Das weltraumgestützte Radio- und Mikrowellenteleskop Planck der europäischen Weltraumorganisation (ESA) wird noch diese Woche, am 23. Oktober 2013, endgültig abgeschaltet. Zeit für ein vorläufiges Fazit zum Abschluss einer bereits jetzt als Erfolg betrachteten, europäischen Wissenschaftsmission im All.
Ein Beitrag von Michael Clormann. Quelle: ESA, Planck Collaboration, Raumcon.
Dem Missionsende am kommenden Mittwoch gingen sowohl die am Samstag den 19. Oktober erfolgte Abschaltung des letzten wissenschaftlichen Instruments an Bord, als auch der erst gestern durchgeführte Einschuss des Weltraumteleskops in einen finalen Parkorbit voraus. Damit verlässt das Raumfahrzeug seine bisherige Position im Orbit um den Lagrange-Punkt 2 des Erde-Sonne Systems, in den es, wenige Wochen nach seinem Start mit einem Ariane 5 ECA am 14. Mai 2009, eingeschwenkt war. Die mit demselben Ariane-Flug transportierte Schwestermission Herschel ging ebenfalls bereits in diesem Jahr außer Betrieb. Ursache für die planmäßige Stilllegung beider Geräte waren die endgültig aufgebrauchten Vorräte an mitgeführtem Kühlmittel für die Präzisionssensoren. Insgesamt führte Planck zu Beginn seiner Reise mehrere hundert Liter flüssigen Heliums und Wasserstoffs zu diesem Zweck mit. Das empfindlichere von Plancks Instrumenten, das High Frequency Instrument (HFI) mit einer erforderlichen Betriebstemperatur zwischen 0,1 und 1,6 Kelvin, war entsprechend bereits im Januar 2012 deaktiviert worden.
Ursprünglich war eine wissenschaftlich produktive Einsatzdauer von nicht einmal zwei Jahren geplant, die von beiden Instrumenten übertroffen werden konnte. Für das Low Frequency Instrument (LFI) endete der eigentliche Betrieb mit dem Sammeln von Beobachtungsdaten am 3. Oktober 2013 nach der fünften Durchmusterung des gesamten Himmels.
Planck, im Jahr 1996 konkret angekündigt, stellte zusammen mit Herschel die Abschlussmission des bereits 1984 angelaufenen Horizon 2000-Programms der ESA zur wissenschaftlichen Erforschung des Kosmos durch Raummissionen dar. Die Fortsetzung der erprobten Missionsreihe wird gegenwärtig mit dem sogenannten Horizon 2000+-Konzept (Gaia, BepiColombo) weitergeführt und zukünftig von Cosmic Vision 2015-2025 (Solar Orbiter, Euclid, JUICE) ersetzt werden.
Das primäre Missionsziel war, von Anfang an, die bisher genaueste, flächendeckende Kartierung der kosmischen Hintergrundstrahlung im Mikrowellen-Bereich (CMB), zur Überprüfung bisher empirisch unbestätigter Erklärungsansätze zu Natur und Entwicklung des Universums. Plancks Vorgänger COBE und WMAP hatten auf diesem Gebiet schon zuvor Ergebnisse geliefert, jedoch nicht in vergleichbarer Detailqualität, wie die vom Planck-Konsortium am 21. März 2013 veröffentlichen Flächenkarten des CMB zeigten.
Der kosmische Mikrowellenhintergrund bildet die Materie- und Strahlungsverteilung des frühen Universums nur rund 380.000 Jahre nach dem Urknall ab, als dieses erstmals ausreichend „abgekühlt“ war um für messbare Strahlung durchlässig zu sein. Interessant ist dabei, dass diese ältestmögliche Strahlung, stammend aus einem Moment nur einen kosmischen Bruchteil nach dem Beginn der Zeit, geringe räumliche Unterschiede in ihrer Intensität aufweist, die sich mit den Mustern der Materiedistribution unseres heutigen Universums, mehr als 13,82 Milliarden Jahre später, abgleichen und in Verbindung setzen lassen. Planck ermöglichte die verbesserte Darstellung dieses Zusammenhangs, warf aber mit der gleichzeitigen Entdeckung großflächiger Asymmetrien und „kalter Flecken“ im Sensorbild des Hintergrunds auch neue, bisher nicht vollständig gelöste Fragen auf.
Unter anderem zum Abgleich des CMB, wurde von Planck auch umfangreiches Datenmaterial über die Position von Galaxienhaufen, die Gas-Filamenten zwischen ihnen, und weitere makroskopische, massereiche Gebilde im Universum, etwa Ansammlungen sogenannter „Dunkler Materie“, produziert. Dabei konnte der „Sunyaev-Zel’dovich-Effekt“ ausgenutzt und einer direkten Überprüfung unterzogen werden. Im Zuge dessen ergab sich auch eine in neuer Qualität fundierte Schätzung über die anteilsmäßige Zusammensetzung des Universums: neben den nur 4,9%, die die klassische, baryonische Materie ausmacht, wurde die Dunkle Materie mit nun immerhin 26,8% und die Dunkle Energie mit 68,3% beziffert. Quasi als Nebenprodukt seiner Beobachtungstätigkeit konnte Planck weiterhin auch kleinere kosmische Phänomene, etwa bisher unverstandene, warme Staubstrukturen in der Raumebene unserer Milchstraße, entdecken. Sogar zum Alter, und damit ebenfalls zur Expansionsrate des Universums, konnten nach Übermittlung von Plancks Aufnahmen neue Aussagen getroffen werden. Mit einem Alter von, wie bereits genannt, 13,82 Milliarden Jahren, erwies sich das Universum als geringfügig älter als bisher angenommen. Entsprechend konnte die „Hubble-Konstante“ H0 im Laufe der Mission auf nur 67,15 +/- 1,2 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec präzisiert werden: Weniger als von bisherigen Messungen angedeutet.
Erst vor wenigen Tagen konnte, mit Hilfe von Herschel, die Tür in eine bislang unerreichbar frühe Periode des Universums aufgestoßen werden: Wie sich herausstellte, ist es grundsätzlich möglich Informationen über die Beschaffenheit des Universums noch während seines „undurchsichtigen“ Lebensabschnitts durch Teleskope zu erlangen. Plancks Daten werden, so hofft man, schon im kommenden Jahr Herschels Vorarbeit ergänzen können. Es geht darum, bestimmte polarisierte Anteile der kosmischen Hintergrundstrahlung, sogenannte „primordiale B-modes“, nachzuweisen. Sie wurden von Gravitationseffekten beeinflusst, die noch deutlich älter als das unmittelbar sichtbare Universum sind und entsprechend Rückschlüsse auf die frühe Zeitperiode ihres Ursprungs erlauben.
Immer wieder wurde bei den Veröffentlichungen auf Planck gestützter Resultate während der letzten Monate deutlich, dass die beteiligten wissenschaftlichen Institute und Forschungsgruppen mit den erbrachten Leistungen ihres Teleskops außerordentlich zufrieden sind. Ebenso oft wurde auf das Potential der verbleibenden, noch nicht ausgewerteten Datenvorräte der Mission hingewiesen, die noch für die kommenden Jahre weiterführende Ergebnisse versprächen. Dennoch unterlag auch Planck, so viel lässt sich mit einiger Sicherheit bereits jetzt vermuten, unausweichlich Fluch und Segen der modernen (Astro-)Physik: aus jedem mit großem Aufwand gelüfteten Geheimnis des Kosmos ergaben sich bisher (mindestens) zwei Neue. Die Weiterführung der begonnenen kosmologischen Gralssuche wird das Privileg der nächsten Generation von Weltraumteleskopen bleiben. Planck jedenfalls, kann nach seiner erbrachten Leistung den Staffelstab mit Stolz und einiger Zuversicht übergeben.
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