Hinweise auf eine mögliche Atmosphäre um einen felsigen Exoplaneten

Forschende haben mit dem NASA/ESA/CSA James-Webb-Weltraumteleskop möglicherweise eine Atmosphäre um 55 Cancri e, einen felsigen Exoplaneten 41 Lichtjahre von der Erde entfernt, entdeckt. Dies ist der bisher beste Beweis für eine Atmosphäre bei einem Gesteinsplaneten ausserhalb unseres Sonnensystems. Brice Olivier Demory, Professor für Astrophysik an der Universität Bern und Mitglied des Nationalen Forschungsschwerpunkts NFS PlanetS, war Teil des internationalen Forschungsteams, dessen Studie soeben in Nature publiziert wurde. Eine Medienmitteilung der Universität Bern.

Quelle: Universität Bern 8. Mai 2024.

Diese künsterlische Darstellung zeigt, wie der Exoplanet 55 Cancri e aussehen könnte. 55 Cancri e, auch Janssen genannt, ist eine so genannte Supererde, ein Gesteinsplanet, der deutlich grösser als die Erde, aber kleiner als Neptun ist. Beobachtungen von JWSTs NIRCam und MIRI deuten darauf hin, dass der Planet von einer Atmosphäre umgeben sein könnte, die reich an Kohlendioxid (CO2) oder Kohlenmonoxid (CO) ist. Aufgrund der grossen Nähe zu seinem Stern ist der Planet extrem heiss und vermutlich mit geschmolzenem Gestein bedeckt. Die Forschenden vermuten, dass die Gase, aus denen die Atmosphäre besteht, aus dem Magma herausgesprudelt sein könnten. Bild: (NASA, ESA, CSA, Ralf Crawford (STScI))
Diese künsterlische Darstellung zeigt, wie der Exoplanet 55 Cancri e aussehen könnte. 55 Cancri e, auch Janssen genannt, ist eine so genannte Supererde, ein Gesteinsplanet, der deutlich grösser als die Erde, aber kleiner als Neptun ist. Beobachtungen von JWSTs NIRCam und MIRI deuten darauf hin, dass der Planet von einer Atmosphäre umgeben sein könnte, die reich an Kohlendioxid (CO2) oder Kohlenmonoxid (CO) ist. Aufgrund der grossen Nähe zu seinem Stern ist der Planet extrem heiss und vermutlich mit geschmolzenem Gestein bedeckt. Die Forschenden vermuten, dass die Gase, aus denen die Atmosphäre besteht, aus dem Magma herausgesprudelt sein könnten. (Bild: NASA, ESA, CSA, Ralf Crawford (STScI))

8. Mai 2024 – Brice-Olivier Demory vom Center for Space and Habitability CSH der Universität Bern und Mitglied des NFS PlanetS ist Mitautor der Studie, die kürzlich in Nature veröffentlicht wurde. Er sagt: «55 Cancri e ist einer der rätselhaftesten Exoplaneten. Trotz enormer Beobachtungszeit in den letzten zehn Jahres mit einem Dutzend Boden- und Weltrauminstrumenten blieben seine Eigenschaften unbekannt. Dies änderte sich nun mit der Auswertung von Daten, die mit dem NASA/ESA/CSA James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) gewonnen wurden.» Unerwarteterweise zeigen diese Beobachtungen von 55 Canceri e einerseits, dass ein heisser und starker Strahlung ausgesetzter Gesteinsplanet eine Gasatmosphäre besitzen könnte, und sie sind ausserdem ein gutes Vorzeichen für die Fähigkeit des JWST, kühlere – und möglicherweise habitable – Gesteinsplaneten zu charakterisieren, die sonnenähnliche Sterne umkreisen. Renyu Hu vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA, Erstautor der aktuellen Studie, sagt: «JWST erweitert die Möglichkeiten der Charakterisierung von Exoplaneten auf felsige Exoplaneten», sagte Hu. «Dies eröffnet ein neues Forschungsfeld.»

Berner Weltraumteleskop CHEOPS lieferte wichtige Erkenntnisse
Demory wurde von Hu, einem seiner Kollegen aus seiner Zeit am Massachusetts Institute of Technology MIT, zum Forschungsprogramm eingeladen. Demory hat 55 Cancri e seit Beginn seiner Karriere untersucht: «Als Postdoc am MIT leitete ich die Entdeckung des ersten Transits von 55 Cancri e, und 2016 veröffentlichte mein Team die erste Karte eines felsigen Exoplaneten, der 55 Cancri e war.» Das Ergebnis von 2016 deutete bereits auf das mögliche Vorhandensein einer Atmosphäre um 55 Cancri e hin. Für die aktuelle Studie führte Demory eine unabhängige Analyse des Datensatzes durch. Er erklärt: «In den vergangenen zwei Jahren hat das Weltraumteleskop CHEOPS, das an der Universität Bern entwickelt und gebaut wurde, entscheidend dazu beigetragen, mehrere Fragen von Astrophysikern und Astrophysikerinnen zu 55 Cancri e zu beantworten. JWST ergänzte dieses Bild bei Infrarot-Wellenlängen und zeigte, dass die Super-Erde 55 Cancri e von einer Atmosphäre umgeben ist, deren Zusammensetzung mit Kohlenmonoxid oder Kohlendioxid übereinstimmt.»

Ein thermisches Emissionsspektrum, das von JWSTs NIRCam (Nahinfrarotkamera) im November 2022 und MIRI (Mittelinfrarotinstrument) im März 2023 aufgenommen wurde, zeigt die Helligkeit (y-Achse) verschiedener Wellenlängen des infraroten Lichts (x-Achse), das vom Super-Earth-Exoplaneten 55 Cancri e e emittiert wird. Das Spektrum zeigt, dass der Planet von einer Atmosphäre umgeben sein könnte, die reich an Kohlendioxid oder Kohlenmonoxid und anderen flüchtigen Stoffen ist, nicht nur an verdampftem Gestein. Die Grafik vergleicht die von NIRCam (orangefarbene Punkte) und MIRI (lila Punkte) gesammelten Daten mit zwei verschiedenen Modellen. Modell A, in rot, zeigt, wie das Emissionsspektrum von 55 Cancri e aussehen sollte, wenn er eine Atmosphäre aus verdampftem Gestein hat. Modell B (blau) zeigt, wie das Emissionsspektrum aussehen sollte, wenn der Planet eine Atmosphäre mit vielen flüchtigen Bestandteilen hat, die aus einem Magmaozean mit einem ähnlichen Gehalt an flüchtigen Bestandteilen wie der Erdmantel ausgegast ist. Sowohl die MIRI- als auch die NIRCam-Daten stimmen mit dem flüchtigkeitsreichen Modell überein. (Grafik: Illustration: NASA, ESA, CSA, Ralf Crawford (STScI); Science: Renyu Hu (JPL), Aaron Bello-Arufe (JPL), Diana Dragomir (University of New Mexico))
Ein thermisches Emissionsspektrum, das von JWSTs NIRCam (Nahinfrarotkamera) im November 2022 und MIRI (Mittelinfrarotinstrument) im März 2023 aufgenommen wurde, zeigt die Helligkeit (y-Achse) verschiedener Wellenlängen des infraroten Lichts (x-Achse), das vom Super-Earth-Exoplaneten 55 Cancri e emittiert wird. Das Spektrum zeigt, dass der Planet von einer Atmosphäre umgeben sein könnte, die reich an Kohlendioxid oder Kohlenmonoxid und anderen flüchtigen Stoffen ist, nicht nur an verdampftem Gestein. Die Grafik vergleicht die von NIRCam (orangefarbene Punkte) und MIRI (lila Punkte) gesammelten Daten mit zwei verschiedenen Modellen. Modell A, in rot, zeigt, wie das Emissionsspektrum von 55 Cancri e aussehen sollte, wenn er eine Atmosphäre aus verdampftem Gestein hat. Modell B (blau) zeigt, wie das Emissionsspektrum aussehen sollte, wenn der Planet eine Atmosphäre mit vielen flüchtigen Bestandteilen hat, die aus einem Magmaozean mit einem ähnlichen Gehalt an flüchtigen Bestandteilen wie der Erdmantel ausgegast ist. Sowohl die MIRI- als auch die NIRCam-Daten stimmen mit dem flüchtigkeitsreichen Modell überein. (Grafik: Illustration: NASA, ESA, CSA, Ralf Crawford (STScI); Science: Renyu Hu (JPL), Aaron Bello-Arufe (JPL), Diana Dragomir (University of New Mexico))

Superheisse Super-Erde und dennoch kühler als erwartet
Obwohl 55 Cancri e in seiner Zusammensetzung den Gesteinsplaneten in unserem Sonnensystem ähnelt, könnte die Bezeichnung «felsig» einen falschen Eindruck vermitteln. Der Planet kreist so nahe um seinen Stern (eine volle Umkreisung dauert 18 Stunden, verglichen mit den 365 Tagen unserer Erde um die Sonne), dass seine Oberfläche geschmolzen sein muss und ein tiefer, brodelnder Ozean aus Magma ist. «Der Planet ist so heiss, dass ein Teil des geschmolzenen Gesteins verdampfen sollte», erklärt Hu. Bei einer so engen Umlaufbahn um seinen Stern ist der Planet wahrscheinlich auch gezeitenabhängig. Das bedeutet, dass seine Tagseite immer dem Stern zugewandt ist und seine Nachtseite in ständiger Dunkelheit liegt.

Obwohl JWST kein direktes Bild von 55 Cancri e einfangen kann, ist es in der Lage, subtile Veränderungen im Licht des Systems zu messen, wenn der Planet vor dem Stern vorbeizieht. Das Team verwendete die NIRCam (Nahinfrarotkamera) und das MIRI (Mittelinfrarotinstrument) von JWST, um das vom Planeten kommende Infrarotlicht zu messen. Durch Subtraktion der Helligkeit während der sekundären Finsternis, wenn sich der Planet hinter dem Stern befindet (nur Sternenlicht), von der Helligkeit, wenn sich der Planet direkt neben dem Stern befindet (Licht von Stern und Planet zusammen), konnte das Team die Menge an Infrarotlicht verschiedener Wellenlängen berechnen, das von der Tagseite des Planeten stammt.

Der erste Hinweis darauf, dass 55 Cancri e eine nennenswerte Atmosphäre besitzen könnte, ergab sich aus Temperaturmessungen, die auf der thermischen Emission, also der in Form von Infrarotlicht abgegebenen Wärmeenergie, basieren. Wenn der Planet mit einem dünnen Schleier aus verdampftem Gestein oder gar keiner Atmosphäre bedeckt wäre, müsste die Temperatur auf der Tagseite etwa 2’200 Grad Celsius betragen. «Stattdessen zeigten die MIRI-Daten eine relativ niedrige Temperatur von etwa 1’500 Grad Celsius», so Hu. «Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Energie von der Tagseite des Planeten auf die Nachtseite übertragen wird, höchstwahrscheinlich durch eine Atmosphäre mit vielen flüchtigen Bestandteilen.» Lavaströme könnten zwar etwas Wärme auf die Nachtseite transportieren, aber nicht effizient genug, um die Temperaturdifferenz zu erklären. Selbst wenn die Wärme gleichmässig über den Planeten verteilt wäre, erscheint die Tagseite um mehrere hundert Grad kühler als erwartet. Dies kann damit erklärt werden, dass ein Teil des von der Oberfläche abgestrahlten Infrarotlichts von der Atmosphäre absorbiert wird, bevor es von Teleskopen gemessen werden kann.

Diese Lichtkurve zeigt die Veränderung der Helligkeit des Systems 55 Cancri, wenn sich der Gesteinsplanet 55 Cancri e, der nächstgelegene der fünf bekannten Planeten des Systems, hinter den Stern bewegt. Dieses Phänomen ist als sekundäre Finsternis bekannt. Wenn sich der Planet neben dem Stern befindet, erreicht das Licht im mittleren Infrarotbereich, das sowohl vom Stern als auch von der Tagseite des Planeten abgestrahlt wird, das Teleskop, und das System erscheint heller. Befindet sich der Planet hinter dem Stern, wird das vom Planeten ausgestrahlte Licht blockiert und nur das Sternenlicht erreicht das Teleskop, wodurch die scheinbare Helligkeit abnimmt. Astronominnen und Astronomen können die Helligkeit des Sterns von der kombinierten Helligkeit von Stern und Planet abziehen, um zu berechnen, wie viel Infrarotlicht von der Tagseite des Planeten kommt. Daraus lässt sich dann die Temperatur auf der Tagseite des Planeten berechnen und ableiten, ob der Planet eine Atmosphäre hat oder nicht. (Grafik: Illustration: NASA, ESA, CSA, Joseph Olmsted (STScI); Science: Aaron Bello-Arufe (NASA-JPL))
Diese Lichtkurve zeigt die Veränderung der Helligkeit des Systems 55 Cancri, wenn sich der Gesteinsplanet 55 Cancri e, der nächstgelegene der fünf bekannten Planeten des Systems, hinter den Stern bewegt. Dieses Phänomen ist als sekundäre Finsternis bekannt. Wenn sich der Planet neben dem Stern befindet, erreicht das Licht im mittleren Infrarotbereich, das sowohl vom Stern als auch von der Tagseite des Planeten abgestrahlt wird, das Teleskop, und das System erscheint heller. Befindet sich der Planet hinter dem Stern, wird das vom Planeten ausgestrahlte Licht blockiert und nur das Sternenlicht erreicht das Teleskop, wodurch die scheinbare Helligkeit abnimmt. Astronominnen und Astronomen können die Helligkeit des Sterns von der kombinierten Helligkeit von Stern und Planet abziehen, um zu berechnen, wie viel Infrarotlicht von der Tagseite des Planeten kommt. Daraus lässt sich dann die Temperatur auf der Tagseite des Planeten berechnen und ableiten, ob der Planet eine Atmosphäre hat oder nicht. (Grafik: Illustration: NASA, ESA, CSA, Joseph Olmsted (STScI); Science: Aaron Bello-Arufe (NASA-JPL))

Blubbernder Magma-Ozean
Das Team geht davon aus, dass die Gase, die 55 Cancri e bedecken, aus dem Inneren des Planeten heraussprudeln. Die primäre Atmosphäre wäre aufgrund der hohen Temperatur und der intensiven Strahlung des Sterns längst verschwunden. Es würde sich also um eine sekundäre Atmosphäre handeln, die durch den Magmaozean ständig gespiesen wird, da Magma nicht nur aus Kristallen und flüssigem Gestein besteht, sondern auch eine Menge gelöstes Gas enthält.

Obwohl 55 Cancri e viel zu heiss ist, um habitabel zu sein, könnte er ein einzigartiges Fenster für die Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Atmosphären, Oberflächen und dem Inneren von Gesteinsplaneten bieten und vielleicht auch Einblicke in die frühe Erde sowie in Venus und Mars ermöglichen, von denen man annimmt, dass sie von Magma-Ozeanen bedeckt waren. «Letztendlich wollen wir verstehen, welche Bedingungen es einem Gesteinsplaneten ermöglichen, eine gasreiche Atmosphäre aufrechtzuerhalten: die wichtigste Zutat für einen bewohnbaren Planeten» sagt Hu abschliessend.

Publikation:
A Secondary Atmosphere on the Rocky Exoplanet 55 Cnc e by Renyu Hu and al. ist in Nature publiziert.
DOI: 10.1038/s41586-024-07432-x
https://www.nature.com/articles/s41586-024-07432-x

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