Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass sich tief unter der Oberfläche des Mars eine Sedimentschicht aus Karbonatmineralen befinden könnte. Deren Existenz wäre ein Indiz für eine in der Vergangenheit erfolgte längerfristige Interaktion des in der Marsatmosphäre enthaltenen Kohlendioxides mit Gewässern auf der Planetenoberfläche und würde gleichzeitig den Verbleib eines Teils der ursprünglichen Marsatmosphäre erklären.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, LPSC 2011. Vertont von Peter Rittinger.
Aufgrund der von den verschiedenen Orbiter-, Lander- und Rovermissionen gesammelten Daten gilt es heute als gesichert, dass der Mars in seiner Frühzeit über eine deutlich dichtere Atmosphäre verfügt haben muss als in der Gegenwart, welche in Kombination mit höheren Temperaturen das Vorhandensein von flüssigen Wasser ermöglicht hat. Auf den Bildern der Orbiter erkennen wir gewaltige Canyons und Flussdeltas, deren Entstehung sich am besten durch die direkte Einwirkung von Oberflächenwasser erklären lässt. Die Analysen der bei den bisherigen Marsmissionen gewonnenen Daten haben gezeigt, dass sich auf dem Mars Minerale befinden, welche sich zumindestens auf der Erde nur in Verbindung mit Wasser bilden können. Ein Rätsel für die Wissenschaftler war hierbei allerdings immer das Fehlen eines ganz bestimmten Minerals, welches unter solchen ehemaligen Bedingungen eigentlich in größeren Mengen auftreten sollte.
Die Atmosphäre des Mars besteht gegenwärtig zu 95,3 Prozent aus Kohlendioxid. Außerdem treten noch 2,7 Prozent Stickstoff, etwa 1,6 Prozent Argon und Spuren von weiteren Gasen auf. Eine Welt, deren Klima durch Kohlendioxid und Wasser bestimmt wurde, sollte jedoch auch über deutlich erkennbare Karbonatablagerungen verfügen. Karbonate sind Salze der Kohlensäure, welche freigesetzt werden, sobald Kohlendioxid mit Wasser reagiert. Auf der Erde finden sich solche Karbonatvorkommen zumeist in Form von Kalziumkarbonat, welches besser unter der Bezeichnung Kalk bekannt ist. Als sich vor etwa 3,7 Milliarden Jahren ein Großteil der Marsatmosphäre aus bisher nicht genau bekannten Gründen verflüchtigte und das Oberflächenwasser aufgrund des dadurch bedingten Abfalls des Luftdrucks verdampfte, hätte sich das kohlensäurehaltige Wasser mit den im Boden vorkommenden Kalzium-, Eisen- und Magnesiumablagerungen verbinden und als Karbonat ablagern müssen. Trotzdem konnten im Verlauf der bisherigen Untersuchungen des Mars bis heute nur geringe Spuren dieses Minerals auf der Oberfläche des Mars nachgewiesen werden.
Im Jahr 2003 entdeckten Wissenschaftler bei der Auswertung von Spektrometerdaten des Orbiters Mars Global Surveyor erstmals geringe Mengen von Karbonaten auf der Marsoberfläche, welche im dortigen Staub enthalten waren. Im Dezember 2008 publizierte eine Wissenschaftlergruppe um Scott Murchie von der Johns Hopkins University einen weiteren Nachweis. Mit Hilfe des Compact Reconnaissance Imaging Spectrometer for Mars (CRISM) an Bord der NASA-Sonde Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) konnte man Karbonatvorkommen innerhalb von intaktem Marsgestein nachweisen. Diese Vorkommen bedecken im Bereich des Nili Fossae eine Fläche von etwa 10 Quadratkilometern. Auch in der näheren Umgebung wurden bei diesen Messungen weitere Vorkommen entdeckt.
Ebenfalls im Jahr 2008 gelang ein weiterer Nachweis von Karbonaten, diesmal in der Nordpolregion des Mars. Die Auswertung der Messergebnisse des TEGA-Instruments an Bord des Marslanders Phoenix lassen hierbei auf einen Anteil von drei bis fünf Gewichtsprozenten von Kalziumkarbonat in den dort untersuchten Bodenproben schließen. Und auch bei der Analyse der von dem Marsrover Spirit gewonnenen Daten konnten im Sommer 2010 Karbonate nachgewiesen werden (Raumfahrer.net berichtete). All diese Karbonatnachweise waren jedoch lediglich regional begrenzt. Zudem handelte es sich bei den bisher auf dem Mars nachgewiesenen Karbonaten zumeist um Magnesiumkarbonat, welches sich beim Kontakt von glühendem Vulkangestein mit Wasserdampf bildet und dessen Existenz nicht als ein Beleg für größere Wasserflächen interpretiert wird.
Am 8. März 2011 wurden auf einem wissenschaftlichen Kongress in Houston/Texas, der diesjährigen Lunar and Planetary Science Conference (LPSC 2011), neue Forschungsergebnisse präsentiert. Die an der Untersuchung beteiligten Wissenschaftler berichteten, dass mit dem CRISM-Spektrometer an Bord des MRO erneut Karbonatvorkommen nachgewiesen werden konnten, welche sich diesmal allerdings ursprünglich tief unter der Marsoberfläche befunden haben. Die Planetologen vermuten, dass diese neu entdeckten Karbonatvorkommen lediglich ein kleiner Bestandteil einer größeren Sedimentschicht aus Karbonatmineralen ist, welche sich in mehreren Kilometern Tiefe unter der Oberfläche des Mars befindet. In dieser Schicht könnte auch ein Teil des Kohlenstoffdioxides abgelagert sein, welches in der planetaren Vergangenheit des Mars dessen deutlich dichtere Atmosphäre gebildet hat.
Der neue Nachweis von Karbonaten gelang am Rand des 467 Kilometer durchmessenden Huygens-Kraters, welcher sich bei etwa 14 Grad südlicher Breite und 304 Grad westlicher Länge am südöstlichen Rand des Terra Sabaea, einem der Hochländer auf dem Mars, befindet.
„Wir sind in der glücklichen Lage, an dieser Stelle etwas zu untersuchen, was sich zuvor tief unter der Planetenoberfläche verborgen hielt“, so der Planetologe James J. Wray von der Cornell University in Ithaca im US-Bundesstaat New York. Bei dem Impaktereignis, welches vor mehreren Milliarden Jahren zur Bildung des Huygens-Kraters führte, wurde Material aus bis zu fünf Kilometern Tiefe an die Planetenoberfläche befördert und in einem Wall um den Krater abgelagert. Durch einen späteren Impakt, welcher genau auf diesen Wall des Huygens-Kraters erfolgte, wurde dieses Material aus dem Marsuntergrund erneut freigelegt. Die Daten des CRISM-Spektrometers zeigen neben verschiedenen Karbonaten auch Lehmminerale, welche sich ebenfalls typischerweise in einer feuchten Umgebungen bilden. Hierbei konnten in erster Linie Eisen- und Kalziumkarbonate nachgewiesen werden.
Mit den jetzt in Houston präsentierten Forschungsergebnissen verdichten sich die Indizien für die Existenz einer in mehreren Kilometern Tiefe unter der Oberfläche des Mars liegenden Sedimentschicht aus Karbonaten, welche sich in der früheren Geschichte unseres Nachbarplaneten gebildet hat. Bereits vor fünf Monaten konnte ein anderes Wissenschaftlerteam mit Hilfe von CRISM-Messungen die gleichen Karbonate und Lehmminerale an einer rund 1.000 Kilometer nördlich gelegenen Stelle des Mars nachweisen. Wie auch im Fall der jetzigen Entdeckung gelang der damalige Nachweis im Bereich eines Impaktkraters, des Leighton-Kraters, wo Material aus dem Untergrund zutage gefördert wurde.
In ihrem damaligen Entdeckungsreport schlugen die beiden Hauptautoren Joseph Michalski vom Planetary Science Institute in Tucson/Arizona und Paul Niles vom Johnson Space Center der NASA in Houston/Texas vor, dass die von ihnen im Bereich des Leighton-Kraters nachgewiesenen Karbonate eventuell lediglich ein kleiner Teil einer viel größeren Karbonatschicht darstellen, welche im Laufe der Zeit unter vulkanischen Ablagerungen und Auswurfmaterial von Asteroideneinschlägen begraben wurde.
„Die große Bandbreite der von uns beobachteten Mineralienzusammensetzungen, darunter Eisen- und Kalziumkarbonate, kann nicht durch die Reaktionen von kleineren Wassermengen mit magmatischem Gestein erklärt werden“, so James J. Wray. Die von seinem Team nachgewiesenen Kalziumkarbonate findet man auf der Erde typischerweise als sedimentäre Ablagerungen auf dem Grund von Seen und Meeren. Das Vorhandensein der im Bereich der beiden Krater Huygens und Leighton nachgewiesenen Karbonate lässt sich seiner Meinung nach am besten mit einer in der Vergangenheit erfolgten Interaktion des in der Marsatmosphäre enthaltenen Kohlendioxides mit Gewässern auf der Planetenoberfläche erklären.
Diese Annahme ließe sich durch den Nachweis ähnlicher Ablagerungen an anderen Stellen des Mars erhärten. Unklar ist dabei noch, ob die hierfür notwendigen Bedingungen global auftraten oder ob sie lediglich regional begrenzt waren. Für eine entsprechende Suche lassen sich die Daten des CRISM-Spektrometers verwenden, welches bisher etwa 75 Prozent der Marsoberfläche in einer niedrigen Auflösung abgebildet hat. Dabei konnten an vielen Orten Lehm- und Tonablagerungen nachgewiesen werden, welche auch an den Fundorten der zuletzt nachgewiesenen Eisen- und Kalziumkarbonate auftreten. Besonders im Bereich von mittelgroßen Kratern sollten diese Lagerstätten jetzt nach der Meinung von James J. Wray mit einer höheren Auflösung weiter untersucht werden.
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