Nach etwa einem Jahr im Amt berichtet Mr. Israel im Gespräch mit Raumfahrer.net & Flugrevue auf der ILA 2014 über Weltraumtourismus, Wiederverwendbarkeit und die Rolle, die Arianespace bei der Entwicklung der Ariane 6 spielen kann. Auch der Wunsch nach mehr Onboardkameras kommt zur Sprache.
Ein Beitrag von Klaus Donath. Quelle: Raumfahrer.net.
Flugrevue: Sie sind sehr jung und neu in der Position als Chef von Arianespace. Wenn Sie nun auf die letzten Monate zurückblicken, ist es dass, was Sie erwartet haben?
Stéphane Israël: Ich würde sagen ja. Ich hatte vorher schon viel Erfahrung im Raumfahrtbereich. Im Jahr 2007 bin ich diesen Weg erstmals eingeschlagen, zunächst als Berater von Louis Gallois, CEO von EADS. Gefolgt von mehreren Management-Positionen im operativen Geschäft von Astrium. Ich wusste also gut, wie der Raumfahrtsektor in Europa funktioniert. Wir müssen unsere Auftragsbücher abarbeiten und dabei erfolgreich sein. Sowohl für private Kunden, als auch für staatliche. Was mich dagegen etwas überrascht hat, war die große Anzahl der beteiligten Stakeholder. Da ist der Kunde, die ESA, das politische Umfeld usw. Es ist nun mal Tatsache, dass Arianespace ganz Europa gehört und das hatte ich mir weniger zeitraubend vorgestellt. Man muss gleichzeitig Diplomat sein, aber wenn man das Glück hat ein Unternehmen zu führen, zugleich auch einen klaren Weg vorgeben. Diese beiden Eigenschaften sind oft nicht kompatibel. Dies zu meistern, ist eine meiner Aufgaben.
Flugrevue: Mr. Le Gall (anm. der Redaktion: ehemaliger CEO von Arianespace) antwortete auf Fragen zur Zukunft des Unternehmens immer, dass Airanespace ein Serviceunternehmen sei. Sie führen Aufträge aus, ganz egal welche Rakete da nun auf dem Startplatz steht. Denken Sie in die gleiche Richtung in Hinblick auf die unklare Situation mit der Ariane 6? Die Franzosen wollen Feststoff, die deutschen etwas anderes und jeder wartet auf eine Entscheidung bei der Ministerratskonferenz.
Stéphane Israël: Nun ich denke, dass Arianespace eine einzigartige Expertise im Betreiben von Raketen mitbringt. Wir operieren seit mehr als 30 Jahren in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Kunden. Auf Basis dieser Erfahrungen ist Arianespace absolut in der Lage, Vorschläge und Konzepte in die Diskussion bei der Ministerratskonferenz einzubringen. Deswegen haben wir umfangreiche Marktanalysen durchgeführt um zu sehen, wohin er sich entwickeln könnte. Durch den kommenden Durchbruch all-elektrischer Satelliten werden wir uns wohl in einer Situation mit mehr kleineren Satelliten im geostationären Orbit befinden. Daher benötigen wir die Ariane 6, dessen Design wir übrigens unterstützen, für große, aber eben auch kleinere Satelliten. Dies gesagt ist es also klar, dass wir zwei kleinere Satelliten zusammen starten wollen, einfach, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Zudem unterstütze ich das Konzept der Ariane 5 ME für die mittlere Zukunft. Grade durch Mitbewerber wie SpaceX und Poroton, die im Bereich von 6 Tonnen starten, wird es mehr Satelliten dieser Größenordnung geben. Dort sind wir zurzeit nicht gut aufgestellt, da wir nicht zwei dieser Satelliten gleichzeitig starten können. Die Ariane 5 ME wird uns diese Möglichkeit geben, die frühestens 2018 einsatzbereit sein wird. Daher, wir können unseren Beitrag leisten, sind aber nicht die ESA und auch nicht die Industrie, die für die Produktion und Entwicklung der Rakete verantwortlich ist.
Flugrevue: Sie haben in Ihren Reihen ja durchaus Ingenieure, wie Sie sagten auch mit viel Erfahrung. Diese könnten doch schon sagen, mit welchem Raketentyp es sich besser arbeiten ließe.
Stéphane Israël: Das stimmt zwar, aber bezüglich des Designs denke ich ehrlicherweise, dass dies mehr in der Verantwortung der Industrie liegt. Ob nun Feststoff oder Flüssigtriebwerke, ich möchte Arianespace da nicht in der Debatte sehen. Ich sehe uns da eher von der operativen Seite. So wichtig diese Diskussion auch ist, sie liegt nicht in unserer Verantwortung.
Raumfahrer.net: Als Startanbieter haben Sie ein Interesse an einer preislich konkurrenzfähigen und zuverlässigen Rakete. Wie passt da eine der teuersten & kompliziertesten Oberstufen zum sonst eher konservativen Konzept der Ariane 6 mit Ihren Feststoff-Basisstufen?
Stéphane Israël: Die Oberstufe soll sowohl für die Ariane 5 ME, als auch die Ariane 6 zur Verfügung stehen. Ich sehe das also eher positiv. Wir nutzen das gleiche Triebwerk für beide Raketen, was natürlich zu Preiseinsparungen führt. Ich sehe das Vinci Triebwerk aus technologischer Sicht für einen großen Fortschritt. Sie wird Arianespace eine wiederzündbare Oberstufe geben was sich für elektrische Nutzlasten besonders eignet. Wenn es um günstige Raketen geht, was natürliche eine Priorität für Arianespace ist um auf dem Markt bestehen zu können, kann man durch das Design der Rakete günstiger werden aber auch durch die Betriebsführung. Ich habe diese Oberstufe jedenfalls immer als einen großen Vorteil angesehen.
Raumfahrer.net: Sie haben vorher bereits SpaceX angesprochen. Diese versuchen grade wiederverwendbare Raketen zu etablieren. Wäre das für Europa auch ein gangbarer Weg?
Stéphane Israël: Ich denke wir sollten aufmerksam sein bei allen Innovationen. Und in der Raumfahrt geht es natürlich grade um Innovationen. In diesem Punkt müssen Sie aber unterscheiden zwischen der technischen Betrachtungsweise und dem Business-case. Von der technischen Seite her denke ich, es ist möglich die Wiederverwendbarkeit umzusetzen. Ob danach aber ein Business-Case daraus wird ist eine andere Frage. Hier gibt es viele Bedenken, so ist es nicht leicht die Rakete wieder zu bergen. Außerdem vernichtet man die Preisvorteile durch höhere Produktionsraten, da weniger gefertigt wird.
Zudem muss man wissen, wofür man Wiederverwendung benötigt. Ist die Ambition Satelliten in den geostationären Orbit zu bringen oder zum Mars zu fliegen? So wie ich das verstanden habe, ist die Wiederverwendbarkeit ein Schritt Richtung Mars. Um dorthin zu fliegen und wieder zurück, braucht man eine wiederverwendbare Rakete. Die Ambitionen von SpaceX, das haben Sie mehrfach geäußert, liegen nicht im GEO, sondern beim Mars. Wir werden uns die Entwicklung sehr sorgfältig anschauen und dies ist etwas, was wir im Hinterkopf behalten müssen. In dem Fall, das die Ariane 6 nicht den Weg für diese Technologie frei macht, müssen wir das natürlich erklären, damit, dass dies nicht der Weg für Europa ist. Jetzt ist die Wiederverwendbarkeit auf jeden Fall mit in der Debatte und ich bin mir sicher, dass es eine Rolle spielt bei der Designentscheidung. Auch wenn Sie nicht kommt.
Flugrevue: Am Anfang sprachen Sie von der Proton als Konkurrenz. Ist sie das wirklich, grade im Hinblick auf den misslungenen Start vor wenigen Wochen.
Stéphane Israël: Ja, das denke ich schon. Obwohl die Tatsache von einem Fehlstart pro Jahr in jüngerer Vergangenheit natürlich den Druck von uns nimmt. Aber die Proton ist weiter da, wenn auch mit einem größeren Fragezeichen bezüglich der Zuverlässigkeit. Auch letztes Jahr ist Sie nach dem Fehlstart schnell wieder am Markt gewesen. Auch uns erinnert es daran, dass wir in einem komplizierten Markt vertreten sind und selbst nach 59 erfolgreichen Starts in Reihe müssen wir fokussiert bleiben.
Raumfahrer.net: Zudem waren die kommerziellen Proton Flüge, operiert von ILS, in den letzten Jahren immer erfolgreich. Sehen Sie ein Problem darin mit möglicherweise 5 Raketenkonfigurationen parallel zu arbeiten, sobald die Ariane 6 da ist?
Stéphane Israël: Nein, dies wird alles nacheinander geschehen. Ariane 5 auf Ariane 5 ME wird ein sanfter Übergang und die Ariane 6 bekommt Ihren eigenen Startplatz. Schon heute können wir 3 Raketen erfolgreich betreiben mit lediglich 2 Wochen Mindestabstand zwischen zwei Starts, was sehr bemerkenswert ist.
Raumfahrer.net: Glauben Sie, dass es möglich ist, mit Weltraumtouristen Geld zu verdienen?
Stéphane Israël: Wir sind nicht in diesem Geschäft, daher bin ich da auch kein Experte. Es gibt da einige Projekte, Airbus Defense & Space hat eins sowie einige amerikanische Firmen. Es ist Fakt, dass es in dieser Welt einige Menschen gibt, die bereit und in der Lage sind für einige Minuten im All sehr viel Geld zu bezahlen. Ich sehe die Raumfahrt eher als etwas an, dass der gesamten Menschheit dienen soll und nicht einigen wenigen. Ich wünsche mir lieber, dass Arianespace Satelliten startet, welche für Navigation, Wetter & Erdbeobachtung Vorteile für jeden schafft.
Raumfahrer.net: Eine kurze Frage hätte ich noch. In Ihren Liveübertragungen zeigen Sie oft Konservenbilder von Onboardkameras. Wäre es nicht toll, diese live immer dabei zu haben?
Stéphane Israël: Wir hatten Kameras beim Start von Kopernikus mit der Sojus. Mit fantastischen Aufnahmen der Stufentrennung und ich bin der Überzeugung, dass die Raumfahrt zu allen sprechen muss, nicht nur einigen wenigen Experten. Als ich die Bilder zum ersten Mal sah, war ich ebenfalls mehr als beeindruckt und wollte, dass diese Bilder an die Öffentlichkeit gehen.
Raumfahrer.net: Also können wir diese Onboardkameras bei zukünftigen Starts ebenfalls erwarten?
Stéphane Israël: Nun, wir haben jetzt dieses Video und auch eines vom ATV Start letztes Jahr.
Flugrevue: Vielleicht könnte man diese kleinen Kameras bei mehr Starts dabei haben, sie sollten klein und günstig zu haben sein.
Stéphane Israël: Es ist leider nicht so einfach. Wenn man unseren Ingenieuren sagt, sie sollen an einer Stelle der Rakete etwas ändern, muss man durch eine Vielzahl von Studien gehen. Wir sind nicht hier nur um eine Show zu machen.
Flugrevue: Aber ich denke, Sie müssen eine Show machen, grade für die jungen Leute um Sie zu inspirieren, um den Steuerzahlern etwas zurückzugeben. Es sollte nicht nur ein Business sein, sondern es sollte auch um die Schönheit des Weltraums gehen und dies den Menschen zu zeigen.
Raumfahrer.net: Auf Ihrem eigenen youtube Kanal ist es das einzige Video mit einer wirklich beeindruckenden Zahl an Aufrufen.
Stéphane Israël: Deswegen habe ich einen neuen Direktor für Kommunikation ernannt und einer seiner Aufgaben wird es sein, die Dinge die wir hier tun nach außen zu bringen für jeden Start. Ich teile auf jeden Fall Ihre Ansicht hier, vieles ist vom Steuerzahler finanziert und er sollte hier auch etwas zurückbekommen.
Raumfahrer.net & Flugrevue: Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!
Das Gespräch führten Klaus Donath für Raumfahrer.net und Matthias Gründer für Flugrevue, dem hier auch noch einmal gedankt sei für das zur Verfügung stellen seiner Audioaufzeichnung. Ebenso gilt der Dank Arianespace für das Ermöglichen des Interviews.