Mars Express: Neue Aufnahmen der Claritas Rupes

Am Donnerstag veröffentlichte Aufnahmen der HRSC-Kamera an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express zeigen die Region der Claritas Rupes auf dem Mars, welche sich am südlichen Rand der Tharsis-Region befindet. Diese Region entstand vor etwa 3,5 Milliarden Jahren durch den Abbau von tektonischen Spannungen in der Marskruste.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, DLR.

NASA, MGS, MOLA Science Team, FU Berlin
Eine topografische Karte der Region Claritas Fossae und der benachbarten Claritas Rupes auf dem Mars. Der von der HRSC-Kamera abgebildete Bereich ist hier umrahmt.
(Bild: NASA, MGS, MOLA Science Team, FU Berlin)

Seit mittlerweile mehr als zehn Jahren, nämlich seit dem 25. Dezember 2003, befindet sich die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express in einer Umlaufbahn um den Mars und liefert den an dieser Mission beteiligten Wissenschaftlern seitdem regelmäßig eine Vielzahl an Daten über die Atmosphäre und speziell über die Oberfläche unseres äußeren Nachbarplaneten. Durch die Auswertung der gewonnene Daten und Aufnahmen ergeben sich für die Planetenforscher wertvolle Einblicke in dessen Entwicklungsgeschichte.

Am 30. November 2013 überflog Mars Express während des Orbits Nummer 12.600 erneut die Region Claritas Fossae und bildete dieses Gebiet mit der High Resolution Stereo Camera (kurz „HRSC“), einem der insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Marsorbiters, ab. Aus einer Überflughöhe von mehreren hundert Kilometern erreichte die HRSC dabei eine Auflösung von ungefähr 14 Metern pro Pixel. Die bei dieser Gelegenheit angefertigten Aufnahmen geben einen bei etwa 27 Grad südlicher Breite und 254 Grad östlicher Länge gelegenen Ausschnitt der Marsoberfläche wieder.

Die Aufnahmen zeigen einen Teil der Abbruchkante Claritas Rupes, welche das Grabensystem der Claritas Fossae umgibt. Die gesamte Region befindet sich am südlichen Rand der Tharsis-Region. Diese Region bedeckt mit einer Ausdehnung von mehreren tausend Kilometern eine Fläche von rund vier Millionen Quadratkilometern und erhebt sich dabei wie eine Wulst um mehrere Kilometer über das umliegende Hochland des Mars. Neben dem Grabenbruchsystem der Valles Marineris befinden sich in diesem Gebiet auch die meisten der großen Marsvulkane wie zum Beispiel der Schildvulkan Olympus Mons.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Diese Grafik beschreibt die zeitliche Verteilung der fünf vulkanischen Aktivitätsphasen auf dem Mars.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Diese Vulkane sind auch für die Entstehung der Tharsis-Aufwölbung verantwortlich. Planetologen gehen allgemein davon aus, dass sich die Tharsis-Region vor etwa 3,5 Milliarden Jahren während des geologischen Mittelalters des Mars, der sogenannten Hesperianischen Epoche, gebildet hat. Die äußere Kruste des Mars wurde zu dieser Zeit durch im Inneren des Planeten auftretende Kräfte aufgewölbt, was zu massiven Oberflächenspannungen führte. Diese Spannungen entluden sich unter anderem im Rahmen gewaltiger Vulkanausbrüche. Bei diesen Ausbrüchen ergossen sich große Mengen an dünnflüssiger Lava über die Marsoberfläche, welche anschließend zu ausgedehnten, mehrere Kilometer mächtigen Lavadecken erstarrte.

Die Region Claritas Fossae
Der Begriff „Fossa“ (Mehrzahl „Fossae“) ist das lateinische Wort für „Graben“ und wird in der Marsgeologie für markante, verhältnismäßig geradlinig verlaufende Talstrukturen verwendet. Die Region Claritas Fossae grenzt die stark vulkanisch geprägte Ebene Daedalia Planum im Westen von der weiter östlich gelegenen Ebene Solis Planum ab. Die Lavadecken des Solis Planum reichen bis an die höher gelegenen Gebiete der „Claritas Fossae“-Region heran und verfüllen kleinere Buchten, Täler und Impaktkrater. Deutlich erkennbar sind dort die unregelmäßigen und teilweise erodierten Fronten der Lavadecken. Anhand der Überlagerungen von tektonischen Brüchen, Einschlagskratern, kleinen Talsystemen und Lavadecken lässt sich die relative Altersabfolge bestimmen. Die komplexe Art der Überlagerungen zeigt dabei auch deutlich, dass mehrere Prozesse gleichzeitig oder auch mit länger anhaltenden Unterbrechungsperioden stattgefunden haben müssen.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein perspektivischer Blick auf die im Bildhintergrund befindlichen Abbruchkante der Claritas Rupes.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die Region Claritas Fossae bestehen aus einer Vielzahl von linearen Bruchstrukturen, welche zumeist nur einige hundert Meter bis wenige Kilometern breit sind. Sie beginnt unmittelbar südlich der drei Schildvulkane Ascraeus Mons, Pavonis Mons und Arsia Mons und erstreckt sich von dort über eine Länge von etwa 1.800 Kilometern in die südliche Richtung. Dabei verbreitert sie sich von zunächst ungefähr 150 Kilometern im Norden auf eine Ausdehnung von etwa 550 Kilometern im Süden.

Die Serie der zahlreichen Brüche, welche die Region der Claritas Fossae durchziehen, verläuft radial zum Zentrum der Tharsis-Aufwölbung. Dies unterstützt die Annahme, dass diese Bruchstrukturen durch tektonische Spannungen in der Marskruste bei der Herausbildung der bis zu zehn Kilometer hohen Tharsis-Aufwölbung entstanden sind. Durch das Gewicht der abgelagerten Lava bauten sich erneut Spannungen innerhalb der Marskruste auf, welche jetzt durch mehrere zeitlich aufeinanderfolgende massive Dehnungsvorgänge in der Kruste abgebaut wurden.

Das dadurch bedingte Aufbrechen der Oberfläche in einzelne „Schollen“ bewirkte, dass ganze Blöcke der Marskruste in die neu entstandenen Zwischenräume abglitten und so ein charakteristisches Landschaftsbild mit auffallenden Geländestufen erzeugten. Auf der Erde führten ähnliche Prozesse in der Vergangenheit zur Entstehung von Grabenbrüchen, welche zum Beispiel im Oberrheingraben zwischen Basel und Karlsruhe, dem Eger-Graben in Tschechien oder im ostafrikanischen Great Rift Valley zu finden sind.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine Nadir-Farbansicht der Region Claritas Rupes. Norden befindet sich rechts im Bild.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Auf der linken (südlichen) Seite der nebenstehenden Nadir-Aufnahme der Claritas Rupes ist ein Hügel erkennbar, welcher durch seine im Vergleich zu der Umgebung verhältnismäßig hellen Farbe auffällt. Dieser Hügel könnte sich aus relativ weichem und leicht erodierbarem Material zusammensetzen. Hierbei dürfte es sich um sogenannte Schichtsilikate handeln. Hierbei handelt es sich um Tonminerale, welche reich an Eisen und Aluminium sind und die sich nur unter der längerfristigen Einwirkung von Wasser auf vulkanisches Gestein bilden können. Hinweise auf einen entsprechenden Ursprung lieferten auch Beobachtungen mit dem CRISM-Spektrometer an Bord des von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebenen Orbiters Mars Reconnaissance Orbiter (MRO), welches in der Vergangenheit in der unmittelbaren Umgebung ebenfalls solche hellen Materialien detektiert und untersucht hatte.

Bildverarbeitung und HRSC-Kamera
Die weiter oben gezeigte Nadir-Farbansicht der Region Claritas Rupes wurde aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- beziehungsweise rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die perspektivische Schrägansicht wurde aus den Aufnahmen der Stereokanäle der HRSC-Kamera berechnet. Das weiter unten zu sehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Marslandschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal der Kamera abgeleitet. Des Weiteren konnten die für die Bildauswertung zuständigen Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wurde, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Durch die Betrachtung mit einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille wird mit dieser 3D-Aufnahme ein räumlicher Eindruck der Landschaft vermittelt. Besonders gut ist hierbei die in der unteren Bildhälfte verlaufende Abbruchkante erkennbar.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann von der Freien Universität Berlin geleitet. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Instituten aus zehn Ländern.

Die hochauflösenden Stereokamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit mehreren industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof erstellt.
Die hier gezeigten Aufnahmen der Region Claritas Rupes finden Sie auch auf den entsprechenden Internetseiten des DLR und der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders gut zur Geltung.

Verwandte Meldungen bei Raumfahrer.net:

Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum:

Verwandte Seiten bei Raumfahrer.net:

Sonderseite des DLR:

Nach oben scrollen