Eine der erfolgreichsten Wissenschaftsmissionen der ESA liefert seit zehn Jahren aus dem All sensationelle Daten. Eine Information der Europäischen Raumfahrtagentur (European Space Agency, ESA).
Quelle: ESA.
Das Röntgenobservatorium XMM-Newton wurde am 10. Dezember 1999 mit einer Ariane 5-Trägerrakete in eine exzentrische Umlaufbahn um die Erde befördert, um Objekte im All zu erforschen, die Röntgenstrahlen aussenden. Seitdem erscheinen von Forschern aus der ganzen Welt jährlich rund 300 wissenschaftliche Veröffentlichungen zu XMM-Ergebnissen.
Und die nächsten Wissenschaftler stehen bereits nach der wertvollen Beobachtungszeit Schlange. Denn Röntgenstrahlen aus dem All dringen nicht durch die Erdatmosphäre bis zur Erdoberfläche und können deshalb nur im Weltraum erfasst werden. Zunächst konnten die Forscher in den fünfziger und sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts nur kurzzeitige Messungen vornehmen. Dabei kamen Instrumente zum Einsatz, die sie mittels Ballonen oder Höhenforschungsraketen in große Höhen beförderten. So wurde die Sonne als erste kosmische Röntgenquelle und 1962 die erste Quelle jenseits des Sonnensystems im Sternbild Scorpius von Pionieren der Röntgenastronomie entdeckt. Ein Meilenstein war 1971 der erste Röntgensatellit Uhuru, der in drei Jahren erstmals den gesamten Himmel nach Röntgenquellen durchmusterte. Einen weiteren wichtigen Baustein in der Geschichte der Röntgenastronomie lieferten deutsche Forscher mit dem 1990 gestarteten ROSAT, der über 150 000 Röntgenquellen erfasste.
Ein Quantensprung in der Röntgenastronomie
Mit dem Start von XMM-Newton, gebaut unter der Leitung von Astrium in Friedrichshafen, wurde vor zehn Jahren ein Quantensprung erreicht. Die drei wissenschaftlichen Hauptinstrumente an Bord erhalten die fokussierten Röntgenstrahlen aus drei parallel zueinander montierten Spiegelmodulen, die jeweils 58 konzentrisch ineinander geschachtelte Spiegelelemente enthalten. So ist der europäische Wundersatellit in der Lage, auch sehr schwache Quellen im Kosmos zu erkennen. Seine Instrumente sind zehnmal sensitiver als die von ROSAT und es ist durch die drei parallelen Spiegelsysteme möglich, Himmelskörper gleichzeitig mit drei Kameras sowie zwei Spektrometern im Röntgenspektrum zu beobachten. Zusätzlich verfügt XMM noch über ein optisches bzw. ultraviolettes Teleskop, welches simultan Aufnahmen liefert.
Um diese technischen Parameter zu erreichen, entstand ein fast elf Meter hohes und knapp vier Tonnen schweres Superteleskop, der bisher größte Forschungssatellit der ESA. Aus der Konstruktion des Satelliten leitet sich auch der Name ab: XMM steht für X-Ray Multi Mirror. Zu Ehren des großen Forschers Sir Isaac Newton (1642-1727), der unter anderem auch entdeckt hat, wie man Licht in seine Bestandteile zerlegt, erhielt die ESA-Forschungsmission den Namen XMM-Newton.
Herausragende Ergebnisse
Der kontinuierliche Datenstrom von XMM beschäftigt weltweit mehr als tausend Wissenschaftler, die pro Jahr ihre Forschungsergebnisse in rund 300 wissenschaftlichen Veröffentlichungen präsentieren. So konnten Astronomen in einer entfernten Galaxie eine neue Klasse Schwarzer Löcher entdecken. Sie füllen mit einer Masse von ungefähr 500 Sonnen die Lücke zwischen leichteren und schweren supermassiven Schwarzen Löchern. Die Forscher hatten zwar angenommen, dass es solche Objekte im Universum geben muss, entdeckt wurden sie aber erst mittels ihrer Röntgenstrahlung.
Einige Daten werfen aber auch neue Fragen auf. 2002 entdeckten Wissenschaftler mit XMM-Newton einen Quasar, dessen Strahlung aus der Frühphase des Weltalls eine rätselhafte Botschaft enthielt: Ist das Universum möglicherweise älter als 15 Milliarden Jahre? Nach den damaligen Theorien dürfte ein Quasar aus der Frühphase nur wenig Eisen enthalten. Die Spektralanalyse ergab aber, dass in ihm drei Mal mehr Eisen als in unserem mindestens vier Mal älteren Sonnensystem vorhanden ist. Diese ungewöhnlich große Menge Eisen löste einen Disput unter den Wissenschaftlern aus: Entweder gibt es eine bisher unbekannte Art der Eisenproduktion, oder das Universum war zu dem Zeitpunkt, als der Quasar sein Licht aussandte, wesentlich älter als damals angenommen.
Dank der hohen Sensitivität der XMM-Instrumente konnte ein italienischer Wissenschaftler mit seinen Kollegen ein Rätsel lösen, das die Forscher seit 1997 beschäftigt. Sie hatten in der Nähe des hellen Sterns HD 49798 eine nicht zu identifizierende Röntgenquelle entdeckt. Das ESA-Teleskop konnte nun das mysteriöse Objekt entlarven: ein Weißer Zwerg, der den anderen Stern umkreist und ungewöhnliche Eigenschaften hat. So rotiert er alle 13 Sekunden einmal um seine Achse, der schnellste Weiße Zwerg, der bisher beobachtet wurde. Zudem ist er mit 1,3 Sonnenmassen ungewöhnlich schwer, fast schon zu schwer, um als Weißer Zwerg stabil zu sein: Sollte er weiter Masse von seinem Partnerstern aufsammeln, dann wird er in ein paar Millionen Jahren als Supernova explodieren.
Die Arbeit geht weiter
Ursprünglich hatte das Industriekonsortium um Astrium eine Einsatzzeit über mindestens zwei Jahre vertraglich zugesichert. Geplant war aber von Anfang an eine Betriebszeit von zehn Jahren, die jetzt erreicht ist. Der Satellit befindet sich jedoch in ausgezeichnetem Zustand und die ESA hat die Mission zunächst bis 2012 verlängert. Dr. Marcus Kirsch, der Spacecraft Operations Manager für XMM-Newton am ESOC, erwartet jedoch wesentlich mehr: „Wir gehen am ESOC davon aus, dass die Mission noch zehn weitere Jahre arbeiten kann. Seit die anfänglichen Kinderkrankheiten überwunden sind, holen wir maximale Ergebnisse aus der Mission heraus. Wir sind davon überzeugt, dass die weltweite Wissenschaftsgemeinde auch in den nächsten Jahren weitere außergewöhnliche Ergebnisse und Erkenntnisse aus dem XMM-Datenstrom ableiten wird.“
Zunächst dürfen aber alle Beteiligten kurz innehalten und am 10. Dezember den bisherigen Erfolg der Mission gebührend feiern.