Herschel in der Endmontage

Das größte Weltraumteleskop, das je gestartet wurde, befindet sich kurz vor der Fertigstellung. Nach seinem Start im Juni 2008 wird der ESA-Satellit einen Blick in das frühe Universum werfen.

Quelle: ESA.

ESA / NASA
Künstlerische Ansicht von Herschel
(Bild: ESA / NASA)

Bei EADS Astrium in Immenstaad am Bodensee erfolgt derzeit die Montage des Astronomiesatelliten Herschel. Das im Rahmen des ESA-Programms Horizon 2000 entwickelte gigantische Weltraumteleskop, dessen Start am 31. Juli 2008 erfolgen soll, wird die Infrarotstrahlung von jungen Sternen, Galaxien, Gas- und Staubwolken sowie weiteren Objekten einfangen und damit einen Blick in die Kinderstube des Universums werfen.

Herschel wird das bisher größte Weltraumteleskop sein, das je gestartet wurde. Sein Hauptspiegel hat einen Durchmesser von 3,5 m (im Vergleich dazu: das im sichtbaren Wellenlängenbereich arbeitende Hubble-Teleskop ist mit einem 2,4 m-Spiegel ausgerüstet), der Satellit eine Höhe von 7,5 m und einen Durchmesser von 4 m. Der Spiegel soll die für menschliche Augen nicht sichtbare Infrarotstrahlung in einem Wellenlängenbereich von 57 bis 670 µm erfassen und drei Instrumenten an Bord zur Auswertung zuführen: einem hochauflösenden Spektrometer sowie zwei kombinierten Photometern/Spektrometern. Der Satellit wurde deshalb nach Friedrich Wilhelm Herschel (1738 – 1822) benannt, dem Entdecker des Planeten Uranus, der im Jahr 1800 auch die Infrarotstrahlung fand.

Das Teleskop tritt die Nachfolge des überaus erfolgreichen ESA-Astronomiesatelliten ISO (Infrared Space Observatory) an, der von 1995-1998 eine Fülle wertvoller Daten lieferte. Herschel wird jedoch dank des wesentlich größeren Teleskops und mit der Erfassung eines erweiterten Wellenlängenbereiches im fernen Infrarot erheblich leistungsfähiger sein und damit Beobachtungen ermöglichen, die mit bisherigen Infrarot-Weltraumteleskopen nicht realisiert werden konnten.

In diesem Spektralbereich liefert das Universum ein ganz anderes Bild als im sichtbaren Licht. Infrarotstrahlen haben den Vorteil, dass sie auch Staub- und Gaswolken durchdringen und so den Astronomen tiefe Einblicke in die Entstehungsprozesse von Sternen und ihrer Planetensysteme bieten, die sich ja im Innern von riesigen Staubwolken vollziehen. Erst wenn sich ein junger Stern unter dem Einfluss der Schwerkraft so verdichtet hat, dass in seinem Innern Kernfusionsprozesse in Gang gesetzt werden, strahlt er auch sichtbares Licht aus. Vor der Initialisierung der Kernfusion ist der so genannte Protostern noch sehr kühl und gibt nur Wärmestrahlung von wenigen Grad Kelvin ab. Für genau diese Strahlung interessieren sich die Forscher, gibt sie doch Auskunft über das frühe Entwicklungsstadium.

Ein weiteres Forschungsziel ist die Untersuchung von Galaxien aus dem jungen Universum, die sich Milliarden Lichtjahre von uns entfernt befinden. Sie sind nur kurze Zeit nach dem Urknall entstanden und sollen bis zu hundertmal mehr Sterne produziert haben als das in heutigen Galaxien der Fall ist. Aufgrund der Ausdehnung des Universums wird das Licht der „Teenager“-Galaxien hin zu größeren Wellenlängen verschoben, von Astronomen spektrale Rotverschiebung genannt. Die Infrarotstrahlung der Milliarden Lichtjahre entfernten Objekte kommt deshalb mit mehr als der doppelten Wellenlänge bei uns an. Und in genau diesem Bereich werden die Sensoren von Herschel als erstes Weltraumteleskop empfindlich sein.

Herschel kann aber noch mehr. Mit hochauflösender Spektroskopie soll die Beschaffenheit von Kometen und Planetenatmosphären sowie von Oberflächen entfernter Planeten untersucht werden. Und das ESA-Teleskop ist auch in der Lage, im Weltraum nach Wasser zu suchen, einem wesentlichen Element für die Entstehung von Leben.

Die Untersuchung von Objekten des Weltraums im Bereich der Infrarotstrahlung hat einen großen Nachteil. Die von den verschiedenen Objekten abgegebene Infrarotstrahlung liegt in einem Temperaturbereich von wenigen Kelvin. Will man dort Messungen vornehmen, müssen die Sensoren nahezu auf den absoluten Nullpunkt, das entspricht minus 273,15 Grad Celsius oder 0 Kelvin, gekühlt werden. Deshalb befinden sich die drei wissenschaftlichen Instrumente in einem riesigen thermoskannenartigen Behälter, dem Kryostaten. Er wird mit 2367 Litern suprafluidem Helium gefüllt, das ständig langsam verdampft und so die Geräte auf minus 271 Grad Celsius bringt. Einige Sensoren müssen allerdings durch spezielle Maßnahmen noch weiter bis auf 0,1 Kelvin gekühlt werden. Suprafluides Helium ist besonders kalt, hat jegliche innere Reibung verloren und ist deshalb für langfristige Kühlmaßnahmen besonders geeignet. Daneben wird das Teleskop durch einen Sonnenschild permanent im Schatten gehalten. So erfolgt im kalten Weltraum bereits eine Abkühlung des gesamten Geräts auf minus 180 Grad Celsius.

Das neue Teleskop soll zusammen mit dem ESA-Wissenschaftssatelliten Planck am 31.07.2008 an der Spitze einer Ariane 5-Trägerakete in den Weltraum befördert werden und nach einer rund sechsmonatigen Reise den Lagrangepunkt L2 erreichen, um den es dann ebenso wie Planck kreisen wird. In den nach Joseph-Louis Lagrange benannten Punkten, von denen es fünf gibt, stellt sich zwischen zwei Himmelskörpern wie Sonne und Erde ein gravitativer Gleichgewichtszustand ein, so dass ein Satellit an dieser Stelle gewissermaßen verharrt.
Der L2-Punkt des Systems Erde-Sonne befindet sich aus Richtung Sonne gesehen hinter der Erde und wird so von der Sonnenstrahlung abgeschirmt. Er entwickelt sich deshalb zu einem beliebten Ort für astronomische Satelliten.

An Herschel werden derzeit bei EADS Astrium in Immenstaad bei Friedrichshafen am Bodensee die letzten Montage- und Prüfarbeiten durchgeführt, nachdem Nutzlastmodul und Service-Modul gewissermaßen miteinander „verheiratet“ wurden. Anschließend wird der Satellit zu Abnahmetests in das Technikzentrum der ESA, das ESTEC in Noordwijk in den Niederlanden geschickt.

Nach oben scrollen