breitstellung einer Fülle von neuem Datenmaterial. Dem Teleskop gelang es, zum ersten Mal überhaupt den ganzen Himmel nach genau der Strahlung zu durchmustern, die bei der Elektron-Positron-Annihilation entsteht. Den von Integral gelieferten Informationen zufolge werden im Zentrum der Galaxie pro Sekunde 15 Millionen Trillionen Trillionen Trillionen (15×10 hoch 42, 15E+42) Paare von Elektronen und Positronen vernichtet. Dabei wird eine Leuchtkraft von mehr als dem Sechs-tausendfachen unserer Sonne generiert.

Elektronen sind allgegenwärtig; eine Erklärung für die offensichtlich reichlich vorhandenen Positronen hat man noch nicht gefunden. Als Quelle kommen nach aktueller Vorstellung zum Beispiel Supernovae, Binärsysteme mit einem Materiefluß von einem der beiden Sterne zu seinem kompakteren Partner, schwere Sterne und Pulsare infrage. Für möglich hält man auch, dass bei der Entstehung der Positronen supermassive schwarze Löcher wie im Zentrum der Milchstraße, Gammastrahlenausbrüche oder Partikel der sogenannten dunklen Materie eine Rolle spielen.

ESA
Binärsystem Cygnus X-1: Ein Schwarzes Loch kanibalisiert seinen Partnerstern – Illustration
(Bild: ESA)

In einem in der Nähe gelegenen Binärsystem namens Cygnus X-1 reißt ein Schwarzes Loch seinen Partnerstern gerade in Stücke und labt sich an dessen Material.

Beim Studium der extrem heißen Materie vor ihrem nur Millisekunden entfernten Verschwinden in den Abgründen eines Schwarzen Lochs via Integral fand man heraus, dass es einem Teil des Materials durchaus gelingen kann, dank in bestimmter Art und Weise strukturierter magnetischer Feldlinien in einer Art Fluchttunnel das Weite zu suchen.

Im etwa 6.000 Lichtjahre von der Erde entfernten Krebsnebel (M 1/NGC 1952), Reste einer von der Erde aus im Jahre 1054 beobachteten Supernova-Explosion, konnten ebenfalls entsprechend schnelle Materieströme beobachtet werden. In seinem Herzen gibt ein Pulsar den Takt an.

Bevor das Studium von schnell rotierenden Neutronensternen via Integral begann, war man sich nicht sicher, auf welchem Wege Partikel auf Geschwindigkeiten beschleunigt werden, die deutlich die von Teilchenbeschleunigern auf der Erde wie dem Large Hadron Collider des CERN erzeugbaren übertreffen.

Die Beobachtung der Polarisation der Wellen hoch energetischer Strahlung vom Krebsnebel brachte die Erkenntnis, dass ihre Ausrichtung sich an der Lage der Rotationsachse des Pulsars im Zentrum des Nebels orientiert.

Daraus schloss man, dass ein signifikanter Teil der Partikel, die für die intensive Strahlung verantwortlich sind, aus einer besonders strukturierten Region in unmittelbarer Nähe des Pulsars stammen müssen, und vielleicht direkt über die Jets genannten Materieströme aus dem Zentrum mit hoher Geschwindigkeit ausgestoßen werden.

Christoph Winkler, der wissenschaftliche Leiter des Integral-Programms bei der ESA, ist sich sicher, dass Integral auch 10 Jahre nach seinem Start weiter eine maßgebliche Rolle in der modernen Gammastrahlen-Astronomie spielen wird. Als längst fällig betrachtet Winkler die Untersuchung und Beschreibung hoch energetischer Strahlung aus einer Supernova-Explosion innerhalb unserer eigenen Galaxie, und hofft, dass Integral dabei ein Rolle spielen wird.

Bisher wurde die Mission von Integral, bei dessen technischer Auslegung man von einem fünfjährigen Einsatz ausging, drei Mal verlängert, das zuletzt geplante Missionsende war für den 31. Dezember 2014 vorgesehen. Zwischenzeitlich strebt man einen Betrieb des Teleskops bis Ende 2016 an.

Aktuell liegt das Perigäum der Bahn von Integral, also der der Erde nächstliegende Bahnpunkt, bei rund 3.810 Kilometern über der Erde, und das Apogäum, der von der Erde am weitesten entfernte Bahnpunkt, bei etwa 158.850 Kilometern. Die Neigung von Integrals Bahn gegen den Erdäquator liegt zur Zeit im Bereich von rund 65 Grad.

Integral ist katalogisiert mit der NOARD-Nr. 27.540 bzw. als COSPAR-Objekt 2002-048A.

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