Mars Express: Yardangs auf dem Mars

Die heute veröffentlichten Aufnahmen der Raumsonde Mars Express zeigen den Danielson-Krater und die darin befindlichen Yardang-Felder. Diese Strukturen könnten Hinweise auf Klimaschwankungen liefern, denen der Mars aufgrund einer sich periodisch verändernden Neigung seiner Rotationsachse ausgesetzt ist.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, DLR, ESA.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine topografische Karte des Danielson-Kraters auf dem Mars. Der durch die HRSC-Kamera abgebildete Bereich ist umrahmt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die auf der nördlichen Hemisphäre des Mars‘ gelegene Region Arabia Terra bildet eine Übergangszone zwischen dem südlichen Marshochland und der rund um den Nordpol verlaufenden nördlichen Tiefebene. In diesem Gebiet existiert eine Vielzahl an unterschiedlich großen Impaktkratern, welche mit Ablagerungen aus verschiedenen Materialien gefüllt und die im Laufe der Zeit durch Umwelteinflüsse stark erodiert sind.

Am 19. März 2012 überflog die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express während ihres Marsorbits Nummer 10.468 den westlichen Bereich des Arabia Terra und bildete das Gebiet mit der High Resolution Stereo Camera (HRSC), einem der insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Marsorbiters ab.

Dabei gerieten zwei dicht nebeneinander liegende, von ihrem äußeren Erscheinungsbild her jedoch sehr unterschiedliche Krater in das Blickfeld der HRSC-Kamera. Aus einer Überflughöhe von mehreren hundert Kilometern erreichte die Kamera dabei eine Auflösung von etwa 26 Metern pro Pixel. Der auf diesen Aufnahmen erkennbare, etwa 60 Kilometer durchmessende Danielson-Krater ist von zahlreichen sogenannten Yardangs geprägt. Der unmittelbar südlich des Danielson-Kraters gelegene und mit einem Durchmesser von rund 33 Kilometern nur etwa halb so große Kalocsa-Krater zeigt dagegen keine vergleichbaren Geländestrukturen.

Wie bei vielen anderen Kratern in der Region des Arabia Terra ist auch der Grund des Danielson-Kraters mit geschichteten Sedimentablagerungen bedeckt. Im Laufe der Zeit wurden diese Sedimentschichten jedoch durch die erosiven Kräfte des Windes beeinflusst und dabei teilweise wieder abgetragen. Die so entstandenen Geländeformen werden als Yardangs bezeichnet. Bei diesen auch von unserem Heimatplaneten her bekannten Strukturen handelt es sich um mehr oder weniger stromlinienförmig gestaltete Gesteinsrücken, welche durch die erosiven Kräfte des Windes gebildet wurden. Durch die meist parallele Anordnung der Gesteinsrücken lässt sich die Windrichtung nachvollziehen, die während des Erosionsprozesses vorgeherrscht haben muss.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein perspektivischer Blick über den Danielson-Krater.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Yardangs werden im Laufe der Zeit von den Sandkörnern, welche der Wind mit sich führt, wie mit einem Sandstrahlgebläse aus dem Gestein „herausgefräst“. Wehen die Winde dabei über einen längeren Zeitraum in die gleiche Richtung, so können diese dabei regelrechte Windgassen bilden, durch welche der Prozess der Yardang-Bildung noch weiter beschleunigt wird. Der Name „Yardang“ entstammt aus der uigurischen Sprache und bedeutet ins Deutsche übersetzt in etwa „steiler Sandwall“. Geprägt wurde der Begriff durch den schwedischen Wissenschaftler und Forschungsreisenden Sven Hedin, welcher in der zentralasiatischen Wüste Lop Nor solche Gesteinsformationen beobachtete und im Jahr 1903 erstmals wissenschaftlich beschrieb.

Im Rahmen der Entstehung der Yardangs im Danielson-Krater muss der auf die Oberfläche einwirkende Wind vornehmlich aus der nord-nordöstlichen Richtung geweht haben. Die Planetologen vermuten, dass die Sedimente bei diesem Prozess zunächst durch den Wind in das Innere des Kraters transportiert wurden und dort mit Wasser in Kontakt traten. Dies hatte eine Verfestigung der Lockersedimente zur Folge. In einer zu einem späteren Zeitpunkt erfolgenden Trockenperiode der Marsgeschichte wurden die so entstandenen Gesteine dann wieder abgetragen. Manche Wissenschaftler vermuten, dass die erkennbaren Wechsellagen der einzelnen Sedimentschichten ein Hinweis auf Klimaschwankungen auf unserem Nachbarplaneten sein könnten, welche durch eine in periodischen Abständen erfolgende Verschiebung der Rotationsachse des Mars ausgelöst werden.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine Farbansicht der beiden durch die HRSC-Kamera abgebildeten Krater. Im Inneren des Danielson-Kraters ist ein Dünenfeld aus dunklem Sand erkennbar. Norden befindet sich recht im Bild.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die Einwirkung des Windes ist auch an einem 30 Kilometer langen Dünenfeld im Inneren des Kraters zu erkennen, welches sich allerdings erst in der jüngeren geologischen Vergangenheit gebildet hat. Die dunkle Färbung des Sandes rührt sehr wahrscheinlich von vulkanischem Material her. Hierbei könnte es sich entweder um Vulkanasche oder um zu Sand und Staub verwitterte Vulkangesteine handeln. Der dunkle Sand bildet dabei einen starken optischen Kontrast zu der ansonsten typischerweise ockerfarbenen Planetenoberfläche.

Der kleinere, lediglich 33 Kilometer durchmessende Kalocsa-Krater präsentiert sich dagegen in einem vollkommen anderen Erscheinungsbild. Hier sind keine geschichteten Sedimentablagerungen oder Yardangs zu erkennen. Möglicherweise ist die im Vergleich zum Danielson-Krater geringere Tiefe des Kalocsa-Kraters der Grund für das Fehlen dieser Strukturen. Der Danielson-Krater reicht etwa 1.000 Meter tiefer in den Untergrund der Marsoberfläche als der Kalocsa-Krater.

Somit könnte dort eventuell ein in der Vergangenheit in dieser Region vorhandenes tiefer gelegenes Grundwasserreservoir freigelegt worden sein, was zu der Sedimentverfestigung am Grund des Danielson-Kraters geführt haben könnte. Der höher gelegene Boden des Kalocsa-Kraters wurde dagegen nicht von dem Grundwasser erreicht. Eine andere Hypothese geht davon aus, dass der Kalocsa-Krater erst zu einem späteren Zeitpunkt entstand, als der Mars seine flüssigen Wasservorkommen aufgrund eines dramatischen Klimawandels bereits verloren hatte.

Ebenfalls auffallend ist eine mächtige Lavadecke im unteren Bildabschnitt (östlich der beiden Krater) und eine Geländestufe, welche den Übergang zu einem tiefer gelegenen Terrain im Bildabschnitt markiert (zu erkennen im oberen linken Teil des Bildes). Hier ragt ein Teil des Auswurfmaterials des kleineren Kalocsa-Kraters wie eine Landzunge in das tiefer gelegene Gebiet. Am Rand dieser Auswurfdecke ist ein kleiner, etwa fünf Kilometer durchmessender, aufgefüllter Krater zu sehen. Das legt die Vermutung nahe, dass sich die Auswurfdecke in der Vergangenheit weiter in das Vorland erstreckte. In dieser Region sind außerdem eine Vielzahl kleiner, noppenförmiger Hügel zu erkennen. Hierbei handelt es sich vermutlich um die Restberge eines ehemals weiter reichenden, höheren Oberflächenniveaus.

Die hier gezeigten Farbansicht des Arabia Terra wurde aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- bzw. rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Das weiter unten zu sehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal der Kamera abgeleitet. Des Weiteren können die Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wird, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Durch die Betrachtung mit einer speziellen Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille wird mit dieser 3D-Aufnahme ein räumlicher Eindruck der Landschaft vermittelt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Sonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Institutionen aus zehn Ländern.

Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
Weitere während des Orbits Nummer 10.468 durch die HRSC-Kamera angefertigte Aufnahmen des Danielson-Kraters finden Sie auf der entsprechenden Internetseite der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders gut zur Geltung.

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