Jahrestreffen Raumcon-Forum und Raumfahrer Net 2018

Mitglieder und Freunde des Raumcon-Forums und des Vereins Raumfahrer Net trafen sich vom 06. bis 10. Mai 2018 zum jährlichen Erfahrungsaustausch in Lindau am Bodensee, mit Exkursionen nach Friedrichshafen.

Quelle: Raumfahrer Net, Airbus, ESA, MPS, Dornier Museum, Eumetsat, Stefan Goth.

Am diesjährigen Treffen nahmen 22 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sowie einige Tagesgäste teil. Wie jedes Jahr bot es ein abwechslungsreiches Besichtigungsprogramm, Vorträge, Diskussionen mit hochkarätigen Gästen und die einzigartige Möglichkeit für die über den deutschsprachigen Raum (und darüber hinaus) verstreuten Foristen des Raumcon-Forums sich im persönlichen Kontakt auszutauschen.

Sonntag 06.05.2018

Jugendherberge Lindau – gelungene Komposition aus alt und neu
(Bild: Axel Nantes)

Los ging es mit dem Einchecken in der Jugendherberge Lindau, dem raumcon-typischen Dekorieren des Veranstaltungsraums und dem Aufbau der notwendigen Medientechnik. Wie üblich wurden dafür alle bereits eingetroffenen Teilnehmer eingespannt, so dass sich bereits beim Anbringen von Space Shuttle-, Falcon 9- und Mars-Bildern die ersten Fachgespräche entwickelten. Erfreulicherweise konnten auch neue Freunde begrüßt werden, die zum ersten mal als Übernachtungsgäste teilnahmen.

Veranstaltungsraum Raumcon-Treff
(Bild: Axel Nantes)

Nach einem reichhaltigen Abendessen wurden die Raumfahrt- und Astronomiebegeisterten vom Vorsitzenden von Raumfahrer Net e.V. Thomas Weyrauch und der Hauptorganisatorin Ilka Meuer begrüßt. Das vorgesehene Programm wurde durchgesprochen und die neue Raumfahrer Net Jahrestasse (Motiv: Falcon Heavy Erststart, Design Andrej Meuer) vorgestellt. Exklusiv für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurde eine limitierte Raumcon-Treff-Tasse 2018 mit Rosetta-Bildern vom Kometen Tschurjumow-Gerassimenko 67/P präsentiert (Design Andrej Meuer).

Danach schloss sich ein Kennenlernen und gemütliches Beisammensein im Innenhof der Jugendherberge bei bestem Frühsommer-Wetter an.

Montag 07.05.2018

Airbus Defence and Space – Standort Friedrichshafen

Nach dem Frühstück in der Jugendherberge fuhren die Teilnehmer nach Friedrichshafen-Immenstaad zu Airbus Defence and Space. Dort stießen noch zwei weitere Raumfahrt-Enthusiasten dazu. Leider ist das Fotografieren auf dem Betriebsgelände strikt verboten, so dass es von unserem Besuch dort keine eigenen Bilder gibt.

Begrüßung

Begrüßt wurden die Raumfahrer von Wolfgang Rock (PLM Operations Manager; PLM = Payload Module = Nutzlastmodul) im Kunden- und Innovationszentrum. Er stellte auch den Airbus-Konzern, die Raumfahrtsparte und die Schwerpunkte der Arbeit am Standort Friedrichshafen vor. Der Standort mit rund 2.200 Mitarbeitern kümmert sich insbesondere um den Bereich Space Systems (Raumfahrtsysteme), ist aber auch in Communications, Intelligence and Security und UAV/UAS (Unmand Aereial Vehicles/Systems = unbemannte Flugdrohnen/Systeme) tätig.

MetOp Second Generation

Der erste themenbezogene Vortrag von Ulrich Schull (MetOp SG B Projektleiter) befasste sich mit der Nachfolgegeneration der derzeit aktiven Wettersatelliten MetOp von Eumetsat (Eumetsat ist der internationale Betreiber wichtiger Wettersatelliten). Generell dienen diese Satelliten der Erfassung zahlreicher für die Wettervorhersage relevanter Messdaten. Die Vorteile der MetOp-Satelliten sind die globale Abdeckung durch polare Bahnen und die durch die niedrige Bahnhöhe (ca. 800 km) bedingte hohe Auflösung. Außerdem beobachten sie in einem breiten elektromagnetischen Spektrum. Derzeit befinden sich die baugleichen Satelliten MetOp A und B im All. Der letzte aus dieser Baureihe MetOp C soll demnächst gestartet werden.

Laut einer Erhebung von Eumetsat bringt jeder in die Wettersatelliten investierte Euro eine Wertschöpfung bzw. Schadensvermeidung, z.B. Dank Unwettervorhersage, in Höhe von mehr als 15 Euro (Benefit to cost ratio > 15). Neben den Wetterbeobachtern auf niedrigen, polaren Bahnen gibt es weitere, die auf geostationärer Position jeweils einen großen Bereich der Erdoberfläche in hoher Wiederholrate abtasten. Die Wettersatelliten liefern rund 50 % der für die Wettervorhersage relevanten Daten. Der Rest kommt von stationären Messstationen, Bojen im Meer und Wetterballons.

Übersicht MetOp-SG-Industriekonsortium
(Bild: ESA)

Derzeit wird im Auftrag von ESA und Eumetsat die zweite Generation der MetOp-Satelliten (MetOp SG oder EPS-SG wie Eumetsat das Programm bezeichnet) entwickelt. Während die erste Generation noch aus drei gleichen Einheiten besteht, sollen die Instrumente auf zwei jeweils unterschiedliche Flugkörper (A und B) verteilt werden. Von jedem Typ sind jeweils drei gleiche Einheiten geplant. Das Auftraggeber-, Auftrags- und Auftragnehmergeflecht ist so komplex, dass es hier nicht im Detail wiedergegeben werden kann. Allerdings wurde Airbus über verschiedene Ausschreibungen mit der Entwicklung beider Satelliten beauftragt. Die Projektführerschaft für MetOp SG “A” liegt beim französischen Konzernteil, MetOp SG “B” wiederum beim deutschen in Friedrichshafen ansässigen. Das Projekt gliedert sich in rund 250 Unteraufträge, mit ca. 100 beteiligten Unternehmen aus 17 verschiedenen Ländern.

Die Satelliten sollen im Zeitraum von 2021 bis in die 2040er-Jahre gestartet bzw. betrieben werden. Wobei alle Satelliten gleichzeitig bzw. in Kleinserie hintereinander gebaut werden. Die Starts der baugleichen Geräte erfolgt im Abstand von einigen Jahren. Die zunächst noch nicht benötigten Einheiten werden unter kontrollierten Reinraum-Bedingungen eingelagert. Für die Wissenschaftler und Wetterdienste ist es wichtig, dass über einen möglichst langen Zeitraum gleichwertige Messungen mit möglichst gleichem Equipment durchgeführt werden.

Der Start der ersten beiden Satelliten (A1 und B1) ist mit der “europäisierten” Sojus von Kourou aus geplant. Deshalb ist für die Entwicklung die Nutzlast-Masse auf jeweils 4,4 t limitiert. Später ist geplant weitere Exemplare mit Ariane 6 zu starten. Da Eumetsat als Betreiber der Satelliten und Auftraggeber für die Starts nicht an den Geo-Return (ESA) gebunden ist, steht die Falcon 9 als weiteres Backup-Startvehikel zur Verfügung.

Bei der Bestückung mit Messinstrumenten wird auf Kontinuität geachtet, d.h. die Messgeräte aus der ersten Generation erhalten ggf. verbesserte Nachfolger. Darüber hinaus kommen aber auch weitere Instrumente hinzu, um der Wettervorhersage weitere Parameter zur Verfügung zu stellen, aber auch um den Klimawandel genauer zu erforschen und zu dokumentieren. Dadurch wird es auch nötig die Messeinrichtungen auf zwei Satelliten aufzuteilen. Das Hauptinstrument auf den Typ B Satelliten ist das C-Band-Radar, auch Scatterometer genannt. Welches ebenfalls vom Airbus-Standort in Friedrichshafen maßgeblich entwickelt wird. Damit lassen sich insbesondere die Wellenhöhen und indirekt die Windgeschwindigkeiten über den Ozeanen ermitteln.

Nachdem die zukünftigen Erdbegleiter ihr Einsatzende erreicht haben (darüber wird der spätere Betreiber Eumetsat letztlich entscheiden), sollen sie einen kontrollierten Wiedereintritt ausführen. Dafür erhalten die Satelliten ein dediziertes 400 N Triebwerk mit dem die Umlaufbahn innerhalb weniger Tage mit einer bestimmten Menge Resttreibstoff soweit abgesenkt werden kann, dass mit einem letzten “Suicide-Burn” ein Eintritt in die Erdatmosphäre über dem Südpazifik erfolgt. Wobei hierfür seit einiger Zeit konkrete Vorschriften zur Müllvermeidung greifen. Bis ca. 1.000 kg wäre ein unkontrollierter Eintritt zulässig. Bei der geplanten Masse ist jedoch davon auszugehen, dass massive Teile die Erdoberfläche bzw. die Meeresoberfläche erreichen. Daher muss aktiv ein besonders menschenleerer Sektor im Südpazifik angesteuert werden.

Raumsonde Rosetta

Gunther Lautenschläger (Functional Avionics Engineering, Expert Spacecraft Operations and FDIR) berichtete im Anschluss über die Mission Rosetta zum Kometen 67P / Tschurjumov-Gerassimenko.

Rosetta mit Philae on top über der Weltraumsimulationskammer LSS des ESTEC im April 2000
(Bild: ESA / Anneke Le Floc’h)

Für dieses Projekt hat Airbus die eigentliche Sonde gebaut und die Instrumente (die von unterschiedlichen Forschungseinrichtungen entwickelt und beigestellt wurden) integriert. Von den rund 3 t der Sonde entfielen etwa 1,6 t auf den Treibstoff. Damit wurde allerdings gerade mal 25 % der notwendigen kinetischen Energie zur Verfügung gestellt. Der größere Teil wurde durch drei “Gravity Assists” (also Vorbeiflüge) an der Erde und einem am Mars gewonnen.

Besondere Herausforderung bei der Entwicklung des Raumflugkörpers war das Thermaldesign, da fast die Umlaufbahnen der Venus und des Jupiter gestreift wurden. Außerdem sind die Kommunikation über sehr lange Distanzen, die Energiegewinnung durch hochperformante Solargeneratoren und die sog. Deep Space Hibernation (DSH), also die weitgehende Abschaltung über viele Monate auf dem entferntestem Teil des Weges zur Energieeinsparung, zu nennen. In diesem Zustand (DSH) wurde auch die Möglichkeit eines sog. Safemodes unterdrückt, da ein Umschalten in diesen Sicherheitsmodus zu viel Energie gekostet hätte, so dass nicht genug Wärme über die internen Heizelemente hätte produziert werden können. Ein Einfrieren des Hydrazins, welches als Treibstoff an Bord war, wäre die Folge gewesen.

Weiterhin wurde mit der Navigationskamera eine weitgehend autonome Navigation am Kometen realisiert. Dabei wurden trotz der sehr geringen Gravitation (1/10.000 der Erdanziehung) “keplersche”, also gravitativ an den Kometenkern gebundene Orbits, geflogen. Für die Navigation innerhalb der Kometen-Koma wurden spezielle Algorithmen programmiert, um die auf den Aufnahmen der Navigationseinrichtungen dominierenden Staubpartikel von den Fixsternen zu trennen. Demnach konnten aus einem Bild jeweils bis zu 10.000 Staubpartikel herausgerechnet werden. Trotzdem kam es auch wegen des Staubs zu einem Safemode in unmittelbarer Nähe des Kometen. Die Sonde ging auf einige Hundert Kilometer Abstand, orientierte die Hauptantenne dank der Sternennavigation auf die Erde und wartete auf Befehle. Sie konnte danach den regulären Betrieb wieder aufnehmen.

Grundsätzlich wäre auch noch eine zweite Rückfallebene implementiert gewesen, diese wurde aber nie benötigt. Im Falle einer längeren Kommunikationsunterbrechung und eines Verlusts der Orientierung der Hochgewinnantenne zur Erde, hätte die Sonde selbständig sich zunächst an der Sonne orientiert und dann spiralförmig darum herum nach der Erde gesucht, bis sie wieder Kontakt mit einer Bodenstation aufgenommen hätte.

Eine weitere anspruchsvolle Aufgabe war es den Lander Philae, welcher vom DLR entwickelt und gebaut wurde, abzusetzen. Auch wenn Airbus für die Funktion des Landers nicht verantwortlich war, wurde auf die entsprechende Frage eines Teilnehmers berichtet, dass die Fehlfunktion der Harpunen höchstwahrscheinlich auf das Schrumpfen der Treibsätze über die lange Flugzeit zum Versagen führte. D.h. die Auslösemechanismen haben zwar funktioniert, die Zündfunken haben aber den (ungeplanten) Abstand zu den Treibsätzen nicht überwunden.

Beim Bau der Raumsonde Rosetta waren unter der Projektleitung von Airbus 96 Firmen aus 16 Ländern beteiligt.

Da die Vorträge sich durch die fachkundigen Fragen und die ausgiebigen Diskussionen länger hinzogen als geplant, wurde der Vortrag für ein reichhaltiges, von Airbus zur Verfügung gestelltes Mittagessen unterbrochen.

Cluster

Modell eines Cluster-Satelliten im Dornier Museum
(Bild: Axel Nantes)

Auch zu den immer noch in Betrieb befindlichen Cluster-Satelliten berichtete Herr Lautenschläger über Entwicklung, Bau und Betrieb. Ziel der aus vier gleichen Einheiten bestehenden Satellitenkonstellation ist es die Interaktion zwischen Sonne und Erdmagnetfeld zu messen und zu erforschen.

Die Raumflugkörper sind auf polaren, stark elliptischen Bahnen (Apogäum ca. 1/3 der Mondentfernung) unterwegs. Ursprünglich war bei ihrem Start im Jahr 2000 eine Einsatzzeit von wenigstens 3,5 Jahren geplant. Kürzlich wurde die Mission bis 2020 verlängert!

EarthCare

Über EarthClouds, Aerosols and Radiation Explorer, kurz EarthCare, berichtete Markus Huchler (Project Manager EarthCare) in einem prägnanten Vortrag. Airbus entwickelt und baut den Erdbeobachtungssatelliten im Auftrag der ESA.

Das japanische Cloud-Profiling-Radar (vorne rechts) für den ESA-Satelliten EarthCARE (hinten) im Reinraum in Friedrichshafen-Immenstaad.
(Bild: Presseerklärung Airbus DS GmbH / Mathias Pikelj)

Mit EarthCARE sollen Wolken, Aerosole und Rückstrahlung der Erdatmosphäre untersucht werden. Geplant ist ein polarer Orbit mit ungefähr 400 km Höhe über dem Erdboden. Innerhalb von 25 Tagen soll die Erdatmosphäre jeweils einmal komplett abgetastet werden. Der zukünftige Erdbegleiter wird eine Masse von rund 2,35 t haben. Davon entfallen ca. 1 t auf den Satellitenbus, 1 t auf die Instrumente und etwa 350 kg auf den Treibstoff. Die Solarpaneele sollen ungefähr 1,6 kW an elektrischer Leistung generieren. Die Datenrate für den Downlink wird bei 1 Mbps liegen. Für Entwicklung und Bau wurden 113 Unteraufträge an Firmen aus 18 Ländern vergeben.

Bedingt durch Verzögerungen bei den von verschiedenen Forschungseinrichtungen beigestellten Instrumenten hat sich die Fertigstellung immer wieder verzögert. Beispielsweise das von der japanischen Raumfahrtorganisation JAXA entwickelte und gebaute Cloud Profiling Radar (CPR) (pdf) wurde bereits 2017 testweise bei Airbus in Friedrichshafen mit dem Satellitenbus verbunden. Das Instrument befindet sich jedoch wieder in Japan und muss weiter angepasst werden. Daher wird das Projekt in eine Art “Stand-By-Modus” versetzt, d.h. das Projektteam wird drastisch reduziert und die bereits gebaute Hardware unter Reinraum-Bedingungen eingelagert. Erst wenn die ausstehenden Messinstrumente zur Verfügung stehen, wird die Mitarbeiterzahl wieder hochgefahren, die Integration abgeschlossen, die notwendigen Testläufe durchgeführt und die eigentliche Startkampagne begonnen.

MetOp (erste Generation)

Aus organisatorischen Gründen folgte dann ein Vortrag von Fred Tanner (Former Head of ESA Projects in ENS) über die MetOp-Wettersatelliten der ersten Generation, während der Vortrag über die zweite, in Entwicklung befindliche Generation bereits am Vormittag stattfand. Herr Tanner kürzte daher seinen Vortrag um die grundsätzliche Funktion und Aufgabe von Wettersatelliten und konzentrierte sich auf die spezifischen Eigenschaften. So sind die MetOp-Satelliten auf dem sog. 9:30-Uhr-“Morgenorbit” unterwegs. Das bedeutet die Satelliten überqueren jeweils auf dem absteigenden Knoten ihrer Bahn (von Norden kommend) den Erdäquator bei der lokalen Zeit von 9:30 Uhr am Morgen. Diese zeitlich fixe Wiederholung sorgt dafür, dass die entsprechenden Messungen immer unter gleichen Beobachtungsbedingungen erfolgen und somit untereinander vergleichbar sind.

Internationale Zusammenarbeit bei der Wetterbeobachtung ist selbstverständlich. Die US-amerikanische Wetterbeobachtungsorganisation NOAA betreibt ihre Satelliten in einem sog. Nachmittagsorbit und ergänzt so die Datenbasis mit entsprechenden Messungen.

MetOp C am Kran über der Weltraumsimulationskammer LSS des ESTEC Februar 2017
(Bild: ESA / G. Porter CC BY-SA 3.0 IGO)

MetOp A ist seit 2005 im Einsatz, MetOp B seit 2012. Der dritte Satellit dieser Generation von Eumetsat betriebener Wettersatelliten soll voraussichtlich im September diesen Jahres starten. Alle drei Satelliten sind im Prinzip baugleich. Damit soll die Vergleichbarkeit der Messdaten über einen langen Zeitraum gewährleistet werden. Das ursprünglich von den USA beigestellte HIRS (High-resolution Infrared Radiation Sounder) wird allerdings bei MetOp C fehlen, da es nicht mehr gebraucht wird. Trotzdem wird zumindest ein Massensimulator an seiner Stelle an Bord sein, um die wesentlichen physikalischen Eigenschaften den beiden Vorgängern weitestgehend anzunähern.

Insgesamt sind bei den MetOp-Satelliten jeweils 13 Messinstrumente an Bord, das gesamte Raumfahrzeug wiegt rund 4 t, davon entfallen etwa 2 t auf das Nutzlastmodul. MetOp C wird mit einer Sojus von Kourou aus starten.

Zur Herstellung und Integration wurde die Arbeitsweise bei Airbus erklärt. Um einen zentralen Rundkörper werden in zwei Segmenten übereinander jeweils vier Paneele angebracht. Auf jedem Paneel können Installationen, Messgeräte und technische Einrichtungen montiert werden. Wobei üblicherweise diese Paneele vorab einzeln bestückt und u.U. ganze Baugruppen darauf installiert werden. Wenn möglich werden diese bereits separat geprüft und getestet, bevor sie mit dem eigentlichen Satellitenbus verbunden werden. Durch diese modulare Bau- und Arbeitsweise können verschiedene Arbeitsschritte parallel durchgeführt werden und gegenseitige Abhängigkeiten vermindert werden. Selbstverständlich wird auch der komplett integrierte Satellit weiteren umfassenden Tests unterzogen. Eine nachträgliche Überprüfung und Anpassung einzelner Komponenten wird erleichtert, da die Paneele auch relativ einfach wieder demontiert werden können.

Besichtigung Neubau Integrations- und Technologiezentrum (ITC)

Nach den Vorträgen wurden die Raumfahrtenthusiasten in zwei Gruppen in das seit langem genutzte Integrationszentrum (IC, Dr. Berthold Vogt, Head of Space Integration Center) und den Neubau des Integrations- und Technologiezentrums (ITC, Christopher Hess, Head of Mechanical Products) geführt.

Das ITC steht kurz vor der Fertigstellung und wandelt sich gerade von einer Baustelle in einen funktionsfähigen Reinraum. Daher bot die Besichtigung die einmalige Gelegenheit für Außenstehende sich in einem hallenartigen Reinraum der Klasse 5 bis 8 aufzuhalten. Sobald die Inbetriebnahme beginnt, werden Besichtigungen nur noch von außen, d.h. durch Sichtfenster aus dem zukünftigen Konferenzbereich möglich sein. Die Halle bietet die Möglichkeit bis zu 8 Satelliten gleichzeitig zu integrieren. Die Halle ist in drei verschiedene Raumhöhen gegliedert. An der höchsten Stelle können Satelliten bis zu einer Gesamthöhe von 17 m zusammengebaut werden.

Athena (Phase-0-Entwurf mit 12-Meter-Teleskop)
(Bild: ESA Concurrent Design Facility)

In Europa gibt es sonst keine vergleichbare Integrationshalle, nur in den USA gibt es, soweit bekannt, eine ähnliche Möglichkeit. Diese maximale Raumhöhe wurde gezielt gewählt, um sich für Entwicklung und Bau des von der ESA geplanten Röntgenteleskops Athena bewerben zu können. Allerdings kann ein entsprechend großer Satellit nicht im Ganzen die Halle verlassen und muss in drei Teile zerlegt werden.

Ein besonderes Merkmal ist der fließende Übergang von den Reinraumklassen 5 (ungefähr 100 Partikel pro Kubikfuß) bis 8 (ungefähr 100.000 Partikel pro Kubikfuß). Die gefilterte Luft wird über die komplette Wand in dem Bereich mit der höchsten Reinheitsklasse eingebracht und durch Öffnungen im Boden wieder abgesaugt. Daran schließen sich die Bereiche mit niedrigeren Reinheitsklassen ohne Abtrennungen an. Dadurch kann eine flexible und ablauforientierte Integration gewährleistet werden ohne dass Bauteile oder ganze Satelliten gekapselt, ausgeschleust, transportiert und in anderen Montagehallen wieder ausgepackt werden müssen.

Insgesamt werden in der großen Halle und in im gleichen Gebäude untergebrachten kleineren Reinräumen im Vollbetrieb rund 800.000 m³/h Luft umgewälzt werden.

Besichtigung Integrationszentrum (IC)

Im Gegensatz zum noch im Bau befindlichen ITC kann der seit langem genutzte Reinraum nur über eine Besuchergalerie besichtigt werden. Von dort hat man einen sehr guten Überblick über die eng gestaffelt aufgereihten, in unterschiedlichen Stadien der Fertigstellung begriffenen, Satelliten. Darunter waren Sentinel und der bereits in einem Vortrag vorgestellte EarthCare. Wobei daran insbesondere die beschriebene modulare Bauweise und das Fehlen einiger größerer Messinstrumente deutlich wurde.

Ausklang des ersten Exkursionstages

Nach den zahlreichen durch die vielen Fachfragen und Diskussionen in die Länge gezogenen Vorträgen und den hochinteressanten Besichtigungen war die verfügbare Zeit bis zur letzten Minute ausgenutzt, so dass die Teilnehmer gerade noch rechtzeitig für ein spätes Abendessen in die Jugendherberge zurückkehrten.

Zum Abschluss eines vollgepackten Tages gab es für Interessierte noch einen russischen Raumfahrtfilm zu sehen.

Dienstag 08.05.2018

Führung durch das Dornier-Museum in Friedrichshafen

Satellitenmodell von AEROS A + B in der Raumfahrtausstellung im Dornier Museum
(Bild: Axel Nantes)

Der Tag begann wie der vorherige mit einem reichhaltigen Frühstück und führte dann ins Dornier-Museum nach Friedrichshafen. Ein ehemaliger langjähriger Dornier-/Astrium-Mitarbeiter führte die Gäste durch das 2009 eröffnete Luft- und Raumfahrtmuseum. Neben den historischen Anfängen der Luftfahrt mit konkretem Bezug zu Friedrichshafen (Zeppelin-Werke) wurden einige herausragende Entwicklungen des Firmengründers Claude Dornier vorgestellt. Von besonderem Interesse waren natürlich die Aktivitäten der Fa. Dornier im Bereich der Raumfahrt. Beispielsweise wurden die europäischen Erdbeobachtungssatelliten ERS (European Remote Sensing Satellite) und die von Dornier gebaute Faint Object Camera des Hubble-Weltraumteleskops vorgestellt.

Die Herausforderungen bei der Herstellung von Hohlleitern für Radarantennen mit synthetischer Apertur wurden anschaulich am Beispiel eines entsprechenden Ausstellungsstücks aufgezeigt.

Zeppelin NT bei der Landung
(Bild: Stefan Goth)

Im Anschluss an die Führung hatten Interessierte die Gelegenheit den Flugsimulator mit einem originalen DO 27 Cockpit für einen virtuellen Rundflug über den Bodensee und in das benachbarte Ausland zu nutzen. Außerdem konnte das Museum auf eigene Faust erkundet werden.

Das Mittagessen nahmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf der Aussichtsterasse des DO-X Restaurants mit Blick auf landende und startende Luftfahrzeuge ein. Neben den Privat- und Verkehrsflugzeugen die den Bodensee Airport Friedrichshafen nutzten wurde vor allem der Zeppelin NT bei einer Reihe von Starts und Landungen bewundert.

Offener Brief von Raumfahrer Net “Wir wollen Bilder” zur Mission Rosetta aus dem Jahr 2014

Am Nachmittag hatte das Dornier Museum das sog. DO-Labor, die ehemalige Seehütte von Claude Dornier, welche vor einigen Jahren im Dornier Museum wiederaufgebaut wurde, zur Verfügung gestellt. Zu diesem Programmteil konnte Dr. Holger Sierks (OSIRIS Principal Investigator) vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen begrüßt werden.

Karl Urban, einer der Gründer von Raumfahrer Net, hielt einen Vortrag über den Offenen Brief vom 15. Juli 2014 zur Mission Rosetta. Damals wünschten sich die Community und die Öffentlichkeit mehr Bilder und insbesondere eine schnellere Veröffentlichung. Er machte deutlich dass Raumfahrer Net und das Raumcon-Forum auf der selben Seite wie die Wissenschaftler stehen. Er verwies hierzu auf die Präambel der Satzung des gemeinnützigen Vereins.

“Als Teil einer jungen Generation im Herzen Europas, aus Ost und West, sind wir zusammengetroffen, um auf Basis dieser Satzung einen Verein zu gründen, die Öffentlichkeit vom Nutzen der friedlichen Erforschung des Weltalls zu überzeugen und als junge Generation unseren Beitrag dazu zu leisten.”

Er berichtete, dass die Reaktionen der ESA und der beteiligten Forscher zunächst ablehnend, dann eher widersprüchlich waren. Er zeigte auch weitere Reaktionen in Internet-Blogs, Zeitschriften, Tageszeitungen und in der Sendung nano auf 3Sat auf. Die ESA befürchtete zunächst eine Konkurrenz zu den hochauflösenden OSIRIS-Kameras, schwenkte nach kurzem Zögern aber um, und stellte zumindest die Bilder der Navigationskamera zügig zur Verfügung. Schließlich wurden alle NavCam-Bilder unter eine Creativ Commons Lizenz gestellt.

Während der ganzen Zeit gab es einen Austausch mit der ESA, eine offizielle Reaktion des MPS wurde jedoch vermisst. Die Veröffentlichung der OSIRIS-Bilder erfolgte jeweils mit Monaten Verzögerung (proprietäre Periode) und ist noch nicht abgeschlossen. Erst der persönliche Kontakt zwischen Holger Sierks und Karl Urban brachte mehr Klarheit und weitere Gespräche in Gang.

Holger Sierks stellte sich der Diskussion und verwies darauf, dass die Datenrate von Rosetta beim Kometen stark limitiert war und daher jedes Instrument und die Navigation der Sonde mit starken Beschränkungen auskommen mussten. Die Navigation beanspruchte dann sogar eine höhere Datenrate als ursprünglich geplant. Um dies wieder etwas auszugleichen wurden dann auch OSIRIS-Bilder zur Navigation herangezogen, so dass wiederum die Übertragung einiger NavCam-Bilder eingespart werden konnte.

In der Diskussion wurde deutlich, dass tatsächlich die Gefahr von missbräuchlicher Nutzung fremder Daten in der Wissenschaftscommunity besteht. So wurde einer Fachzeitschrifteine Arbeit angeboten, welche auf Bildern beruhte, die keinen offiziellen Weg nahmen. Auch andere Beispiele von “Leaks” wurden besprochen, bei denen sensationelle Bilder und Daten von anderen Forschern vor der eigentlichen offiziellen Vorstellung an die Öffentlichkeit weitergegeben wurden.

Karl Urban verwies auf “Best Practice”-Beispiele, z.B. werden bei einigen NASA-Missionen (Curiosity, New Horizon) Bilder praktisch unmittelbar nach dem Downlink veröffentlicht. Es gibt auch Projekte mit voller Datenfreigabe für alle. Bei GAIA mussten sogar alle interessierten Wissenschaftler abwarten bis der offizielle Sternenkatalog für alle veröffentlicht wurde, bevor sie sich damit befassen konnten.

Laut Holger Sierks wurden bisher rund 170 Arbeiten basierend auf OSIRIS-Daten (während der Mission am Kometen aufgenommen) veröffentlicht. Er betonte, dass Europa bei der Kometenforschung noch ein Neuling war, im Gegensatz zur NASA bzw. den USA. Deshalb war eine proprietäre Phase unumgänglich, um selbst eine Chance zu haben, entsprechende Auswertungen und Forschungsergebnisse zu veröffentlichen. Auch waren die ESA und das OSIRIS-Team auf die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit nicht vorbereitet. Es gab kein Budget, kein Personal und kein Konzept. Erst im Laufe des Projekts wurde diese Anforderung erkannt und reagiert. Letztlich wurde die Arbeit der ESA auch in diesem Feld sogar von allen Seiten gelobt. Das MPS hat mit der Hochschule Flensburg eine Ausstellung zu Rosetta und 67/P erarbeitet, welche in zahlreichen Einkaufszentren zumindest im Norden der Bundesrepublik gezeigt wurde.

Die in den verschiedenen OSIRIS-Katalogen veröffentlichten Bilder mit “nur” 512 x 512 Pixeln Auflösung sind die Originalbilder, die auch dem MPS zur Verfügung stehen. Wegen der bereits beschriebenen begrenzten Datenrate wurde entschieden, einen Teil der Bilder bereits auf der Sonde stark zu komprimieren und zu verkleinern. Dafür konnte die Zahl der Bilder die übertragen wurden deutlich erhöht werden.

Holger Sierks sieht das Alleinstellungsmerkmal des MPS bezüglich der Fähigkeit wissenschaftliche Kameras zu konstruieren, zu bauen und zu betreiben gefährdet. Die Finanzierung solcher Aktivitäten ist sehr stark von der Unterstützung durch die politischen Entscheidungsgremien abhängig. Diese wiederum sehen vor allem den wissenschaftlichen Output, d.h. wie viele “Papers” produziert werden, als zu erzielenden Gegenwert an. Werden Daten ohne ausreichende proprietäre Phase an die Wissenschaftsgemeinde ausgegeben, sinkt der Anreiz entsprechende Projekte zu fördern.

Trotzdem wird es wahrscheinlich in absehbarer Zeit noch einmal eine Kamera-Mission mit Beteiligung des MPS geben. Eine voll flugtaugliche Reservekamera der Sonde DAWN wird bei der Mission AIDA mitfliegen. Die Daten dieser Mission werden allerdings sofort veröffentlicht werden. Was danach kommt ist sehr unsicher.

Im Zusammenhang mit der Diskussion über die Freigabe von Bildern und Daten der Rosetta-Mission in 2014, zeigte sich Holger Sierks erschüttert über den Umgangston im Internet und den sog. sozialen Medien. Er berichtete über unangemessene Angriffe. Ein Phänomen, das auch die Raumcon-Foristen und Mitglieder von Raumfahrer Net betroffen machte.

67/P – Der Rosetta Komet

Nach der angeregten und fruchtbaren Diskussion über die Bilder- und Datenfreigabe bei Rosetta hielt Holger Sierks noch einen spannenden Vortrag über die Mission, die OSIRIS-Kameras und den Beitrag des MPS. Die ersten Planungen und Vorarbeiten begannen bereits 1985, der Start erfolgte 2004. Die eigentliche Mission der Sonde endete 2016, die Auswertung der Daten hält aber noch an. Das MPS stellte zwei Kameras zur Verfügung und war für deren Betrieb verantwortlich: Narrow Angel Camera (NAC) und Wide Angel Camera (WAC). Jede Kamera hatte eine Masse von etwa 10 – 12 kg.

Eine besondere Herausforderung war die Datenverarbeitung, da durch den ständigen Beschuss mit Sonnenpartikeln und kosmischer Strahlung unzählige Artefakte in den Aufnahmen enthalten sind.

67/P aufgenommen am 12. und 13. August 2015
(Quelle: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA)

Er berichtete auch über einige wissenschaftliche Erkenntnisse, so erhöht sich die Rotationsgeschwindigkeit von 67/P bei jedem Umlauf um die Sonne. Dies wird auf die asymmetrische Form und die damit ungleichmäßige Abstrahlung des Kometenkerns zurückgeführt. Auch verliert der Süden des Kometen mehr Staub, da dieser Bereich in Sonnennähe stärker beschienen wird als der Norden. Gleichzeitig lagert sich auf der Nord-Hemisphäre mehr Staub ab, als dort ins All geschleudert wird. Insgesamt verliert der Nukleus bei jedem Sonnenumlauf eine signifikante Masse. Die Dichte des Körpers ist sehr niedrig, ähnlich Kork. Die Gravitation erreicht nur etwa ein 1/10.000 der Erdanziehung. Dass, zumindest an der Oberfläche, organische Bestandteile mit einem Anteil von ca. 45 % festgestellt wurden, hat sogar die Wissenschaftler überrascht.

Nach weitgehend einhelliger Meinung der Forscher ist 67/P aus ursprünglich zwei getrennten Körpern entstanden. Hinweise darauf gibt z.B. der schichtweise Aufbau der beiden Hauptkörper. Diese jeweils ca. 20 m dicken Schichten wurden wahrscheinlich während der Bildung der Urkörper in der Akkretionsscheibe, aus der unser Sonnensystems entstanden ist, abgelagert. Die Schichtung und Orientierung deutet darauf hin, dass beide Teile separat entstanden sind und sich erst später aneinander angelagert haben. Man geht allerdings davon aus, dass diese Verbindung schon sehr früh erfolgte, da sie mit recht geringer Relativgeschwindigkeit erfolgt sein muss. Das scheint wiederum nur möglich zu sein, wenn gleichzeitig noch größere Menge Gas vorhanden war, um die Bewegung der festen Körper zu bremsen. Das Gas wiederum war nach aktueller Lehrmeinung bereits rund 3 Mio. Jahre nach Entstehung der Sonne verschwunden bzw. aus dem Sonnensystem “vertrieben”.

Es gibt noch viele Phänomene und Eigenschaften die noch wenig verstanden sind. Es gibt beispielsweise auf der Oberfläche zahlreiche “Bolder”, Körper die wie Felsen aussehen, jedoch wegen der geringen Dichte eher nicht mit massiven Steinen zu vergleichen sind. Diese Brocken mit Ausdehnungen von einigen Dezimetern bis Metern haben teilweise erstaunlich glatte Flächen, die an Abbruchflächen erinnern. Es ist noch völlig unklar, wie diese glatten Oberflächen entstanden sind bzw. vielleicht noch entstehen.

Der Komet erzeugt gigantische Staubfontänen, die teilweise auch bis eine Stunde nach Sonnenuntergang anhalten. Damit der Staub den Kameras nicht schadet waren diese mit einem Verschlussmechanismus ausgestattet. In zwei Jahren aktiver Zeit am Kometen, waren diese nur ca. 40 h für die reine Belichtungszeit offen. Die Kameraoptiken waren dadurch effizient vor Verstaubung geschützt.

Der Lander Philae ist gefunden!
(Bild: ESA/Rosetta/MPS for OSIRIS Team MPS/UPD/LAM/IAA/SSO/INTA/UPM/DASP/IDA; context:

Die besondere Leistungsfähigkeit konnten die Kameras bei der Aufnahme von Philae an seinem letztendlichen Landeort in einer dunklen Felsspalte unter Beweis stellen. Die entsprechende Aufnahme zeigt bei normaler Ausleuchtung an dieser Stelle ein sattes Schwarz. Allerdings waren die Sensoren so empfindlich, dass sie alleine durch das von der Oberfläche zurückgestrahlte Sonnenlicht (die Albedo beträgt nur rund 6 %) Philae abbilden konnten.

Der hochinteressante mit zahlreichen spektakulären Aufnahmen gespickte Vortrag versöhnte die Anwesenden über die teilweise lange Wartezeit bis zur Veröffentlichung dieser Bilder hinweg. Man will weiter im Gespräch bleiben.

Den Abend verbrachten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in intensiven Fachgesprächen.

Mittwoch 09.05.2018

“Warum ist der Journalismus so schlecht?”

Der Veggie-Day in der Jugendherberge Lindau startete mit einem gesunden Frühstück. Da keine Exkursionen geplant waren blieb viel Zeit für Vorträge und Diskussionen im Veranstaltungsraum. Den Auftakt übernahm Karl Urban mit einem Grundsatzvortrag mit dem Titel “Warum ist der Journalismus so schlecht?”.

Als Einstieg griff er auf ein Zitat aus einem Artikel zurück, in dem die Falcon Heavy versehentlich zu einem 1.400.000 Tonnen Monster gemacht worden war. Weitere Beispiele fehlerhafter Beiträge in Print- und Onlinebeiträgen unterstützten den Eindruck, dass es Mängel in der journalistischen Qualität gibt.

Zum besseren Verständnis des Problem schilderte er zunächst, wie üblicherweise ein journalistischer Text entsteht. Am Anfang steht eine Idee für einen Beitrag, das kann von einer Redaktion ausgehen oder von einem Autor einer Redaktion vorgeschlagen werden. Wenn der verantwortliche Redakteur der ersten Ideenzusammenfassung zustimmt, beginnt der Autor mit einer möglichst umfassenden Recherche. Er versucht sich sachkundig zu machen, führt Interviews und versucht Hintergründe zu beleuchten. Ein Textentwurf geht an den Redakteur, dieser redigiert den Text, macht den Einstieg griffiger und sorgt für einen besseren sprachlichen Fluss. Ein längerer Text kann mehrmals zwischen Autor und Redakteur hin- und hergehen, bevor beide damit zufrieden sind. In ganz wenigen Redaktionen folgt dann ein sogenanntes “fact checking”. Meist unterbleibt dieses jedoch wegen Personal- und Geldmangel. Im Lektorat werden dann meist nur noch Rechtschreibung, Grammatik und Ausdruck geprüft.

Generell geht der Anteil der Print-Medien, also gedruckte Zeitungen und Zeitschriften am Medienmarkt immer mehr zurück. Nicht nur die Auflagen sinken, auch die Redaktionen werden verkleinert. Wissenschaftsjournalisten sind nur noch in wenigen Redaktionen vertreten. Auch bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten wird im Wissenschaftsbereich gekürzt.

Es gibt Gegenbewegungen bei stiftungsfinanzierten Einrichtungen und Autoren schließen sich zu Genossenschaften zusammen.

Entwicklungsstand bei der BFR (Big Falcon Rocket)

Joachim Boensch berichtete über die neuesten Erkenntnisse und Spekulationen im Zusammenhang mit der Entwicklung der BFR genannten Großrakete von SpaceX. Zunächst wies er darauf hin, dass mit BFR – Big Falcon Rocket das ganze Trägersystem, BFS – Big Falcon Spaceship das eigentliche Raumschiff und mit BFB – Big Falcon Booster die erste Stufe bezeichnet werden.

Er erläuterte das Landeverfahren des BFS (Heck voraus) und ging auf die Tankverfahren am Start- und Landeplatz sowie zwischen Tanker und Raumschiff im Orbit ein. Die regenerativ gekühlten Vakuum-Triebwerksdüsen des BFS sind eine Besonderheit, da Vakuumtriebwerke üblicherweise strahlungsgekühlt arbeiten. Durch die enge Anordnung und die massivere Ausführung, um z.B. bei der Landung in der Atmosphäre nicht beschädigt zu werden, kann durch Strahlung alleine die Abwärme nicht ausreichend abgeführt werden.

Da es zu den Fortschritten bei SpaceX nur wenige konkrete Aussagen gibt, werden sichtbare bauliche Aktivitäten sehr genau verfolgt. So wird in McGregor, Texas ein ursprünglich aufgelassener Teststand plötzlich weitergebaut bzw. einer neuen Funktion zugeführt. Wassertanks und andere Einrichtungen deuten darauf hin, dass dort demnächst Tests größerer Einheiten durchgeführt werden. Unsicher ist, ob hier vollständige Raptor-Triebwerke oder gar ganze Stufen getestet werden sollen.

Einige Einrichtungen für die spätere Produktion der BFR wurden bereits beschafft. So wurde in einer provisorischen Halle im Hafen von San Pedro bei Los Angeles eine große walzenartige Maschine aufgestellt, mit der voraussichtlich die Hüllen von Tanks oder Stufen aus Kohlefaser gefertigt werden sollen.

Für die endgültigen Produktionsstätten wurde eine weitere Fläche im Hafen von San Pedro langfristig durch SpaceX angemietet. Dort können auch große Schiffe oder Bargen anlegen.

Neben dem Flug zum Mars und den Point-to-Point-Verbindungen auf der Erde wurde auch der denkbare Ablauf einer BFR-Mondmission beschrieben. Demnach würde eine BFS mit den Astronautinnen und Astronauten zusammen mit einem BFS-Tanker in einen niedrigen Erdorbit geschossen und dann mit neun weiteren Starts von Tankern wieder aufgetankt werden. In einem hoch elliptischen Erdorbit würde dann der erste Tanker letztmalig das BFS auftanken bevor dieses endgültig zum Mond fliegt. Nach einer Landung würde das BFS ohne Treibstoffproduktion auf der Mondoberfläche mit den mitgebrachten Treibstoffen wieder zur Erde zurückkehren. Demnach könnten mit dieser Methode bis zu 150 t Nutzlast auf einmal auf den Mond gebracht werden.

Nach dem Mittagessen stand der Nachmittag den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zur freien Verfügung. Viele besuchten die Altstadt von Lindau und genossen das schöne Wetter am Hafen.

KI in der Raumfahrt

Am Abend sammelte Thomas Brucksch Statements der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Thema Künstliche Intelligenz (KI), Fluch oder Segen? Die Meinungen gehen erwartungsgemäß weit auseinander. Er führte durch die Entwicklung der KI und ihrer kritischen Diskussion.

Als Beispiel einer Anwendung nannte er CIMON einen innerhalb des Weltraumlabors Columbus auf der Internationalen Raumstation ISS flugfähigen interaktiven künstlichen Assistenten, der Alexander Gerst unterstützen soll. Technisch beruht das von Airbus, IBM, DLR und der Ludwig-Maximilians-Universität in München gemeinsam entwickelte System auf Watson von IBM.

Ein weiteres Einsatzgebiet für KI und Deep Learning Technologie ist die Auswertung und Identifizierung von Mustern in astronomischen Daten. Hier forscht das Heidelberger Institut für theoretische Studien (HITS).

Die KI-Techniken erläuterte Thomas Brucksch am Beispiel von AlphaGo, ein Computersystem, dass den spielstärksten Go-Spieler der Welt in einem Match über 10 Spiele 9:1 geschlagen hat. Eine Kombination aus Monte Carlo Tree Search, massiv paralleler Verarbeitung und Neuronalem Netz von gelernten und generierten Wissen ermöglichte erst 2016 diese Leistungen.

KI-Systeme sind somit zwar in der Lage, die “besseren” Entscheidungen zu treffen und könnten dazu verleiten, sich auf die Technik zu verlassen, erklären können sie ihre Entscheidung aber nicht.

Den Abschluss seines Vortrags bildete eine Beschreibung des dystopischen Kurzfilms “Slaughterbot”, welchen man bei YouTube findet.

Diskussion zum Stand der Dinge im Raumcon-Forum

Eine angeregte Diskussion zum Stand der Dinge im Raumcon-Forum ergab sich aus einer Umfrage dort. Generell stand die Frage im Raum, ob die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine schlechte Stimmung im Forum wahrnehmen und der Meinung seien, dass der Ton rauer geworden sei. Dies wurde von den meisten Anwesenden bestätigt. Auch Holger Sierks hatte in der Diskussion im Anschluss an seinen Vortrag am Dienstag bereits auf ähnliche Erfahrungen im Internet und den sog. sozialen Medien hingewiesen.

In der angeregten Diskussion wurde die Situation ausführlich besprochen und einige Vorschläge für Verbesserungen an der Forumstechnik, dem Umgang der Moderatoren mit “Trollen” und den Möglichkeiten, die den einfachen Forumsteilnehmern zur Verfügung stehen, gemacht. Die anwesenden Administratoren und Moderatoren wollen die Ergebnisse der Umfrage und der Diskussion intern mit den nicht anwesenden Teammitgliedern besprechen und weitere Schritte einleiten.

Hierzu hat Andreas Weise ein Statement im Namen von Raumfahrer Net e.V. und des Teams des Raumcon-Forums verfasst.

Donnerstag 10.05.2018

Ausklang

Der letzte Tag hat traditionell kein vorgegebenes Programm. Die aufwändige Dekoration des Veranstaltungsraums wurde mit vereinten Kräften wieder abgenommen. Nach und nach verabschiedeten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und machten sich auf den Heimweg.

Eine schon etwas geschrumpfte Gruppe hielt noch ein kleines Brainstorming bezüglich des nächsten Treffens in 2019 ab. Neben dem Finden spannender Exkursionsziele ist vor allem die Suche nach einer bezahlbaren Unterkunft die größte Herausforderung bei der Planung eines Raumcon-Treffs. Bei beiden Punkten zeichnete sich relativ schnell ein möglicher Favorit ab. Genaueres wird zu gegebener Zeit im Forum und im Portal zu lesen sein.

Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum:

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