Gas aus gemeinsamer Scheibe speist Zwillingssterne

Hochaufgelöste Bilder eines jungen Doppelsternsystems zeigen zum ersten Mal ein komplexes Netzwerk von Filamenten, die zwei Protosterne in der Mitte der gemeinsamen Akkretionsscheibe speisen. Mit diesen Beobachtungen konnte ein internationales Team von Astronomen unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik einen zweistufigen Akkretionsprozess nachweisen, der wichtige Informationen über die Bedingungen bei der Entstehung und Entwicklung von jungen Doppelsternsystemen liefert. Eine Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik.

Quelle: Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik.

MPE
Ein Zoom in die gemeinsame Scheibe um [BHB2007] 11, beobachtet mit ALMA. Das Proto-Doppelstern-System ist von Filamenten aus Staub umgeben, wobei der südliche (hellere) junge Stern mehr Material ansammelt.
(Bild: MPE)

Die meisten Sterne im Universum befinden sich in Doppelsternsystemen oder sogar Mehrfach-Sternensystemen. Nun wurde die Entstehung eines solchen Doppelsternsystems erstmals mit hochaufgelösten Aufnahmen mit dem ALMA-Teleskopverbund (Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array) beobachtet. Ein internationales Team von Astronomen unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik untersuchte ein Stern-System mit dem Namen [BHB2007] 11, das jüngste Mitglied einer kleinen Gruppe junger Sterne im Barnard 59-Kern, einem Teil der als Pfeifennebel bekannten, ausgedehnten interstellaren Dunkelwolke. Während frühere Beobachtungen bereist eine Akkretionshülle um eine gemeinsame Scheibe zeigten, lassen die neuen Beobachtungen nun auch deren innere Struktur erkennen.

„Wir sehen zwei kompakte Quellen, die wir als Scheiben um die beiden jungen Sterne interpretieren“, erklärt Felipe Alves vom MPE, der die Studie leitete. „Diese Scheiben haben jeweils eine Größe ähnlich dem Asteroidengürtel in unserem Sonnensystem, und ihr gegenseitiger Abstand ist 28 Mal der Abstand Erde-Sonne.“ Beide Proto-Sterne sind zudem von einer gemeinsamen Scheibe mit einer Gesamtmasse von etwa 80 Jupitermassen umgeben, die ein komplexes Netzwerk aus Staub enthält, der in spiralförmigen Strukturen verteilt ist. Die Form der Filamente deutet auf Bahnen einfallenden Materials hin, was durch die Beobachtung von molekularen Emissionslinien bestätigt wird.

ESO
Dieses Bild zeigt Barnard 59, Teil einer riesigen dunklen Wolke aus interstellarem Staub, genannt Pfeifennebel. Das hier untersuchte Proto-Doppelstern-System ist in die dichten Wolken in diesem Bild eingebettet, kann aber bei längeren Wellenlängen mit ALMA beobachtet werden.
(Bild: ESO)

„Das ist ein wirklich wichtiges Ergebnis“, betont Paola Caselli, Direktorin am MPE und Leiterin des Zentrums für Astrochemische Studien. „Wir haben nun endlich ein Bild von der komplexen Struktur um junge Doppelsterne und sehen insbesondere Filamente, die sie aus der gemeinsamen Scheibe speisen. Dies liefert uns wichtige Informationen um unsere derzeitigen Modelle der Sternentstehung zu verbessern.“

Die Astronomen interpretieren die Filamente als Zuflüsse aus der ausgedehnten umliegenden Scheibe, wobei der stellaren Scheibe um den weniger massereichen der beiden Protosterne mehr Materie zugeführt wird, was mit den theoretischen Vorhersagen übereinstimmt. Die geschätzte Akkretionsrate beträgt nur etwa 0,01 Jupitermassen pro Jahr, was mit den geschätzten Raten für andere proto-stellare Systeme übereinstimmt. Ähnlich wie die gemeinsame Scheibe die einzelnen Scheiben um jeden Proto-Stern speist, wird von jeder stellaren Scheibe Materie auf dem jungen Stern in ihrem Zentrum übertragen. In diesem Fall allerdings ist die aus den Beobachtungen abgeleitete Akkretionsrate für das massereichere Objekt höher. Die Beobachtung der Emission eines ausgedehnten Radiojets für das nördliche Objekt bestätigt dieses Ergebnis; ein unabhängiges Indiz dafür, dass dieser Proto-Stern tatsächlich mehr Material aus der ihn umgebenden stellaren Scheibe ansammelt.

„Wir erwarten, dass dieser zweistufige Akkretionsprozess die Dynamik des Doppelstern-Systems während seiner Massenakkretionsphase antreibt“, sagt Alves. „Während die gute Übereinstimmung dieser Beobachtungen mit der Theorie bereits sehr vielversprechend ist, müssen wir mehr junge Doppelstern-Systeme im Detail untersuchen, um mehr über die Bedingungen zu lernen, die zu Mehrfachsternsystemen führen.“

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